Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Ich bin wieder wohlhabend“
Pop- und Schlagersänger Matthias Reim (66) empfängt die „Schwäbische Zeitung“in seinem Stockacher Tonstudio. Er spricht offen über seine Privatinsolvenz, neuen Reichtum, ein weiteres Kind, motzende Mütter, Hits und den Bodensee.
- Ein schmuckes Eigenheim in bester Hanglage. Schwarzer Mercedes in der Einfahrt, zwölf Motorräder in der offenen Garage. Alle mit gleichem Kennzeichen: STO-MR. Hier wohnt er also, Pop- und Schlagersänger Matthias Reim (66), dessen Ohrwurm „Verdammt, ich lieb dich“weltweit 2,5 Millionen Mal verkauft wurde.
„Kommt rein“, sagt Reim zu den Reportern der „Schwäbischen Zeitung“– und klärt schnell auf. Das schmucke Haus sei „nur“sein Tonstudio: HeleneFischer-Suite, zwei Schlafzimmer, Edelküche, Partykeller, alles noch zu toppen. „Ich wohne mit Christin und der Kleinen ein paar Straßen weiter“, sagt Reim. Und kommt ins Schwärmen: Sein „echtes“Wohnhaus verfüge über 600 Quadratmeter Wohnfläche, 14 Zimmer, drei Schwimmbäder, Sauna, Whirlpool, Fitnessraum, 2500 Quadratmeter Garten und vieles mehr. „Das Haus war ein Schnapper“, sagt Reim, „der Wert hat sich jetzt schon verdreifacht.“
Das Gespräch dauert keine zwei Minuten und wir reiben uns verwundert die Augen. Ist das der gleiche Matthias Reim, der 2006 Privatinsolvenz anmelden musste? Der mehr als 13 Millionen Euro verloren hat? Der einst gesungen hat: „Ich hatte mal ein Haus, ich lebte echt in Saus und Braus, egal was soll‘s“?
„Was wollt ihr wissen?“, fragt Reim mit einem Lächeln, „ich erzähl euch alles.“Alles? Wow! Dann los. Podcast läuft, wir lassen Reim natürlich sprudeln. Sag mal, Matthias, wie ist das mit der Insolvenz damals gelaufen …
Reim: „Ein Steuerberater hatte mich angerufen. Er fragte, ob ich wüsste, was bei mir los ist. Da wurde mir komisch. Ich hatte meinem damaligen Geldverwalter und meinem heutigen Manager Dieter Weidenfeld gesagt: Da müssen wir hin! Bei dem Gespräch mit dem Steuerberater kam raus, dass ich 13 Millionen Privatschulden hatte. Es könnten auch 20 Millionen werden, wenn alle Immobilien bewertet sind.
Mein Geldverwalter hatte – im guten Glauben – in Ostimmobilien investiert, die nichts wert waren. Oft mit Darlehen auf meinen Namen. Er hatte sich einfach verrechnet. Ich habe ihn am gleichen Nachmittag fristlos gefeuert.
Mein Manager und mein Bruder Christoph, der übrigens Banker ist, haben dann Insolvenz angemeldet. Mit dem Ziel, mich arbeiten zu lassen und 500.000 bis 800.000 Euro in einer gewissen Zeit zurückzuzahlen. Parallel hatte mein Bruder einen Teil der Schulden übernommen. Mein Bruder hatte ein Haus auf Ibiza gemietet, in dem ich weiter Musik produzieren konnte.
Ich musste natürlich meinen Lebensstandard runterfahren. Ich habe gemerkt, dass mich das überhaupt nicht juckte. Ich fuhr einen alten Jeep für 2000 Euro. Mein Geld reichte für essen, trinken und mal ein Bierchen am Strand. Aber es ging Stück für Stück nach oben. 2010 war vieles von mir auf Platz eins. Die Konzerte wurden voller, die Vorschüsse rauschten nach oben. Ich konnte meinem Bruder das Geld innerhalb von drei Jahren zurückzahlen. Ich war frei.
Heute liegt wieder viel Geld auf meinen Girokonten. Schön transparent fürs Finanzamt. Das Finanzamt freut sich jedes Jahr über mindestens 500.000 Euro Steuern. Ich darf nicht dran denken, wie viel ich dafür singen muss. Aber ich bin wieder wohlhabend. Ein gutes Gefühl.“
Oha. Wer 500.000 Euro Steuern pro Jahr zahlt, muss tatsächlich gut verdienen. Wir sitzen am Esszimmertisch, rauchen Zigaretten, trinken Kaffee (den Reim immer wieder kocht) – und wollen die nächste „Ich erzähl‘ alles Chance“nutzen. Reim hat sieben Kinder, fünf stammen aus vier Ehen. 2022 wurde er mit 64 Jahren noch mal Vater einer Tochter. Reims Ehefrau und Schlagersängerin Christin Stark ist 32 Jahre jünger. Wie fühlt sich das an?
Reim: „Als unsere Tochter unterwegs war, dachte ich: O mein Gott. Das kann ich nicht! Jetzt bin ich 66. Die Kleine hat mich mit Haut und Haaren. Früher hatte ich Fotos von meinen Motorrädern und meinem Boot auf dem Handy, heute von der Kleinen. Sie ist sooo hübsch. Sobald sie aus dem Mittagsschlaf aufwacht, bin ich da. Wir fahren oft zum Bodensee. Ich schmelze dahin, wenn sie sagt: „Papi, komm jetzt!“
Ein Superstar, der bundesweit die großen Hallen füllt, verzaubert von einem Kleinkind. Reim zeigt vertrauensvoll sogar ein Foto, obwohl er die Tochter rigoros aus der Öffentlichkeit fernhält. Natürlich kommt die Anschlussfrage: Sind Geschwister geplant?
Reim lacht. Und verblüfft mit dieser Antwort: „Ich habe Christin neulich gesagt: Ich lass das jetzt mal durchschneiden. Meine Frau sollte sich nicht ständig mit Chemie und Pille
auseinandersetzen. Ich war schon am Telefon, als sie sagte: „Warte noch.“Ich schaute sie entgeistert an und meinte: „Das ist nicht dein Ernst?“Sie sagte: „Ich will es ja auch nicht, aber warte halt. Alles andere ist so endgültig. Wer weiß, was noch passiert?“Also warte ich noch.“
Kind Nummer 8 mit bald 70 Jahren? Das Gespräch wird immer überraschender. Bleiben wir beim Thema Familie. Vier Ex-Frauen, darunter die Schlagersängerin Michelle („Wer Liebe lebt“). Wie läuft das so?
Reim: „Ich kriege von allen Müttern ständig einen drüber. Ständig! Weil ich so was von inkonsequent bin. Meine 15-jährige Tochter ruft mich jeden Abend an. Auch wenn sie Eis essen will. Ich frage dann: Wie viel brauchst Du? Wenn sie sagt, fünf Euro, schicke ich ihr zehn per Sofortüberweisung. Von Mama kriegt sie oft nichts. Die Mütter beschimpfen mich dann und sagen, die Kinder sollen sich das Geld verdienen. Ich antworte immer: ,Irgendwann bin ich nicht mehr da. Dann müssen sie alles selbst bezahlen.’ So lange es mir gut geht, lasse ich die Kinder auch nicht mit kaputten Karren fahren. Alle fahren vernünftige Autos.“
All das ist möglich, weil seine Musik wieder fette Gewinne einspielt. Reim zeigt auf ein Mischpult, Boxen und Monitore, drei Meter vom Esszimmertisch entfernt. Moderne Technik für mehrere Zehntausend Euro. Hier herrscht Ess- und Trinkverbot, damit bloss nichts kaputtgeht. Hier komponiert der 66-Jährige seine Hits mit einem Autorenteam, mischt Bassspuren, Synthesizer und Gitarren ab und singt Lieder ein. Hier entstand in den vergangenen eineinhalb Jahren auch sein neues Album „Zeppelin“, das am 26. April erscheint. Reim bekommt feuchte Augen, wenn er darüber spricht.
