Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schreiner ist ihr Traumberuf
Dieser Handwerksbetrieb hat keine Nachwuchssorgen – Entgegen dem Trend
EBERHARDZELL - Am 1. September hat das neue Ausbildungsjahr begonnen und viele Handwerksbetriebe in der Region haben Probleme, ihre Stellen zu besetzen. Doch tatsächlich sieht es nicht überall so düster aus – und das gibt Grund zur Hoffnung. Schreinermeister Peter Krattenmacher hat in seiner Möbelwerkstatt in Ritzenweiler sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Drei davon sind junge Frauen: die neue Auszubildende, die jetzt anfängt, eine Auszubildende im dritten Lehrjahr und eine Gesellin, die gerade ihre Ausbildung beendet hat. Fünf der sechs sind unter 30. Eine Konstellation, die so in wahrscheinlich keiner anderen Schreinerei in der Region zu finden ist.
Das weiß lackierte Brett aus Massivholz, das sich einmal in einen Tisch verwandeln soll, liegt bereits auf dem Hubtisch. Nachdem Antonia Stützle die im Computer eingegebenen Daten noch ein letztes Mal überprüft hat, schiebt sie das Brett vom Hubtisch rüber auf den Rolltisch, der direkt vor der CNCMaschine steht. Seit heute befindet sich die junge Frau im dritten Lehrjahr und es ist deutlich, dass sie schon sehr genau weiß, was sie tut. Neben ihr steht ihr Chef und Meister Peter Krattenmacher und schaut ihr über die Schulter.
Der Arbeitsschritt an dieser Maschine klingt einfach: An dem zugeschnittenen Brett soll an den Schnittkanten zuerst eine Schicht Leim angebracht werden, um direkt danach eine Plastikleiste darauf anzubringen. Im Gegensatz zu früher wird diese Arbeit komplett maschinell verrichtet. Dennoch gibt es mehrere Handgriffe, die genau sitzen müssen. Zuerst führt die Auszubildende im hinteren Teil der Maschine die aufgerollte Leiste ein, dann positioniert sie die Tischplatte auf den beiden Rolltischen so, dass die frisch geschnittene Seite des Bretts gerade in der Maschine liegt.
Sie drückt den Startknopf und Brett, Leim und Leiste werden von der Maschine automatisch zusammengefügt. Sobald das Brett am hinteren Ende der Rollen ankommt, überprüft sie, ob die Leiste richtig sitzt. Und tatsächlich: an zwei Stellen hat sich die Leiste minimal verschoben, es sind Lücken erkennbar. „Das liegt daran, dass es sich um massives Hirnholz handelt, was sich bei dieser Tätigkeit anders verhält als etwa eine Spanplatte“, erläutert Schreinermeister Krattenmacher. Stützle entfernt die Leiste daher wieder per Hand – und passt auf dem Computerbildschirm die eingetippten Angaben an. Beim nächsten Versuch sitzt die Leiste perfekt.
Fast der gesamte Arbeitsablauf in der Möbelwerkstatt ist automatisiert. Für jede Aufgabe gibt es eine andere CNC-Maschine. Schwer heben, das Holz von Hand schleifen oder zersägen war einmal. Die Digitalisierung hat Einzug gehalten in diesem Berufsfeld und erleichtert die Arbeit enorm. Ein paar Schritte weiter steht Alt-Geselle Karl Wiest an einer anderen Maschine. Die Aufgabe hier: das Werkstück in seine Endform zu sägen. Kanten werden gerundet und ein Mittelstück ausgesägt. Alles, was Wiest dabei tun muss, ist die richtigen Daten in den Computer eingeben, das zu bearbeitende Stück in die Maschine einzulegen und nach dem automatischen Zusägen die Qualität zu überprüfen. Vor 20 Jahren, sagt er, habe er weitaus mehr mit seinen Händen gearbeitet. Doch er ist zufrieden mit seiner jetzigen Arbeit und freut sich über den Fortschritt.
Einen Raum weiter arbeitet Simon Fischer an seinem Meisterstück. Der junge Mann steht kurz vor seinem Abschluss. Da in seinem Betrieb die entsprechenden Maschinen nicht vorhanden sind, darf er hier an seiner Konstruktion arbeiten: einem Couchtisch aus Holz und seitlichen Türen, mit einigen Rundungen und raffinierten Details. Liebevoll fährt er mit der Hand über das glatte Holz, bevor er wieder zur Schleifmaschine greift. „Für mich ist das der ideale Beruf, ich erschaffe etwas, genau nach Kundenwunsch und kann meine eigenen Designideen noch mit einbringen“, sagt er.
Das mit dem eigenen Design ist natürlich nicht immer der Fall. Die Möbelwerkstatt in Ritzenweiler hat sich darauf spezialisiert, für Privatkunden Möbel nach Maß zu fertigen oder diese zu restaurieren. In diesem Feld können die Schreiner ihre Kreativität einbringen, genauso beim Bau von Messemobiliar oder Schulküchen. Bei der Fertigung dieser Möbel ist auch immer wieder Handarbeit nötig. Anders sieht es aus, wenn die Vorgaben fix sind und der Kunde genau weiß, was er will. Ein kluger Kopf ist jedoch immer gefragt, denn es braucht nicht nur die Liebe zum Holz, um in diesem Beruf gute Arbeit zu leisten. „Man muss ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen haben, um die technischen Zeichnungen der Möbel zu lesen und zu
verstehen“, erläutert Schreinermeister Peter Krattenmacher. Im Gegensatz zu früher werden diese Zeichnungen inzwischen alle am Computer erstellt. Und stehen die Lehrlinge und Gesellen dann an den Maschinen, müssen sie die Zeichnungen und Zahlen nicht nur verstehen, sondern in manchen Fällen eben auch anpassen. Denn nicht jedes Stück Holz ist gleich. Für Antonia Stützle war nach dem Abitur schnell klar, dass sie keinen Bürojob haben wollte. Da ihr der Werkstoff Holz mehr als Metall zusagte, entschied sie sich für eine Ausbildung zur Schreinerin und bereut es bis heute nicht. Die Arbeit mit den Händen, am Ende des Tages zu sehen, was sie erschaffen hat, gefällt ihr. Aktuell arbeitet sie auf einer Baustelle mit, bei der eine Schulküche vor Ort zusammengebaut wird. Die neue Auszubildende, die nach ihren ersten Wochen an der
Berufsschule bald zum Team dazustoßen wird, kennt sie schon, denn die junge Frau hat im Betrieb bereits ein Praktikum absolviert. „Ich höre auf meine Mitarbeiter und in diesem Fall kam das Signal vom Team, dass sie mit ihr zusammenarbeiten wollen. Also habe ich sie eingestellt“, erzählt Krattenmacher. Im Gegensatz zu vielen anderen Firmen ist er in der Ausnahmesituation, dass er über Bedarf ausgebildet hat und beide ausgelernten Gesellen bei ihm geblieben sind. „Ich kann daher mehr Aufträge annehmen als bisher. Ich bin mehr als zufrieden.“