Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
EU will mit Energieunion Milliarden sparen
Projekt soll die Union besser vernetzen und unabhängiger vom russischen Gas machen
- Die EU-Kommission will den Energiemarkt in der Europäischen Union besser vernetzen. Eine Energieunion soll die Staatengemeinschaft zudem unabhängiger vom russischen Gas machen. Das geht aus dem von Energiekommissar Miguel Arias Canete am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Grundsatzpapier zur Energie- und Klimapolitik hervor.
Über eine Milliarde Euro pro Tag: So sieht die Rechnung aus, die Europa nach Zahlen der EU-Kommission für seine Energieimporte zu begleichen hat. Denn 53 Prozent der Energie – beispielsweise Erdgas aus Russland – wird importiert. Die Abhängigkeit von diesen Lieferungen zu verringern, sei ein wesentliches Ziel der EU. Die Energieunion soll letztlich aber auch jedem Einzelnen zugutekommen. Denn „wegen veralteter Infrastrukturen, unzureichend integrierter Märkte und nicht aufeinander abgestimmter Maßnahmen können unsere Verbraucher, Haushalte und Unternehmen nicht von der größeren Auswahl oder den niedrigeren Energiepreisen profitieren und verliere jährlich bis zu 40 Milliarden Euro“, räumte die Behörde ein.
Deshalb sollen die EU-Mitgliedsstaaten besser vernetzt werden. Dadurch könne man Wind- und Sonnenenergie besser integrieren. Unter dem Strich geht es also nicht nur um die Gewinnung von Energie aus Schiefergas, Atom- und Windkraft, sondern vor allem um eine bessere Infrastruktur der Netze und Leitungen und um eine bessere Abstimmung der nationalen Energiegesetze – und langfristig eben die Schaffung eines gemeinsamen Marktes.
In dem vorgestellten Strategiepapier nimmt Gas einen wichtigen Platz als Energieträger ein. Die Kommission will unter anderem die Infrastruktur für verflüssigtes Gas (LNG), das in Schiffen transportiert wird, vorantreiben. So ließen sich Versorgungsengpässe entschärfen, die durch den Streit um Pipelines entstehen. Erdgas hat den Vorzug, anders als Sonne oder Wind je nach Bedarf Energie zu erzeugen, zudem verbrennt es nicht so klimaschädlich wie beispielsweise Braunkohle. Da LNG-Projekte lange Vorlaufzeiten haben, plädiert die EUKommission zunächst dafür, Gaseinkünfte im Ausland zu bündeln, damit die Käufer so einen besseren Preis erzielen können.
Zustimmung von der Industrie
Von der deutschen Industrie kam Zustimmung zu dem Vorhaben: „Die Energieunion ist eine große Chance für die Energiewende“, meint etwa der Verband der Chemischen Industrie. Die Branche gehört zu den energieintensiven Industriezweigen im Land. Fragen wie Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit könnten auf EU-Ebene innerhalb eines echten Energiebinnenmarkts besser adressiert werden, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann.
Doch Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kritisierte im Deutschlandfunk, die Kommission mache nicht deutlich genug, wie man Energiesicherheit und geringere Abhängigkeit von Russland sicherstellen könne. Dazu müsse man die Ziele gemeinsam definieren, eine Prioritätenliste aufstellen. Für Kemfert sollte vor allem der Verzicht auf fossile Energien genannt werden, der Ausbau erneuerbarer Energien und mehr Energieeffizienz. Konkret müsse man stärker auf Flüssiggas setzen, das Pipelinesystem verbessern und den Aufbau einer strategischen Gasreserve diskutieren. Hier habe auch Deutschland noch Nachholbedarf, glaubt die Energieexpertin des DIW.
Auch der Verband kommunaler Unternehmen ist nicht ganz zufrieden: „Die Energieunion schafft lediglich eine neue Hülle für bereits Bekanntes“, sagt deren Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Wichtiger wäre es, bei den konkret vorliegenden Gesetzgebungsvorschlägen voranzukommen, etwa was die Einführung einer Marktstabilitätsreserve angehe, mit der der europäische Emissionshandel belebt werden könnte.