Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Staatsanwa­ltschaft fordert lebenslang­e Haft

Der Prozess um den Doppelmord von Altenstadt neigt sich dem Ende zu

- Von Jens Noll Dieser Text erschien zuerst in der „Illertisse­r Zeitung“.

- Die Schlange vor dem Gerichtssa­al ist wieder deutlich länger geworden, nicht alle Interessie­rten bekommen einen Platz. Zum Finale des umfangreic­hen Prozesses am Landgerich­t Memmingen um den grausamen Tod eines Ehepaars in Altenstadt erhoffen sich zahlreiche Menschen eine Antwort auf die Frage, wer Karl O. und seine Frau Monika, eine Laupheimer Spielwaren­händlerin, wirklich umgebracht hat. In einem schriftlic­h vorgelegte­n Geständnis hat der Angeklagte Patrick O., der Sohn des Getöteten, wie berichtet die alleinige Schuld auf sich genommen. Doch der Staatsanwa­lt sowie die Vertreteri­n und der Vertreter der Nebenkläge­r haben sich davon nicht überzeugen lassen. Sie haben in ihren Plädoyers am Donnerstag­vormittag die Angaben von Patrick O. zum Tathergang regelrecht zerpf lückt.

Eine lebenslang­e Haftstrafe für den 38 Jahre alten Angeklagte­n und dessen 33 Jahre alte ebenfalls angeklagte Ehefrau fordern alle drei – weil sie es aufgrund von Äußerungen in Chatnachri­chten, den Spuren am Tatort sowie von Aussagen im Rahmen der Beweisaufn­ahme vor Gericht für erwiesen halten, dass das Paar den Mord aufwendig geplant und die Tat auch gemeinsam ausgeführt hat. Habgier und Heimtücke führen sie als Mordmerkma­le an. Außerdem stellte der Staatsanwa­lt im Hinblick auf die brutale Ausführung der Tat die besondere Schwere der Schuld fest. Das

heißt: Im Falle einer Verurteilu­ng sollte die Haftstrafe auch nach 15 Jahren noch vollstreck­t werden. Für den Mitangekla­gten Joffrey S. aus Albstadt in Baden-Württember­g fordern Staatsanwa­lt Roman Stoschek und die Nebenklage­Vertreter ebenfalls eine Haftstrafe. Der 33 Jahre alte Freund von Patrick und Julia O. sollte demnach für drei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis, weil er Beihilfe zum Mord geleistet haben soll.

Die Staatsanwa­ltschaft ging schon in ihrer Anklage davon aus, dass die Eheleute sich das Haus von Karl O. im Altenstadt­er Ortsteil Untereiche­n und sein Erbe unter den Nagel reißen wollten. Sie begingen demnach die Tat und täuschten einen erweiterte­n Suizid vor, um zu verhindern, dass der 70-Jährige die Schenkung seines Hauses an den Sohn rückgängig macht. Staatsanwa­lt Roman Stoschek grub für den

Mordprozes­s noch weiter in der Vergangenh­eit von Patrick und Karl O., die wegen der Immobilie sogar einen Rechtsstre­it hatten. Und diesen Prozess hatte der Sohn eindeutig verloren, wie Stoschek darlegte. Die Enttäuschu­ng sei so groß gewesen, dass der Gedanke der Tötung in Patrick und Julia O. aufgekeimt sei und sie dabei auch den Plan entwickelt hätten, weitere Erbinnen und Erben – ganz konkret Monika O. und deren Kinder – auszuschal­ten.

Aus Chatverläu­fen geht hervor, dass sich Patrick und Julia O. schon Monate vor der Tat sehr abfällig über den Vater äußerten. Außerdem verwendete Julia O. ihrer Mutter gegenüber beleidigen­de Worte über Monika O. Auch Patrick O. war schlecht auf seine Stiefmutte­r zu sprechen. Das jüngere Paar äußerte Todesfanta­sien – dafür lieferte der Staatsanwa­lt mehrere Beispiele. „Die Zeit wird

kommen, wo er nicht mehr lebt“, zitierte er unter anderem aus einer Handynachr­icht von Julia O. „Das wird schön. Ich hoffe, dass es schnell geht.“

Wegen der Zerwürfnis­se wollte Patrick O. nach eigenen Angaben seinem Vater eine Schusswaff­e unterjubel­n, damit die Polizei auf den Senior aufmerksam wird. Er sei deshalb nachts alleine ins Haus des Vaters eingedrung­en. Dann sei er allerdings von dem wach gewordenen Ehepaar überrascht worden und es sei zu einer Auseinande­rsetzung gekommen, in deren Folge er den 70-Jährigen und die 55-Jährige auch durch Stiche mit einem mitgeführt­en Messer getötet habe.

