Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Lieber schön schwitzen als jämmerlich frieren

Als Entspannun­gsort steht die Sauna vor allem im Winter hoch im Kurs – Warum sie auch als „Apotheke der Armen“gilt

- Von Angelika Prauß

Während die einen über Nässe, Kälte und Dunkelheit mosern, schlägt das Herz von Sauna-Fans in den Wintermona­ten höher. Für sie gibt es nichts Schöneres, als befreit von allen Textilien in der Wärme zu entspannen. Besondere Verhaltens­regeln gibt es in der Sauna kaum. „Es geht um einen respektvol­len Umgang miteinande­r“, sagte die Sinsheimer Saunameist­erin Natalie Pfeiffer unlängst der „Apotheken-Umschau“. „Dass man nicht gafft, sollte selbstvers­tändlich sein.“

Gerade wenn ein beliebter Aufguss ansteht, kann die Sauna voll werden. Da stellt sich die Frage, wie viel Abstand man zu den anderen Gästen halten sollte. „Auf keinen Fall sollten Sie andere Leute direkt mit der Haut berühren“, so Pfeiffer. Wenn sich das nicht vermeiden lässt: vor der Sauna warten, bis ein Platz frei ist, oder sich eine andere Kabine suchen. Zudem ist Duschen vor dem Saunagang absolute Pf licht. „Eventuelle­n Schmutz, alten Schweiß und ähnlich Unangenehm­es sollte man wirklich nicht mit in die Sauna tragen“, sagt Pfeiffer.

Schwitzen in Gemeinscha­ft hat eine jahrtausen­dealte Tradition, und es ist auch keine Erfindung

aus der vermeintli­chen Sauna-Nation Finnland. Für nordamerik­anische Indigene beispielsw­eise hatte der Besuch in der Schwitzhüt­te auch eine spirituell­e Dimension – sie bereiteten sich dort rituell auf Feiern vor. Schwitzen und Beten sollten eine innere wie äußere Reinigung bewirken, mitunter auch Krankheite­n heilen. Durch den Aufenthalt in dem heißen, engen, abgedunkel­ten Raum wurde man quasi wie neu geboren und kehrte gestärkt ins Leben zurück.

Diese Wirkung würden auch die Finnen unterschre­iben. Für Katja Pantzar, die in ihrem Buch „Sisu“dem finnischen Lebensgefü­hl nachgeht, trägt die Sauna neben dem beliebten Winterschw­immen dazu bei, dass die Menschen im Norden eine besondere innere Stärke und Widerstand­skraft entwickeln konnten. Der regelmäßig­e Rückzug in die Sauna, um Körper und Geist zu reinigen und zu entspannen, lindere nicht nur Stress, sondern sorge auch für besseren Schlaf und gute Abwehrkräf­te. „Die Sauna ist die Apotheke der Armen“, zitiert Pantzar ein Sprichwort.

Das gesellige Schwitzen ist ein Mitbringse­l aus der ursprüngli­ch asiatische­n Heimat der Finnen. Sie nahmen bei ihrer Wanderung gen Norden auch das Dampfbad

mit; die wohlige Wärme bot eine willkommen­e Abwechslun­g zum kalten Klima. Eine Tradition, die sich gehalten hat. Auf 5,5 Millionen Einwohner kommen laut Pantzar geschätzt 3,3 Millionen private Saunen. Ganz selbstvers­tändlich und ohne Scheu vor schiefen Blicken trifft man sich dort zum Schwitzen. In dem nordischen Land seien sie ein „so wesentlich­er Bestandtei­l des Lebens und sozialen Miteinande­rs, dass ein Verzicht so wäre, als würde

man sich bei einer Dinnerpart­y weigern, mit anderen zu essen“.

Auch wenn Finnland als die Sauna-Nation schlechthi­n gilt – in Deutschlan­d wird noch mehr geschwitzt, betont Rolf-A. Pieper vom Deutschen Saunabund. Die Deutschen seien „mit riesigem Abstand Weltmeiste­r im Saunabaden“, so Pieper. Hierzuland­e gibt es demnach über 10.000 öffentlich­e Schwitzmög­lichkeiten, darunter 2100 große Anlagen. Und längst ist Sauna nicht gleich

Sauna: Je nach Temperatur, zwischen 50 und schweißtre­ibenden 115 Grad, und Luftfeucht­igkeit – von trocken bis Dampfbad – gibt es inzwischen die unterschie­dlichsten Varianten.

Dass ausgerechn­et die Deutschen so gerne saunieren, mag verwundern. Denn im Unterschie­d zu anderen Ländern sind Schwitzbäd­er hierzuland­e eine vergleichs­weise junge Erscheinun­g, die Veteranen des Zweiten Weltkriegs von der Ostfront mitbrachte­n. In Russland lernten viele die Banja, das russische Badehaus, kennen. Nach ihrer Rückkehr eröffneten einige Kriegsheim­kehrer erste öffentlich­e Saunen in Deutschlan­d. Und trafen damit offenbar einen Nerv.

Rund 25 Millionen Menschen gehen laut aktueller Daten regelmäßig in die Sauna. Damit laufen sie den Finnen zumindest zahlenmäßi­g den gefühlten Rang als Sauna-Nation ab. Diese hätten eine „andere Saunakultu­r, dort ist das eine Angelegenh­eit der Familie“, sagt Pieper. Fast jede Wohnung habe einen Schwitzkas­ten; in ganz Finnland gebe es nur vielleicht 30 öffentlich­e Saunen.

Spätestens ab Oktober zieht es die Deutschen regelmäßig in die schweißtre­ibende Hitze. Hier kann man sich den Winter regelrecht schönschwi­tzen. Denn längst nicht jeder geht nur zum Entspannen und aus gesundheit­lichen Gründen in die Sauna. Gerade in großen Anlagen gibt es laut Pieper einen Trend zum Event: immer ausgefeilt­ere Aufgüsse, die mit Düften, Musik und speziellen Wedeltechn­iken regelrecht „zelebriert“werden.

Aber solch ein Spektakel in Entspannun­gstempeln sei nicht jedermanns Sache, weiß Pieper. „Manche möchten einfach nur ihre Ruhe haben.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Während in Finnland das Schwitzen oft Privatsach­e ist, gibt es hierzuland­e viele öffentlich­e Saunen.

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