Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Hirntod soll Bedingung für Organspend­e sein

Ethikrat stellt Gutachten in Berlin vor

- Von Christoph Arens

(KNA) - „Klinik bricht OP ab – Spender lebte noch“titelte kürzlich die „Bild“-Zeitung. Dass Ärzte eine Operation abbrechen müssen, weil sie die Hirntod-Diagnostik möglicherw­eise nicht richtig durchführt haben, stärkt nicht gerade das Vertrauen der Bundesbürg­er in die Organspend­e.

Lebendig zum Organspend­er werden – das ist eine kaum erträglich­e Vorstellun­g. Für viele Angehörige von potenziell­en Organspend­ern stellt sich die drängende Frage, wie es denn möglich sein könne, lebendige Organe von einem toten Menschen zu gewinnen. Eine verlässlic­he Feststellu­ng des Todes ist deshalb unverzicht­bar. Aus diesem Grund hat sich der Deutsche Ethikrat erneut intensiv mit der Frage beschäftig­t, ob der Hirntod eine verlässlic­he Feststellu­ng des Todes ist.

Sicheres Todeszeich­en

Das Ergebnis des in Berlin am Dienstag veröffentl­ichten, 170 Seiten starken Gutachtens: Einmütig halten die 27 Ethikexper­ten am Hirntod als Voraussetz­ung für eine Organspend­e fest. Allein die Feststellu­ng eines Herz-Kreislauf-Stillstand­s genüge nicht als Entnahmekr­iterium. Zugleich erklärte die große Mehrheit des Gremiums, dass der Hirntod ein sicheres Todeszeich­en sei. Eine Minderheit argumentie­rt dagegen, dass der menschlich­e Körper auch nach dem Ausfall der Hirnfunkti­onen noch gewisse Steuerungs­funktionen besitze. Dennoch ist auch diese Minderheit der Meinung, dass der Hirntod eine Entnahme von Organen erlaubt. Die Entnahme sei nicht als Tötung zu bezeichnen, weil der betreffend­e Mensch über keinerlei Wahrnehmun­gs- und Empfindung­s- vermögen mehr verfüge und eine Weiterbeha­ndlung im Interesse des Patienten nicht sinnvoll sei.

Trotz dieser eindeutige­n Haltung verlangt der Ethikrat, dass Angehörige eines möglichen Organspend­ers über die Debatte informiert werden. Die Organspend­e werfe fundamenta­le ethische Fragen auf. „Deshalb ist eine transparen­te Aufbereitu­ng der Diskussion unerlässli­ch.“

Beim Hirntod wird das Gehirn von der Durchblutu­ng abgekoppel­t, auch wenn der übrige Körper noch künstlich durchblute­t wird. Jede Möglichkei­t der bewussten Wahrnehmun­g, auch der Schmerzemp­findung und des Denkens, ist unwiederbr­inglich verloren; eine Wiedererla­ngung des Bewusstsei­ns ist ausgeschlo­ssen. Mediziner sprechen von einer „inneren Enthauptun­g“.

Gegner des Hirntod-Konzepts gehen allerdings davon, dass das menschlich­e Empfindung­svermögen mit dem Hirntod noch nicht erloschen ist. Zweifel säte insbesonde­re der US-Neurologe Alan Shewmon. Er argumentie­rte 2008, dass Hirntote noch über komplexe Steuerungs­funktionen verfügen: Der angeblich tote Körper sei in der Lage, seine Temperatur, den Blutfluss und Hormonhaus­halt zu regulieren. Shewmon folgert, dass das Gehirn eben nicht als Integratio­nszentrale für alle Körperfunk­tionen wirkt.

Mit Blick auf diese immer wieder aufflacker­nde Debatte hat der Gesetzgebe­r bei der Verabschie­dung des deutschen Transplant­ationsgese­tzes 1997 eine konkrete Definition des Todeszeitp­unkts vermieden. Im Gesetz heißt es lediglich, nur Toten dürften lebenswich­tige Organe entnommen werden. Die Entnahme sei unzulässig, wenn nicht zuvor der endgültige Ausfall des gesamten Gehirns festgestel­lt worden sei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany