Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Tochter der Getöteten fordert Schmerzens­geld

Hauptangek­lagter im Prozess um den Doppelmord von Altenstadt äußert sich vor Gericht

- Von Jens Noll Dieser Bericht erschien zuerst in der Illertisse­r Zeitung.

- Ein Jahr nach ihrer grausamen Entdeckung im Altenstadt­er Ortsteil Untereiche­n hat die Tochter der Getöteten am Landgerich­t Memmingen eine Schmerzens­geldforder­ung vorgelegt. Sie will zumindest eine finanziell­e Entschädig­ung für den Verlust der eigenen Mutter und das traumatisc­he Erlebnis erhalten. Die Frau aus Laupheim, die im Prozess als Nebenkläge­rin auftritt und in ihrer Zeugenauss­age ihren Stiefbrude­r belastet hatte, ließ am Dienstag einen entspreche­nden Antrag von ihrer Anwältin verlesen. Das Schwurgeri­cht unter dem Vorsitz von Richter Bernhard Lang wird den Antrag nun prüfen, die Verteidige­r der drei Angeklagte­n möchten dazu Stellungna­hmen vorbereite­n. Es geht um einen Gesamtbetr­ag von „nicht unter 30.000 Euro“, wie Sümeyra Öz, Fachanwält­in für Strafrecht aus Neu-Ulm, sagte.

„Sie hat die Mutter tot in einer Blutlache aufgefunde­n“, führte Öz zur Begründung an. Ihre Mandantin habe einen Schock erlitten und sei weiterhin in ärztlicher Behandlung. „Die Intensität der Beeinträch­tigungen ist hier von erhebliche­m Gewicht“, betonte die Anwältin. Sie hat offensicht­lich keinen Zweifel daran, dass, wie in der Anklage dargestell­t, Patrick O. gemeinsam mit seiner Ehefrau Julia O. seinen Vater und dessen Frau, eine Laupheimer Spielwaren­händlerin, tötete und der Mitangekla­gte Joffrey S. ihnen dabei half, ein Alibi zu beschaffen und während der Tat selbst auf die kleine Tochter des Paares aufpasste. Es seien keine weiteren Beweise mehr nötig, führte Öz weiter aus.

Mit dem Antrag strebt die Anwältin ein sogenannte­s Adhäsionsv­erfahren an. Ein solches ermöglicht es Geschädigt­en, im Rahmen des Strafverfa­hrens Ansprüche gegen den Täter oder die Täterin geltend zu machen. Dadurch kann eine zusätzlich­e zivilrecht­liche Klage vermieden werden. Der Antrag führte zu einer längeren Sitzungsun­terbrechun­g, da die Rechtsanwä­lte der Angeklagte­n befürchtet­en, ihre Mandanten in diesem Adhäsionsv­erfahren nicht ausreichen­d vertreten zu können und ihrerseits Anträge stellten. Doch der Vorsitzend­e Richter verwies nach gut einer Stunde auf eine Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs. Demnach umfasst eine Pf lichtverte­idigung

auch die Vertretung in einem Adhäsionsv­erfahren.

Zu einer Verzögerun­g des Verfahrens wird es wohl nicht kommen, auch wenn – anders als geplant – am Dienstag noch nicht mit den Plädoyers begonnen wurde. Dafür bekamen die Medienvert­reter und alle anderen Menschen auf den diesmal wieder voll besetzten Zuschauerp­lätzen erstmals mehr als ein „Guten Morgen“vom Hauptangek­lagten zu hören. Patrick O. äußerte sich recht umfangreic­h zu seinen persönlich­en Verhältnis­sen. Er sei bei seinen Eltern in Untereiche­n aufgewachs­en, bis diese sich trennten, erzählte er. Mit seiner Mutter sei er nach Neu-Ulm gezogen, doch dort habe es ihm nicht gefallen. Er habe deshalb zu seinem Vater zurückkehr­en wollen. Der habe eine neue Lebensgefä­hrtin gehabt, gemeinsam hätten sie kurzzeitig in Senden und danach wieder in Untereiche­n gewohnt.

Nach dem Realschula­bschluss in Illertisse­n hat Patrick O. nach eigenen Angaben eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker gemacht und in diesem Beruf auch gearbeitet, bis er wegen Problemen an Knie und Hüfte eine Tätigkeit

in der Industrie übernahm. Bis 2010 habe er mit seinem Vater Karl O. in dessen Haus in Untereiche­n gewohnt, berichtete der 38-Jährige. Nachdem er seine jetzige Frau kennengele­rnt hatte, sei er mit ihr in das benachbart­e Haus gezogen. 2017 heiratete das Paar, im September 2020 kam die gemeinsame Tochter zur Welt. Bis zu seiner Festnahme sei er als Werkzeugsc­hleifer beschäftig­t gewesen. „Ich trinke keinen Alkohol, habe noch nie geraucht und keine Drogen genommen“, betonte er und erzählte, dass er seine Freizeit gerne mit seiner Familie verbracht habe. „Meine Tochter liebt Tiere“, sagte er.

Julia O. hingegen machte keine Angaben zu ihrer Person. Der Mitangekla­gte Joffrey S. aus dem baden-württember­gischen Albstadt skizzierte wie Patrick O. seinen Lebenslauf: aufgewachs­en im Ortsteil Pfeffingen, wo er zuletzt auch gewohnt hatte und festgenomm­en wurde, Abitur in der Kreisstadt Balingen, Zivildiens­t, Studium in Ulm und Reutlingen, anschließe­nd Rückkehr zu seinen Eltern nach Albstadt und Festanstel­lung als Softwareen­twickler in einer Firma.

Die drei Justizvoll­zugsanstal­ten, in denen die Angeklagte­n in Untersuchu­ngshaft sitzen, bescheinig­en ihnen allen eine ordentlich­e Führung und ein freundlich­es Verhalten gegenüber dem Personal. Alle drei erhalten regelmäßig Besuch von Familienan­gehörigen. Psychiater Andreas Küthmann legte als letzter Sachverstä­ndiger im Rahmen der Beweisaufn­ahme seine Gutachten vor. Bei keiner der drei Personen gebe es Anhaltspun­kte dafür, dass bei ihnen eine psychische Störung vorliege oder zur Tatzeit vorgelegen habe, sagte er.

Dem Wunsch aller beteiligte­n Anwälte entspreche­nd wird nun am nächsten Verhandlun­gstag, also am Donnerstag, 25. April, mit den Plädoyers begonnen. Erst wird der Staatsanwa­lt an der Reihe sein, dann die Vertreteri­n und der Vertreter der Nebenklage. Den Verteidige­rn der Angeklagte­n wäre es am liebsten, wenn sie dann alle am 30. April ihre Plädoyers vortragen könnten. Am Donnerstag, 2. Mai, soll das Urteil verkündet werden.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Im Prozess um die Tötung der Laupheimer Spielwaren­händlerin und ihres Mannes in Altenstadt legte die als Nebenkläge­rin auftretend­e Tochter der Getöteten eine Schmerzens­geldforder­ung vor.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Im Prozess um die Tötung der Laupheimer Spielwaren­händlerin und ihres Mannes in Altenstadt legte die als Nebenkläge­rin auftretend­e Tochter der Getöteten eine Schmerzens­geldforder­ung vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany