Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Schöne Bescherung

- j. schlosser@ schwaebisc­he. de

E xperte muss man nicht sein, um den grundlegen­den Fehler des Fußball-Weltverban­des Fifa zu erkennen: Die Bewerbung Katars um die Austragung der Weltmeiste­rschaft hätte gar nicht erst angenommen werden dürfen. Kein normal denkender Mensch käme auf die Idee, eine der größten Sportveran­staltungen der Welt in ein winziges Emirat ohne Fußballtra­dition zu vergeben, in dem es im Sommer gerne mal über 50 Grad heiß wird. Kein vernünftig­er Funktionär würde Abertausen­de Fans durch die glühende Wüstensonn­e in künstlich runtergekü­hlte Arenen schicken.

Damals 2010 wurde jedoch offenbar der Vernunft des einen oder anderen Abstimmung­sberechtig­ten auf die Sprünge geholfen – vielleicht mit ein paar Dollar oder aber zumindest mit eindringli­chen Bitten vonseiten hochrangig­er Politiker oder Wirtschaft­sbosse, man möge doch die aufstreben­den Kataris unterstütz­en.

Jahre später steht fest, was jeder sporttreib­ende Doha-Urlauber nach zweimalige­m Einatmen hätte sagen können: Leistungss­port geht in Katar nur im Winter! Da die wünschswer­teste Lösung, die WM neu zu vergeben, von der Fifa nicht in Betracht gezogen wurde, ist dies im Sinne des Fußballs noch die beste unter allen schlechten Entscheidu­ngen.

Dennoch mutet der Plan aus europäisch­er Perspektiv­e skurril an: Die großen Ligen müssen wegen der Fehlentsch­eidung des Weltverban­des ihre Spielpläne ändern, bewährte Fußballtra­ditionen werden für ein, womöglich zwei Jahre über den Haufen geworfen. Und auch für Fans und Familien ist eine WM im Advent, ein Finale womöglich am Tag vor Heiligaben­d, eine schöne Bescherung.

Dass Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsc­hef des FC Bayern München und zugleich Boss von Europas Klubverein­igung ECA, finanziell­e Entschädig­ung von der Fifa für die Klubs fordert, ist nicht nur legitim, sondern völlig logisch: Wer sich kaufen lässt, der soll am Ende auch die Zeche zahlen. Am Geld mangelt es dem Verband des Schweizers Sepp Blatter nicht. Allein mit der vergangene­n WM in Brasilien verdiente die Fifa 1,6 Milliarden Euro.

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Von Jochen Schlosser

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