Reim: „Die Plattenfirma hat gesagt: Es ist mit Abstand das Beste, was du je abgeliefert hast. Ich saß oft bis 23 Uhr hier im Studio. Es war wie immer kurios: Ich kann im Sommer ganz schwer schreiben. Da denke ich an den Bodensee, mein Boot und die Motorrräder. Ich schreibe meist im Winter. Ich mache
Reim erzählt noch, wie viel ihm der Titel „Radio“bedeutet, den er für seinen 2023 verstorbenen Vater aufgenommen hat („Die Nummer ist so schön“). Dass er in diesem Jahr 45-mal auf der Bühne steht. Und er erzählt – quasi im vorauseilenden Gehorsam – an welchen Projekten er arbeitet.
Reim: „Irgendwann mache ich eine Konzerttour mit der ganzen Familie. Marie, Christin, Julian und ich. Als einmaliges Projekt. Und es fehlt noch das „Verdammt, ich lieb Dich“-Musical. Das muss ich realisieren, weil die Geschichte so schön ist: Der Träumer, der ständig auf die Fresse gefallen ist, wieder auf die Füße kommt und in der Liebe das Happy End findet. Das schreit nach einem Musical. Aber ich spiele nicht mit. Da muss ein junger Matthias hin.“
Apropos jung. Etwas genervt ist Reim, der inzwischen fast 60 Minuten spricht, nur beim Thema Krankheiten. Kreislaufkollaps, Herzmuskelentzündung, Grippe, Fieber: All das hatte ihn zeitweise schachmatt gesetzt.
Reim: „Wenn ich mal krank werde, gehen mir manche Medien tierisch auf die Nerven. Da wird aus einer Grippe mit Fieber gemacht: ,Burn-out – Große Angst um Matthias! Wie lange hält er das noch aus?’ Ich denke dann: What the fuck ...
Ich achte auf die Ernährung. Es kommt viel Brokkoli auf den Tisch. Ich mache regelmäßig meinen Check-up. Alle Vorsorgeuntersuchungen sind ohne Befund. Seit der Herzmuskelentzündung treibe ich viel Sport. Krafttraining, drei- bis viermal pro Woche. Drei Maschinen, Bankdrücken. 50 Kilo gehen mit links. Ich darf aber keine Muskelmasse zulegen. Mein Doc sagt: ,Das ist schlecht fürs Herz.’ Mein Herz ist wieder so klein, wie es mal war. Ich habe mich komplett geheilt.“
Fun Fact am Rand, den Reim launig erzählt: Sein Sohn Romeo habe die gleichen dünnen Beine wie der Vater. Reim sagt lachend: „Er kam mal zu mir und meinte: Weißt du eigentlich, was deine Gene für ein Mist sind?“Fun Fact auch: Reim verrät, dass er in der Garderobe vor vielen Konzerten auf dem I-Pad das Ballerspiel „Fieldrunners“praktiziert – und dass er trotz Verboten in den Hallen viele Zigaretten raucht. „Das hat Helmut Schmidt auch gemacht. In unserem Alter sieht man darüber hinweg.“
Das Gespräch neigt sich dem Ende zu – und wir reden noch über die Heimat. Reim hatte zuvor in Radofzell und in BodmanLudwigshafen gewohnt. Sein Lieblingsplatz?
Reim: „Zwischen Sipplingen und der Marienschlucht. Auf dem Bodensee, genau auf der Mitte. Dort habe ich meine Ruhe und muss keine Fotos machen. Liege auf meinem Designerboot Invictus, gehe schwimmen und trinke einen Cappuccino. Herrlich!“
Feierabend. Reim sagt, dass er noch mit einem Kumpel zum Baumarkt fährt. Christin sei mit der Tochter bei Oma, er wolle das Haus weiter aufhübschen. Ein Star, der anpackt. Auch eine der vielen Facetten, die Reim von anderen Künstlern unterscheidet.
Ein Video, auf dem Matthias Reim sein Lieblingslied „Radio“für seinen verstorbenen Vater singt, finden Sie unter:
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