Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bauern machen Ärger mit Demo Luft
Landwirte wollen trotz Zugeständnissen an Protesten festhalten – Aktion in Laupheim
- Der Frust bei den Landwirten sitzt tief: Am heutigen Montag wollen sie gegen Sparpläne der Bundesregierung mobilisieren. In ganz Deutschland sind großangelegte Protestaktionen geplant. Auch im Kreis Biberach werden Bauern ihrem Ärger mit einem Traktoren-Protestzug Luft machen. Weitere Kundgebungen und Demonstrationen sollen in den Tagen darauf folgen. Der Deutsche Bauernverband hat eine ganze „Aktionswoche“angekündigt, die am 15. Januar in einer Großdemonstration in Berlin gipfeln soll. Trotz der Ankündigung der Bundesregierung, dass es doch keine Kfz-Steuer für gewisse Landmaschinen geben wird und die Abschaffung der Rückerstattung für Agrardiesel erst stufenweise bis 2026 erfolgen soll, wollen die Bauern weiter an ihrer Protestaktion festhalten.
„Die Pläne der Regierung haben das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt Martina Magg-Riedesser, erste stellvertretende Vorsitzende des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Die Landwirtin aus Achstetten rechnet damit, dass es in der „Aktionswoche“vielerorts spontan zu Protestaktionen kommen wird. „Ich denke, jeder Landwirt wird mit seinem Traktor auf der Straße sein.“
Im Kreis Biberach hat der Kreisbauernverband BiberachSigmaringen für Montag eine Protestfahrt mit Traktoren über die B 30 geplant. Der Konvoi soll um 9 Uhr am Jordanbad in Biberach starten und wird voraussichtlich gegen 11 Uhr auf dem Laupheimer Festplatz eintreffen, berichtet Magg-Riedesser, die die Veranstaltungsleitung übernimmt. Die kurzfristige Anmeldung des Traktoren-Protestzugs sei nicht einfach gewesen. Gemeinsam mit dem Landratsamt des Kreises Biberach wurde kurzfristig noch eine Verfügung für die Veranstaltung erarbeitet. Beim Landratsamt wird mit rund 250 an der Demonstration teilnehmenden Traktoren gerechnet, teilt eine Sprecherin mit.
Die Landwirte dürften nach ihrer Fahrt auf dem Festplatz in Laupheim Halt machen und ihrem Anliegen mit Plakaten Nachdruck verleihen, erläutert Rainer Ganser vom Amt für Öffentliche Ordnung auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Eine größere Kundgebung wie ursprünglich geplant soll es jedoch nicht geben. „Wir stehen mit den Städten Laupheim und Biberach sowie dem Kreis in Verbindung und
werden uns mit diesem Status quo arrangieren“, sagt Magg-Riedesser. Als Veranstaltungsleiterin stehe sie bei Fragen jederzeit vor Ort Rede und Antwort.
Auslöser für die bundesweiten Proteste ist das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Um fehlendes Geld einzusparen, hatte die Ampel-Regierung geplant, Rückerstattungen für sogenannten Agrardiesel und die Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kfz-Steuer zu streichen. Rund eine Milliarde Euro wollte die Regierung damit einsparen. Am Donnerstag teilte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) allerdings mit, dass die geplante Abschaffung der Vergünstigungen für Agrardiesel nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise bis im Jahr 2026 vollzogen werden soll. Außerdem soll die Kfz-Steuerbefreiung, in Form des grünen Nummernschilds für Landmaschinen, nun doch beibehalten werden.
Martina Magg-Riedesser und Karl Endriß, Vorsitzender des Kreisbauernverbands BiberachSigmaringen, sind sich einig, dass die Landwirte zu Unrecht zur Kasse gebeten werden, um Steuerlöcher zu stopfen. Sie kritisieren diese Pläne und verteidigen die Steuerbegünstigungen als gerechtfertigt. Die Steuern seien eingeführt worden, um den Straßenbau zu finanzieren, allerdings seien Landwirte „zu 99 Prozent“abseits von Asphalt unterwegs. „Landwirtschaft findet fast ausschließlich auf dem Feld statt“, betont Karl Endriß. Schlepper, die gewerblich unterwegs seien, zum Beispiel für den Transport von Biogas oder Ähnlichem, würden schon jetzt „normal“besteuert – eine Befreiung für Landwirte sei daher „nur fair“.
