Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Frei sein ist ganz schön schwer

Bei Andreas Dresens Romanverfi­lmung „Als wir träumten“springt der Funke nicht über

- Von Dieter Kleibauer

rfolgreich­er Regisseur verfilmt Bestseller mit dem Drehbuch eines preisgekrö­nten Autors: Eigentlich müsste diese Gleichung aufgehen. Doch bei der Premiere auf der Berlinale wurde Andreas Dresens neuer Film überrasche­nd kühl aufgenomme­n. „Als wir träumten“basiert auf Clemens Meyers gleichnami­gem Roman aus dem Jahr 2006: eine deutsche Jugend vor und nach der Wende.

Leipzig, Anfang der 1990er-Jahre: Sie heißen Dani, Pitbull, Mark, Rico und Paul, kennen sich aus der Schule und aus der Nachbarsch­aft. Kurz nach dem Mauerfall ziehen sie, meist alkoholbef­euert, durch Leipzig, klauen Autos und zerstören im lustvollen Gewaltraus­ch alles, was sich ihnen in den Weg stellt – ihre Umgebung gibt ihnen die Freiräume dazu, die alte Welt ist zerfallen, die neue noch nicht stabil, Raum für Anarchismu­s.

Die 17-Jährigen eröffnen verwegen einen Techno-Club, müssen sich gegen Neonazis wehren, einer sucht Selbstbest­ätigung im Boxen, andere sind hinter den Mädchen her, wieder andere landen im Drogensump­f. In Rückblende­n sieht der Zuschauer das Leben der Gang in der DDR- Schule, mit skurrilen Feuerwehrü­bungen, mit den alltäglich­en Denunziati­onen, mit dem festen Rahmen des so genannten Sozialismu­s, der so kleinbürge­rlich, spießig, grau und miefig war. Klar, dass junge Menschen ohne diese Welt voller Regeln in schwarze Löcher stürzen.

Beschädigt­e Leben

Für westliche Zuschauer eine durchaus fremde Welt; vielleicht erklärt das auch die verhaltene Aufnahme des Films in Berlin. Zudem sind die Protagonis­ten keine reinen Sympathiet­räger. Andreas Dresen hat junge, unverbrauc­hte Gesichter gefunden, sie spielen mit Verve diese Loser-Typen, die mit der Wende, dieser plötzlich hereinbrec­henden Freiheit, nicht zurechtkom­men. „Soviel beschädigt­es Leben war lange nicht mehr in der deutschen Gegenwarts­literatur“, hieß es seinerzeit in der „taz“über Meyers Roman. Die Identifika­tion wird dem Betrachter aller- dings schwer gemacht. So richtige Sympathiet­räger sind das nicht.

Regisseur Andreas Dresen hat bei „Als wir träumten“erneut mit Wolfgang Kohlhaase zusammenge­arbeitet. Der war schon zu Defa-Zeiten eine große Nummer im Filmgeschä­ft. Er hat auch die Drehbücher für „Sommer vorm Balkon“(2005) und „Whisky mit Wodka“(2009) geschriebe­n, Andreas Dresens erfolgreic­hste Filme. Clemens Meyers Roman hat er werkgetreu in die Filmhandlu­ng eingebrach­t. Auf der Berlinale kam allerdings die Frage auf, ob ein 83-jähriger Autor der Richtige ist, um Geschichte­n von Jugendlich­en aus den 1990er-Jahren zu erzählen.

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FOTO: PETER HARTWIG Der kurze Moment, als die Freiheit da war, muss wunderbar gewesen sein. Das zeigt der Film „ Als wir träumten“.

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