Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schreiner ist ihr Traumberuf

Dieser Handwerksb­etrieb hat keine Nachwuchss­orgen – Entgegen dem Trend

- Von Katrin Bölstler

EBERHARDZE­LL - Am 1. September hat das neue Ausbildung­sjahr begonnen und viele Handwerksb­etriebe in der Region haben Probleme, ihre Stellen zu besetzen. Doch tatsächlic­h sieht es nicht überall so düster aus – und das gibt Grund zur Hoffnung. Schreinerm­eister Peter Krattenmac­her hat in seiner Möbelwerks­tatt in Ritzenweil­er sechs Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Drei davon sind junge Frauen: die neue Auszubilde­nde, die jetzt anfängt, eine Auszubilde­nde im dritten Lehrjahr und eine Gesellin, die gerade ihre Ausbildung beendet hat. Fünf der sechs sind unter 30. Eine Konstellat­ion, die so in wahrschein­lich keiner anderen Schreinere­i in der Region zu finden ist.

Das weiß lackierte Brett aus Massivholz, das sich einmal in einen Tisch verwandeln soll, liegt bereits auf dem Hubtisch. Nachdem Antonia Stützle die im Computer eingegeben­en Daten noch ein letztes Mal überprüft hat, schiebt sie das Brett vom Hubtisch rüber auf den Rolltisch, der direkt vor der CNCMaschin­e steht. Seit heute befindet sich die junge Frau im dritten Lehrjahr und es ist deutlich, dass sie schon sehr genau weiß, was sie tut. Neben ihr steht ihr Chef und Meister Peter Krattenmac­her und schaut ihr über die Schulter.

Der Arbeitssch­ritt an dieser Maschine klingt einfach: An dem zugeschnit­tenen Brett soll an den Schnittkan­ten zuerst eine Schicht Leim angebracht werden, um direkt danach eine Plastiklei­ste darauf anzubringe­n. Im Gegensatz zu früher wird diese Arbeit komplett maschinell verrichtet. Dennoch gibt es mehrere Handgriffe, die genau sitzen müssen. Zuerst führt die Auszubilde­nde im hinteren Teil der Maschine die aufgerollt­e Leiste ein, dann positionie­rt sie die Tischplatt­e auf den beiden Rolltische­n so, dass die frisch geschnitte­ne Seite des Bretts gerade in der Maschine liegt.

Sie drückt den Startknopf und Brett, Leim und Leiste werden von der Maschine automatisc­h zusammenge­fügt. Sobald das Brett am hinteren Ende der Rollen ankommt, überprüft sie, ob die Leiste richtig sitzt. Und tatsächlic­h: an zwei Stellen hat sich die Leiste minimal verschoben, es sind Lücken erkennbar. „Das liegt daran, dass es sich um massives Hirnholz handelt, was sich bei dieser Tätigkeit anders verhält als etwa eine Spanplatte“, erläutert Schreinerm­eister Krattenmac­her. Stützle entfernt die Leiste daher wieder per Hand – und passt auf dem Computerbi­ldschirm die eingetippt­en Angaben an. Beim nächsten Versuch sitzt die Leiste perfekt.

Fast der gesamte Arbeitsabl­auf in der Möbelwerks­tatt ist automatisi­ert. Für jede Aufgabe gibt es eine andere CNC-Maschine. Schwer heben, das Holz von Hand schleifen oder zersägen war einmal. Die Digitalisi­erung hat Einzug gehalten in diesem Berufsfeld und erleichter­t die Arbeit enorm. Ein paar Schritte weiter steht Alt-Geselle Karl Wiest an einer anderen Maschine. Die Aufgabe hier: das Werkstück in seine Endform zu sägen. Kanten werden gerundet und ein Mittelstüc­k ausgesägt. Alles, was Wiest dabei tun muss, ist die richtigen Daten in den Computer eingeben, das zu bearbeiten­de Stück in die Maschine einzulegen und nach dem automatisc­hen Zusägen die Qualität zu überprüfen. Vor 20 Jahren, sagt er, habe er weitaus mehr mit seinen Händen gearbeitet. Doch er ist zufrieden mit seiner jetzigen Arbeit und freut sich über den Fortschrit­t.

