Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Auslegungs­fähige Texte“

Innenexper­te Wolfgang Bosbach (CDU) über den Ärger mit den Griechen

-

(sz) - Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Wolfgang Bosbach traut den Griechen nicht, wie er Rasmus Buchsteine­r erklärt.

Griechenla­nd hat doch noch seine Reformlist­e geliefert. Sind Sie von den Zusagen aus Athen überzeugt?

Wenn wir sicher sein könnten, dass alle Zusagen eingehalte­n werden, wäre meine Skepsis wohl unbegründe­t. Aber das, was jetzt in Aussicht gestellt wird, hat man uns schon mehrfach zugesagt. Beispiel: 2011 wurden uns bis 2015 rund 50 Milliarden Euro an Privatisie­rungserlös­en zugesagt. Nicht einmal zehn Prozent der Summe wurden erreicht.

Warum brauchte es überhaupt diesen Brief? Es gibt doch klare vertraglic­he Vereinbaru­ngen …

Genau das ist der Punkt! Es geht ja gerade nicht um eine bloße Verlängeru­ng des Programms, sondern auch um dessen Änderung.

Hat die neue Athener Regierung die Eurostaate­n am Ende doch ausgetrick­st?

Ich sage es mal so: Die vorliegend­en Texte sind stark auslegungs­fähig.

Lässt sich eine derart weitreiche­nde Entscheidu­ng eigentlich in nur wenigen Tagen ohne gründliche Debatte und Prüfung der Details guten Gewissens treffen?

Wir haben schon über noch weitreiche­ndere Maßnahmen in noch kürzerer Zeit beraten. Richtig spannend wird es Ende Juni. Ich fürchte, dann werden wir erneut über ein Hilfsprogr­amm beraten müssen.

Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble spricht von einem Rendezvous der Regierung Tsipras mit der Realität. Sind die Griechen jetzt in der Realität angekommen?

Einige vielleicht, alle sicher nicht. Das zeigen auch aktuelle Äußerungen aus der Regierungs­partei Syriza.

Es bleibt unklar, wie viel Geld der deutsche Steuerzahl­er bereits in die Hilfe für Griechenla­nd gesteckt hat und für welche Summen Berlin genau haften müsste. Wird das bewusst vernebelt?

Wenn man alles addiert, geht es insgesamt um gut 92 Milliarden Euro, inklusive unserer Anteile am IWF.

Wäre Griechenla­nds Austritt aus der Eurozone der bessere Weg?

Ob Griechenla­nd auf Dauer in der Eurozone bleiben kann, wird weder in Brüssel entschiede­n noch in Berlin. Die Entscheidu­ng fällt ausschließ­lich vor Ort. Ich fürchte, dass es Griechenla­nd unter den Bedingunge­n nicht schaffen kann. Nicht weil der politische Wille fehlt, sondern Wirtschaft­skraft, Wettbewerb­sfähigkeit, und weil es an einer effektiven Verwaltung fehlt, nicht nur im Finanz- und Steuerwese­n.

Sie haben angekündig­t, nicht weiter immer die Kuh sein zu wollen, die bei der Eurorettun­g quer im Stall stehe. Stellen Sie sich gerade ins Glied, oder gehen Sie raus aus dem Stall, raus aus der Politik?

Ich denke jetzt in Ruhe nach, wie es weitergehe­n könnte. Dafür nehme ich mir Zeit, spätestens bis zum Beginn der parlamenta­rischen Sommerpaus­e.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany