Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zentralrat der Juden warnt vor Tragen der Kippa in Problemvierteln
Die Zahl antisemitischer Straftaten hat im vergangenen Jahr um zehn Prozent auf 864 Fälle zugenommen
(dpa) - Der Zentralrat der Juden in Deutschland hält es für gefährlich, in überwiegend von Muslimen bewohnten Vierteln einiger Städte die Kippa zu tragen. Juden sollten sich zwar nicht aus Angst verstecken, und die meisten jüdischen Einrichtungen seien gut gesichert, sagte Ratspräsident Josef Schuster am Donnerstag. Die Frage sei aber, „ob es tatsächlich sinnvoll ist, sich in Problemvierteln, in Vierteln mit einem hohen muslimischen Anteil, als Jude durch das Tragen der Kippa zu erkennen zu geben – oder ob man da besser eine andere Kopfbedeckung trägt“. Es sei eine Entwicklung, die er so vor fünf Jahren nicht erwartet habe, und die ein wenig erschreckend sei.
Der badische Landesrabbiner Moshe Flomenmann pflichtet Schus- ter bei. Die Gefährdung von Juden in Deutschland sei nichts Neues, sondern Realität. „Schließlich haben die Übergriffe auf Juden in den vergangenen Jahren zugenommen“, sagte Flomenmann in Stuttgart. Er erläuterte, die Kippa sei nicht heilig, sondern nur ein Bekleidungsstück, das ein Jude durch eine andere Mütze ersetzen könne, wenn er sich bedroht fühle.
Die Zahl antisemitischer Straftaten hat im vergangenen Jahr in Deutschland stark zugenommen. Wurden 2013 noch 788 Fälle registriert, waren es im vergangenen 864 – ein Anstieg um rund zehn Prozent. Das teilte die Amadeu Antonio Stiftung der „Heilbronner Stimme“(Donnerstag) mit. Die Stiftung beruft sich auf Zahlen der Bundesregierung, die bislang noch nicht veröffentlicht wurden.
Eine ähnlich hohe Zahl antisemitischer Taten gab es demnach zuletzt 2012. Der Projektleiter der Stiftung, Jan Riebe, verwies auf eine hohe Dunkelziffer. „Viele Straftaten werden nicht angezeigt, was auch an der sehr niedrigen Aufklärungsquote liegt.“
Unterdessen gründeten mehrere jüdische Organisationen nach dem Streit um den Expertenkreis Antise- mitismus des Bundesinnenministeriums ein eigenes Netzwerk gegen Judenfeindlichkeit. Mit der Initiative wollten die Amadeu Antonio Stiftung, das American Jewish Committee und das Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam die politische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus weiter befördern, teilten die Organisatoren am Donnerstag in Berlin mit. Die Beteiligten hatten zuvor kritisiert, dass in der Kommission des Innenministeriums jüdische Perspektiven nicht vertreten seien. Die Bundesregierung hatte daraufhin angekündigt, die Zusammensetzung zu überdenken.