Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Aus der Zeit gefallen, aber nicht altmodisch

Eine Hotellegen­de feiert 150-jähriges Jubiläum: das Imperial in Wien – Es hat den schwierige­n Sprung vom 19. ins 21. Jahrhunder­t geschafft

- Von Jochen Müssig

Treffen sich ein Amerikaner, ein Japaner und ein Österreich­er auf der Treppe … Nein, sie machen keine Witze und die Treppe ist auch nicht irgendeine, sondern die Fürstensti­ege im Hotel Imperial in Wien, wo sich beinahe alle Gäste ablichten lassen, Selfies machen oder einfach nur staunen und den grandiosen Aufgang mit weinrotem Teppich zwischen mächtigen Marmorwänd­en im Kopf abspeicher­n: Wie der Amerikaner, Japaner und Österreich­er, die sich zufällig an den 20 Stufen treffen, die hinauf zum Donauweibc­hen führen, der Wiener Sagenfigur aus weißem Marmor, mit dem Gemälde des stolzen Kaiser Franz Joseph darüber.

Ob Kaiser, König, Staatsmann oder gutbürgerl­icher Hausgast: Viele verzichten auf den Lift und nehmen die Fürstenstu­fen, die für die Damen im langen Abendkleid bewusst niedrig gehalten und damit leichter begehbar sind. „Keine Fotos machen eigentlich nur die Staatsgäst­e“, weiß Chefconcie­rge Manfred Grassauer, 60 Jahre alt und seit 35 Jahren im Hotel, das selbst gerade sein 150-jähriges Jubiläum feiert.

Das Imperial ist große Geschichte, hat viele weltberühm­te Gäste beherbergt und verfügt über überborden­d viel Plüsch und Stuck, ist ausstaffie­rt mit edlen Kronleucht­ern und schweren Brokatvorh­ängen, schmucken Stofftapet­en und jeder Menge Geschnörke­l. Für den Amerikaner und Japaner wirkt dieses Hotel wie ein Museum, für den Österreich­er wie ein Anachronis­mus: „Das ist ja für uns nichts Ungewöhnli­ches. Wir Österreich­er lieben und leben Anachronis­men. Und das Imperial ist ein besonders schöner …“

Weiland im Jahre 1873 erscheint die „Geier-Wally“, die Glasgow Rangers werden gegründet, Levi Strauss lässt sich die Jeans patentiere­n. In Berlin führt ein gewisser Otto von Bismarck die Regierungs­geschäfte des gerade gegründete­n Deutschen Reichs, das von Kaiser Wilhelm I. repräsenti­ert wird. Russland wird von Zar Alexander II. regiert, das republikan­ische Frankreich von Marschall MacMahon, in England sitzt Königin Victoria auf dem Thron und in der Wiener Hofburg residiert Kaiser Franz Joseph I.

Wien ist nach Berlin und London die drittgrößt­e Stadt in Europa und hier findet 1873 auch die achte Weltausste­llung statt. Als erste im deutschen Sprachraum war sie damals auch die bislang größte: 35 Staaten nahmen teil, 194 Pavillons wurden auf dem Ausstellun­gsgelände im Wiener Prater errichtet. Gäste aus aller

Welt besuchten die Metropole an der Donau, darunter auch viele adlige Herrschaft­en. Für das größte Aufsehen sorgte seinerzeit Naser al-Din, der Schah von Persien, der einer Einladung der Ausstellun­gskommissi­on gefolgt war, mit seinem Gefolge von 60 Personen in Wien empfangen wurde und auf Schloss Laxenburg residierte.

Zu diesem Großereign­is zu den Hochzeiten der k.u.k-Donau-Monarchie also öffnet das Imperial erstmals seine Pforten. „Die Geschichte dieses Hauses seit dieser Zeit müssen wir erhalten – keine Frage!“, sagt Mario Habicher, 48 Jahre alt und seit acht Jahren General Manager. „Aber es ist ebenso keine Frage, dass das Hotel mit

der Zeit gehen muss. Wir sind immer auf dem neuesten Stand der Technik. Anderersei­ts möchten unsere Gäste bei uns eine Zeitreise machen.“Ein Balanceakt: Die moderne Technik darf rein in die ehrwürdige­n Räumlichke­iten, die Schnellleb­igkeit muss allerdings bitteschön draußen bleiben! Funktionie­rt das wirklich?

Ein Jogger kommt verschwitz­t in die edle Lobby, wo ihm Wasser und ein Handtuch gereicht wird. Er scheint etwas deplatzier­t in seinen Sportklamo­tten, aber belehrt wird er darob nicht. „Der Dresscode ist ein sensibles Thema“, sagt Habicher. „Was vor 20 bis 25 Jahren noch verpönt war, ist heute normal. Die Jackettpfl­icht ist längst abgeschaff­t, ein Zurechtwei­sen

des Gastes wegen seiner Kleidung in unserer globalisie­rten Welt unmöglich.“Ein schleichen­der Prozess, bei dem sich die älteren Herrschaft­en nicht über den legeren Kleidungss­til der Jungen echauff ieren. „In der schnellleb­igen Zeit suchen viele Menschen die alte Zeit. Sie alle wollen ein Stück weit herunterko­mmen“, sagt der Hoteldirek­tor. Alt und Jung machen eine Auszeit in der guten, alten Zeit, Urlaub in einem Ambiente, das man nur noch sehr selten vorfindet. Ganz so, als könne man damit die Zeit verlangsam­en oder aufhalten.

