Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Weihnachtswunder für Wiblinger Fichte
Vermeintlich hässlicher Weihnachtsbaum findet zweite Heimat
- Braune Nadeln, kahle Äste und ausgedorrte Stellen – der Weihnachtsbaum im Ulmer Stadtteil Wiblingen ist zum Politikum geworden. Der Grund: Einigen Stadträten der Freien Wähler hatte der Christbaum schlichtweg nicht gefallen.
In einem Brief an den Oberbürgermeister bezeichneten sie den Anblick des Nadelbaums als „deprimierend“und erklärten ihn als „Zumutung“für die Bürgerschaft. Die Forderung der echauffierten Wiblinger: Der Baum muss weg. „Eine Wertschätzung für unseren Stadtteil sieht anders aus, deshalb haben wir uns gewehrt“, erklärt Helga Malischewski, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler Ulm, die das Schreiben unterzeichnet hatte.
Nun reagierte die Stadt auf die Beschwerde und ließ die lichte Fichte, nur wenige Tage nach dem Aufstellen, schon wieder entfernen. Am Montagvormittag rückte die Feuerwehr mitsamt Kran und Drehleiter an, um den knapp elf Meter hohen und 800 Kilogramm schweren Baum am sogenannten Wiblinger Pranger wieder aus der Verankerung zu heben. „Der Weihnachtsbaum war wirklich nicht schön, er war sehr trocken und sehr verdorrt“, befand Burkhard Siemoneit, Vorsitzender der Wiblinger Wählergemeinschaft, der die Aktion mitinitiiert hatte und sie dementsprechend auch wohlwollend beobachtete.
Andere Passanten wunderten sich eher über das aufwendige Unterfangen, zumal es sich bei dem Baum um eine Spende handelte
und er damit kostenlos war. „Natürlich haben wir zurzeit auch andere Sorgen als so ein Baum“, reagiert Helga Malischewski auf Kritik in puncto Kosten und Nachhaltigkeit. Aber es sei wichtig, dass sich die Wiblinger gerade in diesen Zeiten an einem schönen Christbaum erfreuen könnten. Die Kosten für den Austausch des Wiblinger Weihnachtsbaumes übernahm die Stadt Ulm. Zur konkreten Summe machte eine Sprecherin aber keine Angaben.
Ersatz für das ausgemusterte Exemplar konnte im städtischen Forst gefunden werden, ganz in der Nähe von Wiblingen. Die neue Fichte kommt zwar etwas kleiner daher, sieht nach dem Geschmack von Burkhard Siemoneit aber „um Klassen besser“aus. Sie sei „viel schöner, grüner, freundlicher“.
Und was wird aus dem verschmähten Baum? Für den gab es
am Ende doch noch ein kleines Weihnachtswunder, obwohl ihn Stadträtin Malischewski eigentlich „nur noch für ein Lagerfeuer“geeignet sah.
Denn wie es der Zufall so wollte, war man gleich nebenan, im Wiblinger Kloster, kurz vor dem ersten Advent noch auf der Suche nach einem passenden Weihnachtsbaum für den Altarraum in der Basilika. Die ausgemusterte Fichte wurde mit offenen Armen empfangen.
Warum? „Weil es für uns jedes Jahr ein bisschen schwieriger wird, an Bäume zu kommen“, erklärte Andreas Gump, Mesner der Wiblinger Basilika. In den Privatgärten würden längst nicht mehr so viele Nadelbäume wie früher angebaut, und auch im Wald sei man diesen Winter einfach nicht fündig geworden. Durch die öffentliche Beschwerde der Stadträte
sei man schließlich auf die ausrangierte Fichte in der Nachbarschaft aufmerksam geworden, ein Anruf genügte, um grünes Licht für die Abholung zu erhalten. „Die Stadt half sogar beim Abtransport“, lobte der Mesner die Gefälligkeit. „Wir sind sehr dankbar, dass sich die Gelegenheit ergeben hat, den Baum retten zu können und ihm bei uns eine zweite Heimat zu schenken.“
Und was sagt Andreas Gump zum Erscheinungsbild des vermeintlich hässlichen Weihnachtsbaumes? „Obenrum ist er eigentlich schön. Und da wir unten ohnehin ein paar Meter entfernen müssen, damit er in die Kirche passt, ist das für uns optimal.“An den Feiertagen seien alle Bürger dazu eingeladen, den zurückgewiesenen Christbaum hell erleuchtet in seiner zweiten Heimat zu bestaunen.