Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wetterexperte Kachelmann fordert Genugtuung
Moderator sieht sich durch Medienberichterstattung über Vergewaltigungsvorwürfe verleumdet
(dpa) - Er war ein Star als Wettermoderator. Von einem Tag zum anderen aber galt Jörg Kachelmann als mutmaßlicher Vergewaltiger. Im Prozess sprachen ihn die Richter frei, doch sein altes Leben bekommt er deshalb nicht zurück. Schuld daran sind die Medien, sagt er. Dafür will er Entschädigung – insgesamt 3,25 Millionen Euro. Würde er damit durchkommen, wäre es laut seines prominenten Anwaltes Ralf Höcker „die höchste Geldentschädigung in Deutschland“. Am Mittwoch kam es in Köln zur ersten Verhandlung: Kachelmann hat die „Bild“-Zeitung auf über zwei Millionen Euro verklagt.
Der 56-Jährige fühlt sich verleumdet. Fast kein Medium nimmt er von dem Vorwurf aus, ihn vorverurteilt zu haben – damals, als er wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung in Untersuchungshaft saß und sich später vor Gericht verantworten musste. Der Prozess in Mannheim endete mit Freispruch. Aber bis heute werde er „nachverurteilt“, sagt Kachelmann. Er selbst sei das Einstecken bis zu einem gewissen Maß gewohnt. Aber es gehe auch um seine Familie. Es gehe darum, was seine Kinder über ihn lesen, wenn sie seinen Namen bei Google eingeben. Oder seine 80 Jahre alte Mutter.
Richter empfiehlt Einigung
Kachelmann hat den „Focus“, die „Bunte“und die „Bild“-Zeitung verklagt. Mit dem Boulevardblatt aus dem Springer-Konzern will er den Anfang machen. Seine Forderung: 2,2 Millionen Euro Entschädigung.
Der Vorsitzende Richter Dirk Eßer dürfte den Medienalltag kennen: Er war lange Pressesprecher des Gerichts. Was er am Mittwoch vor- trägt, ist noch keine Entscheidung. Er klärt die beiden Parteien darüber auf, wie das Gericht die Sache derzeit einschätzt: Ja, das Gericht sieht schwere Verletzungen von Kachelmanns Persönlichkeitsrecht durch die Berichterstattung in der „Bild“, aber nicht in dem Maße, wie der Kläger es darstellt. So glaubt das Gericht nicht an eine Medienkampagne gegen den damaligen Angeklagten.
Der Verlagsanwalt Jan Hegemann argumentiert, dass Kachelmann anders als ein unbekannter Normalbür- ger nicht auf eine Geldentschädigung angewiesen sei, um sich Genugtuung zu verschaffen. Er habe schließlich ebenfalls Zugang zu den Medien und sich dort in Interviews gegen alle Vorwürfe verteidigt. Kachelmanns Anwalt Höcker schildert dagegen, wie seine Kanzlei jahrelang damit beschäftigt gewesen sei, gegen alle möglichen Falschdarstellungen in den Medien vorzugehen. „Wir haben in einem gigantischen Ausmaß Unterlassungsansprüche geltend gemacht.“Aber in lange nicht allen Fällen habe man klagen können: „Das Prozesskosten-Risiko wäre zu hoch gewesen.“Kachelmann verfüge nämlich nicht über das Geld, sich durch alle Instanzen zu klagen. Während die Fachjuristen streiten, sitzt Kachelmann wortlos daneben. Er sieht ernst aus.
„Das war nur der Anfang“
Am Ende empfiehlt der Richter den Parteien eine Einigung. Sie sollen miteinander reden. Danach reklamieren beide Seiten Erfolge. Hegemann sagt: „Von der höchsten Geldentschädigung aller Zeiten ist nichts übrig geblieben. Das Gericht hat den Vorwurf einer Medienkampagne von ,Bild’ zurückgewiesen. Auch eine hartnäckige rechtswidrige Berichterstattung sieht das Gericht nicht.“
Kachelmanns Verteidiger Höcker dagegen hebt hervor, dass das Gericht durchaus schwere Verletzungen des Persönlichkeitsrechts sehe. Er erwartet eine beachtliche Entschädigung.
Beim Verlassen des Gerichts spricht Kachelmann darüber, dass man mit Geld gar nicht gutmachen könne, was ihm angetan worden sei. Über die Vorwürfe gegen ihn sei jahrelang groß berichtet worden – was ihn entlaste, sei den Medien dagegen nur eine kurze Notiz wert gewesen. Kachelmann aber will weiterkämpfen vor Gericht. „Das hier ist nur der Anfang.“
Die Richter wollen im Juni ein Urteil sprechen, sollten sich „Bild“und Kachelmann nicht vorab einigen.