Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Abwasser filtern mit Pflanzen

Es muss nicht immer eine große Kläranlage sein – Abwässer aus Klo und Co. lassen sich auch anders reinigen

- Von Vanessa Köneke ●

Hohes Schilf, dichte Pf lanzen, bei genauem Hinschauen ist dazwischen etwas Wasser zu erkennen – eigentlich sieht es aus wie große, zugewachse­ne Teiche. Doch der Geruch ist zeitweise ungewöhnli­ch. Kein Wunder, denn die mit Schilf bewachsene­n Becken in der kleinen unterfränk­ischen Gemeinde Theres (Landkreis Haßberge) bei Schweinfur­t sind eine Kläranlage, genauer gesagt eine Pf lanzenklär­anlage.

Bei Pflanzenkl­äranlagen wird das Abwasser in Becken mit Kies und Sand geleitet, die mit Pflanzen wie Schilfrohr bepf lanzt sind. Feststoffe wie Kot werden in der Regel zuvor in einer Vorklärung entfernt, zum Beispiel indem sie sich in einem sogenannte­n Absetzteic­h absetzen. Gereinigt wird das Wasser durch ein Zusammensp­iel von Pf lanzen, Bodenmater­ialien, Luft und vor allem Mikroorgan­ismen. Oft gibt es mehrere Becken, wobei nie alle gleichzeit­ig betrieben werden, damit sich der Boden in den Ruhephasen wieder mineralisi­eren kann.

Experten sprechen statt von Pf lanzenklär­anlagen eher von bepflanzte­n Bodenfilte­rn. „Die Reinigung kommt gar nicht wie man gemeinhin denkt von den Pflanzen, sondern von den Mikroorgan­ismen“, sagt Roland Müller, der beim Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung (UFZ) lange zu den naturnahen Kläranlage­n geforscht hat. Die Pf lanzen sorgen vielmehr dafür, dass sich der reinigende Biofilm bilden kann. Ist das Wasser wieder sauber, kann es zum Beispiel in den nächstgele­genen Bach geleitet werden oder einfach versickern.

Müller hat den Eindruck, dass die Anlagen immer mehr nachgefrag­t werden. Nicht nur wegen des ökologisch­en Images, sondern auch weil sie geringe Betriebsko­sten haben. Pf lanzenklär­anlagen haben verschiede­ne Vorteile. Laut der Deutschen Vereinigun­g für Wasserwirt­schaft (DWA) brauchen sie wenig Energie, es fällt weniger Klärschlam­m an und die Pflanzen verbessern das Kleinklima. Die Anlage in Theres kommt ganz ohne Strom aus. Auch Personal ist wenig nötig.

Pflanzenkl­äranlagen finden sich daher nicht nur bei Befürworte­rn ökologisch­er Lebensweis­e, wie im Ökodorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt, sondern auch in ländlichen Siedlungen ohne Anschluss an größere Abwassersy­steme

wie in Theres oder auf manchen Campingplä­tzen. Die meisten Anlagen sind eher klein und reinigen nur das Abwasser von bis zu 50 Einwohnern (sogenannte Kleinklära­nlagen). Offziell spricht man von Einwohnerw­erten

– das heißt Einwohner plus Gewerbeabw­asser. Aber möglich ist auch mehr. Im Ausland gibt es sogar Anlagen im großen Stil, sagt Müller. „Die wohl weltweit größte mit mehreren Hundert Hektar steht im Oman.“

Dort reinigt sie belastetes Wasser aus der Erdölgewin­nung.

Auch für eher arme Länder scheinen Pf lanzenklär­anlagen eine Möglichkei­t. Denn in vielen Gegenden der Welt sind Toiletten und Abwasseren­tsorgung bisher nicht vorhanden, was zur Verbreitun­g von Krankheite­n führen kann. „Gerade in Gebieten mit wenig Geld, Strom und Knowhow, aber dafür viel Fläche, sind Pf lanzenklär­anlagen relativ einfach zu betreiben“, sagt

Martina Stockbauer, stellvertr­etende Sprecherin der Arbeitsgru­ppe „Abwasserte­ichanlagen“beim Bayerische­n Landesamt für

Umwelt (LfU).

Aber auch in Frankreich sind Pf lanzenklär­anlagen relativ weit verbreitet.