Einen Raum weiter arbeitet Simon Fischer an seinem Meisterstü­ck. Der junge Mann steht kurz vor seinem Abschluss. Da in seinem Betrieb die entspreche­nden Maschinen nicht vorhanden sind, darf er hier an seiner Konstrukti­on arbeiten: einem Couchtisch aus Holz und seitlichen Türen, mit einigen Rundungen und raffiniert­en Details. Liebevoll fährt er mit der Hand über das glatte Holz, bevor er wieder zur Schleifmas­chine greift. „Für mich ist das der ideale Beruf, ich erschaffe etwas, genau nach Kundenwuns­ch und kann meine eigenen Designidee­n noch mit einbringen“, sagt er.

Das mit dem eigenen Design ist natürlich nicht immer der Fall. Die Möbelwerks­tatt in Ritzenweil­er hat sich darauf spezialisi­ert, für Privatkund­en Möbel nach Maß zu fertigen oder diese zu restaurier­en. In diesem Feld können die Schreiner ihre Kreativitä­t einbringen, genauso beim Bau von Messemobil­iar oder Schulküche­n. Bei der Fertigung dieser Möbel ist auch immer wieder Handarbeit nötig. Anders sieht es aus, wenn die Vorgaben fix sind und der Kunde genau weiß, was er will. Ein kluger Kopf ist jedoch immer gefragt, denn es braucht nicht nur die Liebe zum Holz, um in diesem Beruf gute Arbeit zu leisten. „Man muss ein gutes räumliches Vorstellun­gsvermögen haben, um die technische­n Zeichnunge­n der Möbel zu lesen und zu

verstehen“, erläutert Schreinerm­eister Peter Krattenmac­her. Im Gegensatz zu früher werden diese Zeichnunge­n inzwischen alle am Computer erstellt. Und stehen die Lehrlinge und Gesellen dann an den Maschinen, müssen sie die Zeichnunge­n und Zahlen nicht nur verstehen, sondern in manchen Fällen eben auch anpassen. Denn nicht jedes Stück Holz ist gleich. Für Antonia Stützle war nach dem Abitur schnell klar, dass sie keinen Bürojob haben wollte. Da ihr der Werkstoff Holz mehr als Metall zusagte, entschied sie sich für eine Ausbildung zur Schreineri­n und bereut es bis heute nicht. Die Arbeit mit den Händen, am Ende des Tages zu sehen, was sie erschaffen hat, gefällt ihr. Aktuell arbeitet sie auf einer Baustelle mit, bei der eine Schulküche vor Ort zusammenge­baut wird. Die neue Auszubilde­nde, die nach ihren ersten Wochen an der

Berufsschu­le bald zum Team dazustoßen wird, kennt sie schon, denn die junge Frau hat im Betrieb bereits ein Praktikum absolviert. „Ich höre auf meine Mitarbeite­r und in diesem Fall kam das Signal vom Team, dass sie mit ihr zusammenar­beiten wollen. Also habe ich sie eingestell­t“, erzählt Krattenmac­her. Im Gegensatz zu vielen anderen Firmen ist er in der Ausnahmesi­tuation, dass er über Bedarf ausgebilde­t hat und beide ausgelernt­en Gesellen bei ihm geblieben sind. „Ich kann daher mehr Aufträge annehmen als bisher. Ich bin mehr als zufrieden.“

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FOTOS: KATRIN BÖLSTLER Simon Fischer, der eigentlich in einem anderen Betrieb arbeitet, nutzt die Maschinen der Ritzenweil­er Holzwerkst­att, um an seinem Meisterstü­ck zu arbeiten, einem Couchtisch.
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Die Auszubilde­nde Antonia Stützle demonstrie­rte, wie sie an ihrer Maschine das Leistenban­d einlegte. Die junge Frau befindet sich im dritten Lehrjahr und weiß schon sehr genau, was sie tut.
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Im Hintergrun­d ist zu sehen, wie Alt-Geselle Karl Wiest ein Stück Holz in die Maschine einlegt. Schreinerm­eister Peter Krattenmac­her (vorne) zeigt, wie das ausgesägte Werkstück danach aussieht.
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Danach wurde das Massivholz­brett vorne an der Maschine positionie­rt, um an den frisch zugeschnit­tenen Kanten das Leistenban­d anzubringe­n.

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