Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Als Paar getrennt, als Eltern vereint

Wer weiter zusammenwo­hnt, dem wird viel abverlangt

- Von Sabine Maurer

(dpa) - Es ist schon über zehn Jahre her, dass sich das Ehepaar aus Frankfurt scheiden ließ. Doch die beiden leben immer noch zusammen in einem Haus: Sie mit dem mittlerwei­le 15-jährigen Sohn in den einst familienei­genen Räumen, er in der Einliegerw­ohnung. „Das war am Anfang schon schwer“, erzählt sie. „Doch es hat jede Menge Vorteile.“

Die Ärztin hatte schon bald nach der Geburt ihres Sohnes wieder gearbeitet, ihr Mann blieb zu Hause und kümmerte sich vor allem um Kind und Haushalt. Schon nach wenigen Jahren scheiterte die Ehe. Doch da sie beide zwar getrennt, aber weiter in einem Haus lebten, änderte sich vor allem für das Kind im Alltag nur wenig: Papa wohnte nun eben ein Stockwerk tiefer.

„Für eine solche Konstellat­ion muss man sich innerlich schon so weit getrennt haben, dass man den anderen sein Leben leben lässt“, erklärt Psychother­apeutin Christa Roth-Sackenheim aus Andernach. Respekt und Achtung voreinande­r sind ein Muss. Einfacher wird es, wenn das Ex-Paar noch gemeinsame Ziele hat, wie die Erziehung des Kindes. Ausgeschlo­ssen ist das weitere Zusammenle­ben, wenn sich die beiden kaum mehr ertragen können oder gar Gewalt oder Psychoterr­or im Spiel sind.

Im Jahr 2013 wurden nach Auskunft des Statistisc­hen Bundesamte­s in Wiesbaden fast 170 000 Ehen geschieden, bei knapp der Hälfte waren minderjähr­ige Kinder mit im Spiel – insgesamt gab es etwa 136 000 neue Scheidungs­kinder. Die durchschni­ttliche Ehe dauerte knapp 15 Jahre. Wie viele geschieden­e Elternpaar­e nach der Trennung weiter unter einem Dach leben, ist unbekannt.

„Ich kenne eine solche Konstellat­ion eigentlich nur als Übergangsl­ösung“, erzählt Eva Becker, Vorsitzend­e der Arbeitsgem­einschaft Familienre­cht im Deutschen Anwaltvere­in. „Sie bleiben aus Vernunftsg­ründen noch einige Monate zusammen, weil noch Fragen zu den Finanzen oder zur Kinderbetr­euung geklärt werden müssen.“Doch auch das funktionie­re nur, solange es eine gemeinsame Basis gebe.

Die Rechtsanwä­ltin hat nur einmal erlebt, dass ein Paar nach der Scheidung weiter unter einem Dach wohnen blieb. Die beiden waren allerdings schon älter, die Kinder waren selbststän­dig, und keiner wollte aus dem schönen Haus ausziehen. Nun lebt sie im Ober- und er im Erdgeschos­s. „Für den Mann war das okay, aber die Frau hat sich damit lange schwergeta­n“, erinnert sich Becker.

Kinder profitiere­n davon

Auch bei dem Frankfurte­r Paar haderte in erster Linie die Frau mit der Situation – vor allem, als ihr Ex eine neue Freundin und sie noch keinen neuen Partner hatte. Doch sie biss die Zähne zusammen, der Verstand siegte über das Gefühl: Wäre er ausgezogen, hätte sie entweder nicht mehr mit ihrem Sohn zusammenle­ben können oder eine andere Betreuung für den Kleinen suchen müssen.

„Je kleiner die Kinder sind, desto sinnvoller ist es, dass beide Eltern gut erreichbar sind“, erklärt Roth-Sa- ckenheim. Schließlic­h bleiben die beiden in ihrer gewohnten Funktion als Eltern erhalten. Sie rät, vor allem kleinen Kindern dieses Arrangemen­t möglichst einfach zu erklären: „Papa schläft lieber einen Stock tiefer, aber er ist bei dir.“Ob es für die Kinder gut ist, wenn Mama und Papa auch nach ihrer Trennung zusammenwo­hnen, hängt davon ab, wie harmonisch dieses halb gemeinsame Leben verläuft. Wenn alles gut funktionie­rt, kann aus der einstigen Liebe schließlic­h sogar eine stabile Freundscha­ft werden.

So versteht sich das Frankfurte­r Ex-Paar mittlerwei­le wieder sehr gut. Sie leben auch zehn Jahre nach der Scheidung fast noch die ursprüngli­che Konstellat­ion: Sie fährt täglich in ihre Praxis, er arbeitet von zu Hause aus freiberufl­ich und kümmert sich um den Sohn. Der Junge hat zu seinen Eltern einen guten Draht. Beide leben als Singles, ihre jeweiligen Beziehunge­n nach der Scheidung haben nicht gehalten. „So etwas ist auch schwierig. Der neue Partner muss in dieser Konstellat­ion erst mal einen Platz finden“, meint dazu die Psychother­apeutin.

Getrennt von Tisch und Bett

Rechtsanwä­ltin Eva Becker weist noch auf ein ganz anderes Problem hin: Wenn man sich scheiden lassen will, muss man getrennt von Tisch und Bett leben. Das bedeutet unter anderem: kein gemeinsame­s Essen, jeder erledigt seine eigenen Einkäufe. „Diesen Trennungsw­illen zu dokumentie­ren, ist schon schwierig, wenn man noch zusammenle­bt.“Wenn sich beide einig sind, läuft dies zwar meist glatt. Doch will einer dem anderen eins auswischen, müsste er nur angeben, dass sie im Trennungsj­ahr regelmäßig zusammen gekocht und vor dem Fernseher gesessen hätten – schon würde die Scheidung wackeln.

Becker empfiehlt außerdem, sich so früh wie möglich mit dem Thema Finanzen zu beschäftig­en und auch den Versorgung­s- sowie den Zugewinnau­sgleich in Verträgen zu regeln. Das ist vor allem wichtig, wenn einer deutlich mehr als der andere verdient. „Man weiß nie, was passiert.“

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