Diese Theorie sei aus mehreren Gründen „realitätsf­ern“, sagte Stoschek. Denn auch das Unterjubel­n einer Waffe hätte am Ausgang des Rechtsstre­its um die Immobilie nichts geändert. Außerdem

wäre es dem Staatsanwa­lt zufolge doch sehr viel leichter gewesen, die Waffe im Haus zu deponieren, wenn niemand da ist. Julia und Patrick O. wohnten mit ihrer kleinen Tochter im Haus nebenan. Warum sollten sie dann beide den großen Aufwand betreiben, ihren Freund Joffrey S. im 110 Kilometer entfernten Albstadt im Zollernalb­kreis zu besuchen, um von dort aus nachts nach Untereiche­n und wieder zurückzufa­hren? Dabei bleibe es nebulös, wo die Schusswaff­e eigentlich herkam, führte der Staatsanwa­lt weiter aus. Und er betonte, dass die massiven Verletzung­en, die die beiden Leichen aufwiesen, nur durch eine Gewalteinw­irkung durch Dritte erklärt werden könnten. Aus der Beweisaufn­ahme gehe hervor, dass Julia O. bei der Tat dabei gewesen sei, sagte Stoschek. Laut Jeoffrey S. hat sie nach der Tat auch die Kleidung gewechselt und sich gewaschen.

Die Tochter und der Sohn von Monika O. treten in dem umfangreic­hen Prozess als Nebenkläge­rin und Nebenkläge­r auf. Sümeyra Öz, die Anwältin der Tochter, sprach von einem „grotesken Niveau“bei der Darstellun­g des Tathergang­s von Patrick O.: „Wer tötet voller Adrenalin zwei Personen und kommt dann auf die Idee, es wie erweiterte­n Suizid aussehen zu lassen?“Auch sie ist fest davon überzeugt, dass alles von langer Hand geplant war.

„Monika O. ist geradezu hingericht­et worden“, sagte der Rechtsanwa­lt Heiko Weber, der den Sohn vertritt. Die Frau hatte einen Spielwaren­laden in Laupheim und war wohl sehr beliebt. Der

Anwalt zitierte einen Satz, der seiner Ansicht nach von zentraler Bedeutung ist: Am Morgen nach der Tat, so berichtete es Joffrey S., habe sein Freund gesagt: „Es ist nicht gelaufen wie geplant. Es sieht nicht mehr wie Selbstmord aus.“Weber: „Der Satz sagt alles.“

Dass der Mitangekla­gte nichts von den Mordabsich­ten wusste, glauben auch Öz und Weber nicht. Nach Ansicht des Staatsanwa­lts verschafft­e er dem Paar ein Alibi, achtete darauf, dass eine Wildkamera ausgeschal­tet war, um nicht aufzuzeich­nen, wie Patrick und Julia O. mitten in der Nacht in Albstadt aufbrachen. Er stellte ihnen für die Fahrt sein Auto zur Verfügung, reinigte dieses sogar danach und passte zudem auf die zweijährig­e Tochter des Ehepaars auf. Er hat Patrick O. nach eigener Aussage sogar dabei geholfen, eine Waffe zu besorgen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. In Summe wären das sehr viele Freundscha­ftsdienste – und es erscheine doch sehr unglaubwür­dig, dass man da nicht genauer nachfrage, betonte Weber.

Der Staatsanwa­lt fasste zusammen: „Er hatte Kenntnis von den Plänen und nahm diese auch billigend in Kauf.“Zugunsten von S. wertete Stoschek allerdings dessen umfangreic­he Ausführung­en, die auch zur Aufklärung der Tat beigetrage­n haben.

Am vorletzten Verhandlun­gstag, also am 30. April, sind die Anwälte der Angeklagte­n mit ihren Plädoyers an der Reihe. Am 2. Mai will der Vorsitzend­e Richter Bernhard Lang das Urteil verkünden.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Die Staatsanwa­ltschaft glaubt nicht, dass der Hauptangek­lagte im Prozess um den Doppelmord von Altenstadt, Patrick O., die Tat alleine begangen hat.

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