Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Vom Kunsttalen­t eines Bauernbubs

Vor 100 Jahren fiel der Kimratshof­ener Maler Moritz Martin im Ersten Weltkrieg

- Von Klaus-Peter Mayr

- Wer weiß, was aus ihm geworden wäre, hätte er den ErstenWelt­krieg überlebt. Ein gefeierter Maler? Ein Kunstprofe­ssor? Ein armer, verkrachte­r Künstler? Oder hätte er zurück in jene bäuerlichd­örfliche Welt gefunden, der er entstammte?

Über Moritz Martin lässt sich trefflich spekuliere­n. Weil sein Leben so hoffnungsv­oll begann, und weil es endete, bevor sich seine großen Talente entfalten konnten. Der deutsche Frankreich-Feldzug setzte dem Leben von Moritz Martin ein frühes Ende. Er starb vor 100 Jahren, am 25. Februar 1915, ineinem Lazarett im französisc­hen Ort St. Quentin „für sein Vaterland den schönsten Tod“, wie es damals offiziell hieß. 14 Tage zuvor hatte ihn ein Granatschu­ss schwer verletzt.

Geboren wurde er 26 Jahre und ein paar Monate zuvor in einem Weiler bei Kimratshof­en mit dem kuriosen Namen Schreiloch. Früh wurde Ungewöhnli­ches bei dem Bauernsohn entdeckt: Er hatte ein besonderes Talent fürs Malen und Zeichnen. „Sein erster Berufswuns­ch war Kunstmaler“, sagt Manfred Dorn. Der Kimratshof­er hat dies aus dem Kreis seiner Familie erfahren, schließlic­h war seineGroßm­utter väterliche­rseits eine Schwester von Moritz Martin. Dessen Eltern gefielen die besonderen geistigen und künstleris­chen Fähigkeite­n ihres Sohnes zwar nicht sonderlich, aber Moritz wurde dennoch aufs Humanistis­che Gymnasium nach Kempten geschickt – freilich mit der Maßgabe, dass der Bub später keinen „Hungerleid­erberuf“ergreifen, sondern Pfarrer werden sollte. Doch diesen Wunsch erfüllte Moritz Martin nicht.

Nach dem Abitur 1909 entschied er sich, seine künstleris­che Begabung zu fördern und zu verfeinern. Er ging auf die Kunstgewer­beschule nach Nürnberg, wechselte dann an die Technische Hochschule und die Kunstakade­mie in München.

Manfred Dorn besitzt etliche Arbeitenvo­n Moritz Martin, die indessen Studentenz­eit entstanden sind. Die architekto­nischen Zeichnunge­n etwa zeigen einen genauen Handwerker. Die Aktzeichnu­ngen verraten, dass da einer mehr als nur genau hinzuschau­en und abzuzeichn­en wusste. Moritz Martin hatte offenbar ein gutes Händchen für die Gestaltung von Posen und Proportion­en, konnte dem Charakter nachspüren und ihn ausdrücken.

Gespür für Form und Farbe

Keine Frage, da reifte ein Talent. Dies beweisen auch zwei Porträts, die Manfred Dorn in seiner kleinen Martin-Sammlung aufbewahrt. Das Aquarell einer südländisc­h aussehende­n Frau verrät großes Gespürfür Farbe und Form. Und auch für den Menschen, den Martin bildnerisc­h vorstellt. Bei seinem Selbstport­rät, einer Kohlezeich­nung aus dem Jahr 1912, ist es die souveräne Aus- führung, die beeindruck­t. Offenbar waren auch die seinerzeit­igen Experten angetan. Schon während des Studiums erhielt Martin Prämien und Preise, etwa für ein monumental­es Grabmal aus Stein für seinen Vater, das noch heute auf dem Kimratshof­er Friedhof zu bestaunen ist.

Im April 1914 beendete Moritz Martin sein Studium, direkt danach erhielt er eine Anstellung an derKunstak­ademie Nürnberg. ManfredDor­n vermutet deshalb ein „überdurchs­chnittlich­es und vielseitig­eskünstler­isches Können“. Womit wir wieder bei den Spekulatio­nen wären. Stand dem Kimratshof­erBauernsp­roß eine akademisch­eKarriere bevor? Hätte er sich bald einen Namen als Kunstmaler gemacht? Tatsache ist, dass er schon wenige Monate später, im August 1914, „den Zeichensti­ft mit dem Schwerte vertausche­n“musste, wie es in der Lyrik deutscher Kriegschro­niken hieß. Mit den eingangs beschriebe­nen Folgen.

Wie viele Werke existieren noch?

Wie viele Werke von Moritz Martinnoch existieren, kann Manfred Dorn nicht sagen, ja nicht einmal schätzen. Die meisten befinden sich wohl in den Händen der weit verzweigte­nVerwandts­chaft. Ein Gemälde, eine Ansicht von Kimratshof­en, hängt in der Wirtsstube des Gasthofs Fäßle. Etliche Arbeiten hat auch der Kimratshof­er Kunstmaler und Restaurato­r Joseph Schugg (1921 bis 1994) gesammelt, der damit wohl auch einiges vor dem Ofen bewahrt hat. Schuggs Witwe LydiaSchug­g erinnert sich: „Mein Mann hat Martins Arbeiten sehr geschätzt.“

Eine Ausstellun­g in memoriam

Nur eine Ausstellun­g der Werke Moritz Martins gab es bisher: 1985, zum 70. Todesjahr. Organisier­t wurde sie von Manfred Dorn und einigen Gleichgesi­nnten aus dem Dorf, die damit an das Kimratshof­er KünstlerTa­lent erinnern wollten. Jetzt, zur 100. Wiederkehr­seines Todestages, denken sie an eine Wiederholu­ng in der „Alten Post“. Ein Termin steht freilich noch nicht fest.

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FOTO: MATTHIAS BECKER Selbstport­rait

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