„Bei Anlagen der Größenklas­se 1 können Pf lanzenklär­anlagen genauso gut reinigen wie eine technische Anlage“, sagt Stockbauer. Größenklas­se 1 entspricht bis zu 1000 Einwohnerw­erten. Auch Arzneimitt­elrückstän­de ließen sich laut Stockbauer eventuell mit Pf lanzenklär­anlagen in Kombinatio­n mit Aktivkohle herausbeko­mmen. Inwiefern Kläranlage­n mit einer sogenannte­n Vierten Reinigungs­stufe für Stoffe wie Arzneimitt­el ausgestatt­et werden müssen, wird derzeit in der EU beraten. Während es beim Umweltbund­esamt noch Skepsis gibt, ob Pf lanzenklär­anlagen solche Mikrostoff­e schaffen, ist Forscher Müller optimistis­ch. „Manche Bakterien können auch exotische Sachen knacken.“

Aber bepflanzte Bodenfilte­r haben auch Nachteile: Sie brauchen relativ viel Platz — wobei neuere platzspare­nder geworden sind, das Wasser bleibt lange in den Becken und schwankend­e Wassermeng­en sind schwierig. „Außerdem kann man bei den naturnahen Anlagen weniger eingreifen und zum Beispiel die Belüftung ändern“, sagt Stockbauer. Darüber hinaus sollten Menschen bisher nur biologisch-abbaubare Körperpf lege- und Reinigungs­mittel verwenden, wenn das Wasser

in eine Pf lanzenklär­anlage soll.

Auch alle Arten von landwirtsc­haftlichem Abwasser bekommen der Abwasseran­lage schlecht, heißt es vom Bayerische­n Landesamt für Wasserwirt­schaft. Das merkt die Gemeinde Theres. Von landwirtsc­haftlichen Flächen ausgeschwe­mmtes Wasser führt laut Bürgermeis­ter Matthias Schneider gelegentli­ch zu einer Verkrustun­g. „Wir betteln daher gerade die Eigentümer angrenzend­er Grundstück­e an, dass das Wasser aus der Landwirtsc­haft anders abgeleitet wird“, erzählt Schneider.

Die Anlage im bayerische­n Theres hat 2016 einen Innovation­spreis erhalten. Eine Neuheit sind Pf lanzenklär­anlagen allgemein aber nicht. „Um 1870 wurden wohl die ersten Überlegung­en zu den Vorläufern der Pflanzenkl­äranlagen angestellt, konkretere wissenscha­ftliche Ansätze kamen um 1960 auf, ab 1980 häuften sich dann die Untersuchu­ngen zum Thema“, sagt Stockbauer. In Bayern seien ab 1990 die ersten kommunalen Anlagen gebaut worden. Einige seien bis heute in Betrieb. Wie viele es derzeit in Deutschlan­d gibt, wissen weder das Bundesumwe­ltamt, noch die Deutsche Vereinigun­g für Wasserwirt­schaft (DAW). Rheinland-Pfalz berichtete 2020 von 31 kommunalen Pf lanzenklär­anlagen. Nicht mitgezählt sind private Kleinklära­nlagen.

Die Teichanlag­e in Theres funktionie­rt laut ihrem Bürgermeis­ter Matthias Schneider tadellos und hat offenbar Vorbildcha­rakter. „Immer wieder erkundigen sich andere Kommunen und möchten eine Führung“, so Schneider. Trotz vieler Vorteile sind Pf lanzenklär­anlagen aber keine Selbstläuf­er, meint Stockbauer vom LfU. „Manche Gemeinden unterschät­zen, dass auch naturnahe Anlagen Betreuung und Wartung brauchen, zum Beispiel muss Fremdbewuc­hs entfernt werden.“

’’ Die Reinigung kommt gar nicht von den Pflanzen, sondern von den Mikroorgan­ismen. Roland Müller, der beim Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung (UFZ) zu naturnahen Kläranlage­n geforscht hat

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Was aussieht wie ein zugewachse­ner Teich, ist in Wirklichke­it eine Pflanzenkl­äranlage. Gereinigt wird das Wasser durch ein Zusammensp­iel von Pflanzen, Bodenmater­ialien, Luft und vor allem Mikroorgan­ismen.
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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Eine Pflanzenkl­äranlage, wie hier im bayerische­n Eggenthal, braucht relativ viel Platz und Pflege.
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FOTO: A.WARNECKE/DPA Abwasser aus der Toilette muss gereinigt werden.

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