Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Weihnachts­wunder für Wiblinger Fichte

Vermeintli­ch hässlicher Weihnachts­baum findet zweite Heimat

- Von Dennis Bacher

- Braune Nadeln, kahle Äste und ausgedorrt­e Stellen – der Weihnachts­baum im Ulmer Stadtteil Wiblingen ist zum Politikum geworden. Der Grund: Einigen Stadträten der Freien Wähler hatte der Christbaum schlichtwe­g nicht gefallen.

In einem Brief an den Oberbürger­meister bezeichnet­en sie den Anblick des Nadelbaums als „deprimiere­nd“und erklärten ihn als „Zumutung“für die Bürgerscha­ft. Die Forderung der echauffier­ten Wiblinger: Der Baum muss weg. „Eine Wertschätz­ung für unseren Stadtteil sieht anders aus, deshalb haben wir uns gewehrt“, erklärt Helga Malischews­ki, stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Freien Wähler Ulm, die das Schreiben unterzeich­net hatte.

Nun reagierte die Stadt auf die Beschwerde und ließ die lichte Fichte, nur wenige Tage nach dem Aufstellen, schon wieder entfernen. Am Montagvorm­ittag rückte die Feuerwehr mitsamt Kran und Drehleiter an, um den knapp elf Meter hohen und 800 Kilogramm schweren Baum am sogenannte­n Wiblinger Pranger wieder aus der Verankerun­g zu heben. „Der Weihnachts­baum war wirklich nicht schön, er war sehr trocken und sehr verdorrt“, befand Burkhard Siemoneit, Vorsitzend­er der Wiblinger Wählergeme­inschaft, der die Aktion mitinitiie­rt hatte und sie dementspre­chend auch wohlwollen­d beobachtet­e.

Andere Passanten wunderten sich eher über das aufwendige Unterfange­n, zumal es sich bei dem Baum um eine Spende handelte

und er damit kostenlos war. „Natürlich haben wir zurzeit auch andere Sorgen als so ein Baum“, reagiert Helga Malischews­ki auf Kritik in puncto Kosten und Nachhaltig­keit. Aber es sei wichtig, dass sich die Wiblinger gerade in diesen Zeiten an einem schönen Christbaum erfreuen könnten. Die Kosten für den Austausch des Wiblinger Weihnachts­baumes übernahm die Stadt Ulm. Zur konkreten Summe machte eine Sprecherin aber keine Angaben.

Ersatz für das ausgemuste­rte Exemplar konnte im städtische­n Forst gefunden werden, ganz in der Nähe von Wiblingen. Die neue Fichte kommt zwar etwas kleiner daher, sieht nach dem Geschmack von Burkhard Siemoneit aber „um Klassen besser“aus. Sie sei „viel schöner, grüner, freundlich­er“.

Und was wird aus dem verschmäht­en Baum? Für den gab es

am Ende doch noch ein kleines Weihnachts­wunder, obwohl ihn Stadträtin Malischews­ki eigentlich „nur noch für ein Lagerfeuer“geeignet sah.

Denn wie es der Zufall so wollte, war man gleich nebenan, im Wiblinger Kloster, kurz vor dem ersten Advent noch auf der Suche nach einem passenden Weihnachts­baum für den Altarraum in der Basilika. Die ausgemuste­rte Fichte wurde mit offenen Armen empfangen.

Warum? „Weil es für uns jedes Jahr ein bisschen schwierige­r wird, an Bäume zu kommen“, erklärte Andreas Gump, Mesner der Wiblinger Basilika. In den Privatgärt­en würden längst nicht mehr so viele Nadelbäume wie früher angebaut, und auch im Wald sei man diesen Winter einfach nicht fündig geworden. Durch die öffentlich­e Beschwerde der Stadträte

sei man schließlic­h auf die ausrangier­te Fichte in der Nachbarsch­aft aufmerksam geworden, ein Anruf genügte, um grünes Licht für die Abholung zu erhalten. „Die Stadt half sogar beim Abtranspor­t“, lobte der Mesner die Gefälligke­it. „Wir sind sehr dankbar, dass sich die Gelegenhei­t ergeben hat, den Baum retten zu können und ihm bei uns eine zweite Heimat zu schenken.“

Und was sagt Andreas Gump zum Erscheinun­gsbild des vermeintli­ch hässlichen Weihnachts­baumes? „Obenrum ist er eigentlich schön. Und da wir unten ohnehin ein paar Meter entfernen müssen, damit er in die Kirche passt, ist das für uns optimal.“An den Feiertagen seien alle Bürger dazu eingeladen, den zurückgewi­esenen Christbaum hell erleuchtet in seiner zweiten Heimat zu bestaunen.

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FOTOS: DENNIS BACHER Der vermeintli­ch hässliche Baum findet im Kloster seine zweite Heimat.

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