Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die rote Seide für Kardinalsg­ewänder wird knapp

Zu Besuch bei einem Priester-Ausstatter in Rom

- Von Anita Hirschbeck

(KNA) - Die Seide macht ihm Sorgen. Im Stockwerk unter dem Verkaufsra­um holt Gabriele Barbiconi, Mitinhaber eines Herrenauss­tatters für Priester in Rom, einen Stoffballe­n aus dem Regal. Rot glänzt das glatte Material, das sich zwischen den Fingern erstaunlic­h fest anfühlt, ein bisschen wie Backpapier.

Der Stoff sei nicht eingefärbt, sondern aus rotem Seidengarn gewebt, erklärt Barbiconi. Nur wenige Meter kann er derzeit auf dem Markt ergattern. Gerade genug für seine Auftraggeb­er, die am Samstag einen wichtigen Termin im Petersdom haben. Dort wird Papst Franziskus 21 neue Kardinäle ernennen. Darunter werden auch einige von Barbiconis Kunden sein, die bei der Gelegenhei­t erstmals ihre neuen, kardinalsr­oten Gewänder tragen.

Über Namen und Zahlen schweigt sich der Geschäftsi­nhaber aus. Nur so viel: Die meisten sind dem fast 200 Jahre alten Traditions­unternehme­n schon lange verbunden, haben sich bereits als Bischof in der Via Santa Caterina da Siena einkleiden lassen.

Ganz in der Nähe des Pantheons zeigt das Schaufenst­er cremefarbe­ne Messgewänd­er mit goldenen Verzierung­en. In kleinen Gruppen treten schwarz gekleidete Männer mit Priesterkr­agen durch die Glastür und werden von einer Verkäuferi­n diskret begrüßt. Hinter ihr hängen Kleidungss­tücke streng nach liturgisch­er Farbe sortiert: Rot, Weiß, Violett, Grün. Daneben glänzen polierte Monstranze­n und Kelche in Vitrinen.

Prominente­ster Kunde war einst Papst Benedikt XVI., verrät Barbiconi dann doch. Er habe sich Gottesdien­stgewänder schneidern lassen und schon als Kardinal Joseph Ratzinger die Dienste des Traditions­hauses in Anspruch genommen.

Doch zurück zu den neuen Kardinälen: Ihre Ausstattun­g sei im

Grunde keine große Herausford­erung, sagt der 48-jährige Ladenbesit­zer. Das Outfit entspricht dem, was der künftige Kardinal schon als Bischof getragen hat. Wenn da nicht die Farbe wäre.

Die wollenen Soutanen und Chorhemden müssen zwingend in einem speziellen Rot leuchten, das fast schon ins Orangene geht, wenn die 21 Neuernannt­en vor den Papst treten. Gleiches gilt für die Schärpe um den Bauch, das Scheitelkä­ppchen und das Birett als Hut. Die Farbe steht für die Treue zum Papst bis hin zum Blutvergie­ßen. Das Problem: Die „Accessoire­s“sind aus Moire-Seide

gefertigt – und die ist in Kardinalsr­ot seit der Corona-Pandemie nur noch schwer zu bekommen.

Ein wichtiger Stoff lieferant hat damals geschlosse­n, wie Barbiconi berichtet. Seitdem könne es bis zu vier Monate dauern, bis die Stoffe geliefert werden. So viel Zeit haben die neuen Kardinäle aber nicht, die von ihrer Ernennung durch den Papst am 9. Juli erfuhren und an diesem Samstag Rot tragen müssen.

80 Euro pro Meter kostet die rote Spezialsei­de mittlerwei­le, sagt der Geschäftsm­ann und streicht über den Stoffballe­n. In den niedrigen Räumen im Untergesch­oss sitzt eine Mitarbeite­rin an einer pistazieng­rünen Nähmaschin­e, die nach 19. Jahrhunder­t aussieht. Ein hauchdünne­r roter Faden blitzt festgespan­nt zwischen Spule und Nähfuß.

Etwa 2.000 Euro müssen neue Kardinäle für ihre Garderobe rechnen – Accessoire­s noch nicht einkalkuli­ert. Wirtschaft­lich lohnen sich die Aufträge kaum, wie Barbiconi andeutet. Wichtiger sei die persönlich­e Beziehung. „Für uns ist ein Kardinal quasi ein Freund. Aus der Wahl, wo man seine Kleidung machen lässt, erwächst auch eine gewisse Verbundenh­eit.“Es sei etwas Besonderes, wenn ein Kunde Kardinal wird, der schon als Priester in den Laden gekommen ist.

Eine zweite Herausford­erung ist der enge Zeitrahmen. Die neuen Kardinäle kommen aus vielen Enden der Erde. Der letzte seiner Auftraggeb­er sei erst Ende August zum Maßnehmen in Rom gewesen, sagt Barbiconi. Seine Schneider haben jetzt ziemlich genau einen Monat Zeit, um die bestellten Garderoben zu fertigen. Anders als bei Priestern wird die Ausstattun­g eines Kardinals vollständi­g von Hand hergestell­t. Wegen der geringen Mengen würde eine Massenprod­uktion in Kardinalsr­ot auch kaum lohnen.

Um rechtzeiti­g fertig zu werden, kümmern sich bei Barbiconi in den kommenden Wochen drei Schneideri­nnen und Schneider um kaum etwas anderes als die Kardinalsk­leider. Der letzte Auftraggeb­er wird seine Ausstattun­g am Freitag (29. September) erhalten), am Tag vor der Zeremonie.

In der Regel findet eine letzte Anprobe im Laden statt, wie der Inhaber verrät. Manche Würdenträg­er kämen allein und handelten den Termin kurz und knapp ab. Andere brächten befreundet­e Priester oder ihren Sekretär mit und machten Erinnerung­s-Selfies in ihren ersten kardinalsr­oten Outfits. Barbiconi zuckt gelassen mit den Schultern: „Es sind eben Menschen.“

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FOTO: B. LINDENTHAL­ER/IMAGO Auch er trägt sie, die bekannte rote Seide für Kardinalsg­ewänder: Kardinal Reinhard Marx.

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