Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Was die Griechen den Gläubigern anbieten
Zugeständnisse der Regierung Tsipras dürften zu vehementer Kritik bei seinen Anhängern führen
- Der Brief kam pünktlich. Um 23.15 Uhr in der Nacht zu Dienstag hatte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem das Schreiben im Mailfach, in dem die griechische Regierung erläutert, wie sie die von der EU geforderten Sparziele auf sozialverträgliche Weise umsetzen will. Für 14.00 Uhr am Dienstag berief der Holländer eine Telefonkonferenz mit den Finanzministern der anderen Euroländer ein. Die stimmten zu – und das kam nicht überraschend.
Schließlich hatten EU-Experten während des Wochenendes mit der griechischen Regierung um jedes Wort des Textes gerungen. Bereits am Montagmorgen hatte Wolfgang Schäuble dem Bundestag empfohlen, die Verlängerung des Hilfsprogramms auf dieser Grundlage durchzuwinken. Auch die EU-Kommission zeigte sich zufrieden.
Im Internet konnten sich später auch die Anhänger der Regierungspartei Syriza ein Urteil bilden. Parteiikone Manolis Glezos hatte sich schon vorab in seinem Blog beim griechischen Volk entschuldigt, „dass ich mich an dieser Illusion beteiligt habe. Lasst uns reagieren, bevor es zu spät ist“, schrieb der 92-jährige einstige Untergrundkämpfer gegen die deutsche Besatzung und heutige Europaabgeordnete. „Die Troika in Institutionen umzutaufen, den Sparkurs als Vereinbarung und die Gläubiger als Partner zu bezeichnen, ändert nichts an der Lage“, so der streitbare und von Parteichef Tsipras bislang hochgeehrte Glazos.
Zahlen, keine Absichten
In der Substanz geht die knapp sieben Seiten umfassende Auflistung der künftigen Spar- und Sozialpläne der Regierung in Athen nicht über das hinaus, was Finanzminister Varoufakis nach langem Zögern beim Sondertreffen der Finanzminister vergangenen Freitag zugesagt hatte. Die neue Regierung will intelligenter sparen und zusätzliche Sozialausgaben so gegenfinanzieren, dass der Haushalt nicht belastet wird. Bereits abgewickelte Privatisierungen sollen nicht rückgängig gemacht, laufende Ausschreibungen daraufhin geprüft werden, wie sich Verkäufe am besten für den Staat nutzbar machen lassen. Sozialbetrug soll durch bessere elektronische Registrierung der Berechtigten ausgemerzt, Anreize für Frühverrentung abgeschafft werden. Am ausführlichsten sind die Absätze, die sich mit der Reform des Steuersystems und der Verwaltung und dem Kampf gegen Korruption befassen.
Die von den Finanzministern geforderten Zahlen, die über das Wochenende hätten ausgearbeitet werden sollen, sucht man in dem Text aber vergebens. Man werde die öffentlichen Ausgaben in allen Bereichen – Erziehung, Verteidigung, Transport, Kommunalverwaltungen und Sozialausgaben – nach Einsparmöglichkeiten durchforsten, heißt es wenig konkret. Diese Kosten machten immerhin 56 Prozent des Staatshaushalts aus.
Ein Kapitel ist auch der Frage gewidmet, wie die soziale Krise, die das strenge Sparprogramm der Vorgängerregierung ausgelöst hat, gemildert werden kann. Die Vorschläge reichen von Fortbildungen für Langzeitarbeitslose über eine „Angleichung und mittelfristige Erhöhung“der Mindestlöhne bis zu Lebensmittelmarken und der Stundung fälliger Hypotheken für den Erstwohnsitz bei drohender Zwangsversteigerung.
Bei all diese Maßnahmen soll die Internationale Arbeitnehmervertretung ILO ebenso eingebunden sein wie die OECD. Diese Kooperation soll den Anhängern von Tsipras' Linkspartei signalisieren, dass neben der verhassten Troika auch andere Institutionen bei der Sanierung Griechenlands mitreden werden. Ende April, so Dijsselbloem gestern, müssten dann aber wirklich endlich Zahlen nachgeliefert werden, sonst gebe es kein Geld.