Landwirtin Martina Magg-Riedesser nennt die Rückerstattung für Agrardiesel „nur einen Tropfen
auf den heißen Stein“. Aktuell wird Diesel mit 47 Cent pro Liter besteuert, durch einen Antrag können die Landwirte davon 21 Cent wieder zurückbekommen. „Das ist nicht mal so viel wie der Mehrwertsteueranteil“, sagt sie. Zwar hätten die Bauern im vergangenen Jahr durch gestiegene Milch- und Schweinefleischpreise eine kurze Verschnaufpause erlebt, allerdings seien die meisten Betriebe weit von einer guten wirtschaftlichen Situation entfernt. Besonders prekär sei die Lage der Landwirte in Baden-Württemberg. „Wir sind mit unseren Betriebsergebnissen im Bundesvergleich Schlusslicht“, sagt Magg-Riedesser. Im Durchschnitt betrug das Unternehmensergebnis laut einer Erhebung des Landesbauernverbands Baden-Württemberg knapp 50.000 Euro je Familienarbeitskraft (2021/22: 41.302 Euro). „Dafür müssen wir 24/7 auf Bereitschaft sein.“
Die Bäuerin kritisiert die Pläne der Regierung zudem als undurchsichtig. Keiner habe etwa gewusst, wie sich die Einführung der Kfz-Steuer auf Landmaschinen neben der zusätzlichen finanziellen Belastung für die Landwirte ausgewirkt hätte. „Die Nachwuchslandwirte dürfen ab 16 Jahren den T-Führerschein machen“, schildert sie. Viele hätte die Sorge umgetrieben, dass das Ende des grünen Nummernschilds auch das Aus für diese Führerscheinklasse bedeutet hätte. „Die Pläne sind völlig unausgereift und werden nicht von Praktikern gemacht“, kritisiert die Landwirtin.
Trotz des Einlenkens der Bundesregierung wollen die Bauern nicht nachgeben. „Wir Landwirte wollen zeigen, dass wir nicht alles mit uns machen lassen“, betont Magg-Riedesser. Die Bauern würden knapp ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, müssten
aber für acht Prozent der Einsparungen im Haushalt (eine von 17 Milliarden Euro) aufkommen. „Wir werden uns dieses Mal auf keinen Kuhhandel einlassen“, betont sie. Durch die Regierungspläne sei ein Stein ins Rollen gekommen. Bei den Landwirten entlade sich ein Frust, der sich lange angestaut habe. „Wir haben inzwischen das Gefühl, dass wir Bauern gar nicht mehr erwünscht sind.“
Flächenstilllegungen, strengere Tierschutz- und Stallverordnungen und weitere gesetzliche Reformen hätten die Landwirte in den vergangenen Jahren geschluckt. Für viele der Bauern sei das Maß jetzt voll. „Wir Landwirte sind für Arten- und Klimaschutz, aber wir müssen auch von unserer Arbeit leben können“, sagt Magg-Riedesser. Durch die jüngsten Pläne würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft nicht nur gegenüber Nicht-EU-Ländern gefährdet, sondern auch auf dem EUBinnenmarkt erneut geschwächt. „Wenn wir die junge Generation jetzt nicht mitnehmen, dann wird die Jugend sagen: Nein, Danke!“, befürchtet die Achstetter Landwirtin. Dies würde die Ernährungssicherheit im Lande verschlechtern und zu einer Abhängigkeit von Lebensmittelimporten aus dem Ausland führen, wo deutlich niedrigere Tier- und Umweltstandards herrschten als in Deutschland.
Magg-Riedesser lobt den Schulterschluss zwischen Bauernverbänden und „Land schafft Verbindung“, einer deutschlandweiten Gruppierung von Landwirten, die sich infolge des 2019 verabschiedeten Agrarpakets unter Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) gebildet hatte. „Nur gemeinsam können wir den Protest auf die Straße zu bringen und unser Ziel erreichen, die Höfe zu erhalten.“