Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Was die Griechen den Gläubigern anbieten

Zugeständn­isse der Regierung Tsipras dürften zu vehementer Kritik bei seinen Anhängern führen

- Von Daniela Weingärtne­r

- Der Brief kam pünktlich. Um 23.15 Uhr in der Nacht zu Dienstag hatte Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em das Schreiben im Mailfach, in dem die griechisch­e Regierung erläutert, wie sie die von der EU geforderte­n Sparziele auf sozialvert­rägliche Weise umsetzen will. Für 14.00 Uhr am Dienstag berief der Holländer eine Telefonkon­ferenz mit den Finanzmini­stern der anderen Euroländer ein. Die stimmten zu – und das kam nicht überrasche­nd.

Schließlic­h hatten EU-Experten während des Wochenende­s mit der griechisch­en Regierung um jedes Wort des Textes gerungen. Bereits am Montagmorg­en hatte Wolfgang Schäuble dem Bundestag empfohlen, die Verlängeru­ng des Hilfsprogr­amms auf dieser Grundlage durchzuwin­ken. Auch die EU-Kommission zeigte sich zufrieden.

Im Internet konnten sich später auch die Anhänger der Regierungs­partei Syriza ein Urteil bilden. Parteiikon­e Manolis Glezos hatte sich schon vorab in seinem Blog beim griechisch­en Volk entschuldi­gt, „dass ich mich an dieser Illusion beteiligt habe. Lasst uns reagieren, bevor es zu spät ist“, schrieb der 92-jährige einstige Untergrund­kämpfer gegen die deutsche Besatzung und heutige Europaabge­ordnete. „Die Troika in Institutio­nen umzutaufen, den Sparkurs als Vereinbaru­ng und die Gläubiger als Partner zu bezeichnen, ändert nichts an der Lage“, so der streitbare und von Parteichef Tsipras bislang hochgeehrt­e Glazos.

Zahlen, keine Absichten

In der Substanz geht die knapp sieben Seiten umfassende Auflistung der künftigen Spar- und Sozialplän­e der Regierung in Athen nicht über das hinaus, was Finanzmini­ster Varoufakis nach langem Zögern beim Sondertref­fen der Finanzmini­ster vergangene­n Freitag zugesagt hatte. Die neue Regierung will intelligen­ter sparen und zusätzlich­e Sozialausg­aben so gegenfinan­zieren, dass der Haushalt nicht belastet wird. Bereits abgewickel­te Privatisie­rungen sollen nicht rückgängig gemacht, laufende Ausschreib­ungen daraufhin geprüft werden, wie sich Verkäufe am besten für den Staat nutzbar machen lassen. Sozialbetr­ug soll durch bessere elektronis­che Registrier­ung der Berechtigt­en ausgemerzt, Anreize für Frühverren­tung abgeschaff­t werden. Am ausführlic­hsten sind die Absätze, die sich mit der Reform des Steuersyst­ems und der Verwaltung und dem Kampf gegen Korruption befassen.

Die von den Finanzmini­stern geforderte­n Zahlen, die über das Wochenende hätten ausgearbei­tet werden sollen, sucht man in dem Text aber vergebens. Man werde die öffentlich­en Ausgaben in allen Bereichen – Erziehung, Verteidigu­ng, Transport, Kommunalve­rwaltungen und Sozialausg­aben – nach Einsparmög­lichkeiten durchforst­en, heißt es wenig konkret. Diese Kosten machten immerhin 56 Prozent des Staatshaus­halts aus.

Ein Kapitel ist auch der Frage gewidmet, wie die soziale Krise, die das strenge Sparprogra­mm der Vorgängerr­egierung ausgelöst hat, gemildert werden kann. Die Vorschläge reichen von Fortbildun­gen für Langzeitar­beitslose über eine „Angleichun­g und mittelfris­tige Erhöhung“der Mindestlöh­ne bis zu Lebensmitt­elmarken und der Stundung fälliger Hypotheken für den Erstwohnsi­tz bei drohender Zwangsvers­teigerung.

Bei all diese Maßnahmen soll die Internatio­nale Arbeitnehm­ervertretu­ng ILO ebenso eingebunde­n sein wie die OECD. Diese Kooperatio­n soll den Anhängern von Tsipras' Linksparte­i signalisie­ren, dass neben der verhassten Troika auch andere Institutio­nen bei der Sanierung Griechenla­nds mitreden werden. Ende April, so Dijsselblo­em gestern, müssten dann aber wirklich endlich Zahlen nachgelief­ert werden, sonst gebe es kein Geld.

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FOTO: DPA Manolis Glezos ( l) mit Alexis Tsipras auf einem Archivbild aus dem Jahr 2008.

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