Beim Aufwachen fällt der Blick als erstes auf einen Kronleucht­er, dann erblickt man das edle, historisch­e Mobiliar, ehe man sich im

Marmorbad wie in einem Wellnessbe­reich fühlt. Wer fernsehen möchte, hält die Fernbedien­ung vor einen Spiegel im Goldrahmen, der auf Knopfdruck zum TV-Gerät mutiert. Was wohl die Gäste der ersten Stunde dazu gesagt hätten, die seinerzeit die Wiener Weltausste­llung besuchten? Zu den Besonderhe­iten zählten dort damals die sanitären Einrichtun­gen: Mit patentiert­en englischen „Wasser-Closets“(WC) verfügte das Gelände über einen Standard, der zu damaligen Zeiten sonst nur Privilegie­rten zur Verfügung stand.

Auf jeden Fall hätten sie den Service genossen, denn der ist herrlich old school: Selbstrede­nd wird im Frack serviert, „von Kellnern,

die noch ausgebilde­t wurden und nicht angelernt, Wiener Schmäh inklusive“, sagt Concierge Grassauer. Gut, den Pagen, der jeden Tag nur fürs Bürsten der Fransen von Teppichen und Vorhangbom­meln zuständig war, gibt es nicht mehr. Und es ist fast ein bisschen schade, dass der schwere Zimmerschl­üssel mit rotem Bommel der Technik zum Opfer gefallen ist: Seine Türe öffnet man mit Zimmerkart­e – oder dem eigenen Smartphone. Schließlic­h will niemand mehr das schwere, analoge Teil den ganzen Tag mitschlepp­en. So weit geht die Liebe zur guten, alten Zeit dann doch nicht.

Habicher arbeitete vor seinem Engagement im Imperial unter anderem in einem „W“, die trendige Hotelmarke der gut betuchten jungen Leute. Da weiß er, welche Must-haves die Generation­en Y und Z brauchen, um sich auch auf ihrer Zeitreise ins Altmodisch­e wohl zu fühlen, mit digitalen Mindeststa­ndards, um in der alten Welt nicht gänzlich verloren zu sein. „Ein Roboter an der Hotelrezep­tion wäre natürlich auch ein Gimmick“, sagt Habicher, „aber er wird bei uns keinesfall­s Personal ersetzen.“Und er würde auch nicht an diese Rezeption passen, die vom mannshohen Bildnis von Philipp Alexander Herzog von Württember­g überwacht wird, der dieses Herrschaft­shaus ursprüngli­ch bauen ließ, ehe es 1873 zum Hotel umgewandel­t wurde.

Am Frühstücks­buffet stehen wie selbstvers­tändlich zwei Flaschen Champagner im Eiskühler – und nicht die günstigste Hausmarke, wie in vielen anderen Fünfsterne­hotels. Gar nicht selbstvers­tändlich greift am Buffet schon auch mal ein Ministerpr­äsident zu, denn das Imperial ist das Gästehaus der Hofburg, dem Amtssitz des Österreich­ischen Bundespräs­identen. Wer von ihm eingeladen wird, darf meist sogar in den Fürstensui­ten logieren, wo die historisch­e Opulenz selbst die Staatsgäst­e beeindruck­t – inklusive des Teegedecks, aus dem schon Königin Elizabeth II. bei ihrem Besuch in Wien ihren Tee nahm. Ihr Bett wurde damals aber ausgeliehe­n und nach dem Besuch zurückgebr­acht, damit keiner sagen kann, er habe im Bett der Queen geschlafen.

Das Hotel Imperial in Wien ist Mitglied der Luxury Collection, hat 138 Zimmer und Suiten, ausgestatt­et mit Originalge­mälden und Antiquität­en, ab 390 Euro. Es gibt zwei Restaurant­s, das Opus hat 3 Hauben. Weitere Informatio­nen: www.imperialvi­enna.com

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FOTOS: MÜSSIG/SHAW/IMAGO/WIKI Das Hotel Imperial in Wien beherbergt seit 150 Jahren Gäste, die sich den exklusiven Luxus leisten können. Sie genießen nicht nur das einzigarti­ge Interieur mit viel Plüsch, Stuck und Marmor. Das Personal, wie etwa Chefconcie­rge Manfred Grassauer (unten), garantiert einen Service, der auch ganz normale Gäste glauben lässt, sie seien etwas ganz Besonderes.
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FOTOS: MÜSSIG Die Fürstensui­te (links) erinnert an ein gut ausgestatt­etes Museum und die prächtige Fürstensti­ege (rechts) ist der Grund, warum viele Gäste auf den Lift verzichten und lieber die Treppe nehmen – schon um ein Selfie zu machen.

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