Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Vom Biertisch in den Bundestag

Verkehrsmi­nister Dobrindt bringt die Mautpläne ein und erntet Spott

- Von Sabine Lennartz

- Das Hohngeläch­ter setzte schon nach zwei Sätzen des Verkehrsmi­nisters ein. Da bezeichnet­e er die Maut als Schritt hin zur grünen Nutzerfina­nzierung und meinte, an die Grünen gewandt: „Die Bundesregi­erung setzt das um, was Ihnen nicht gelungen ist.“Den Einstieg in die Nutzerfina­nzierung.

Der Spott wurde nicht kleiner, als Alexander Dobrindt das ganze Vorhaben als „europäisch­es Projekt“verkaufte, das von Subsidiari­tät, Solidaritä­t und Gerechtigk­eit geprägt sei. Europäisch­es Projekt? Das war eine Steilvorla­ge für den Linken Herbert Behrens, der Dobrindt mit seinem eigenen alten Zitat vorführte. „Alle anderen wollen Gratisfahr­ten von Ausländern hinnehmen, wir nicht“, hatte Dobrindt damals an bayerische­n Biertische­n im Wahlkampf gesagt. Die CSU hatte ungefähr zeitgleich zur Bundestags­wahl den Wahlkampfh­it Ausländerm­aut entdeckt. Doch jetzt ist Dobrindt Bundesverk­ehrsminist­er und Ausländerm­aut längst umgetauft in „Infrastruk­turfinanzi­erung“. Die Nutzer, auch die ausländisc­hen, tragen zur Finanzieru­ng bei. Gerechtigk­eit finanziere die Straßen, so Dobrindt. „Ich bleibe dabei, die Infrastruk­turabgabe ist fair, sinnvoll und gerecht.“

Nicht nur die Opposition hat da große Zweifel. Denn zum einen gibt es mehrere Gutachten, die die ohnehin geringen Einnahmen der Maut von 500 Millionen im Jahr noch anzweifeln. Gerade zur ersten Lesung des Gesetzes legte der Autofahrer­club ACE eine neue Prognose vor, derzufolge Dobrindts Berechnung­en wenig plausibel seien. Der SPD-Verkehrsex­perte Sören Bartol entschuldi­gte sich quasi schon im voraus: „Wer Koalitione­n eingeht, muss Kompromiss­e schließen.“Er kündigte aber gleich an: „Es gilt das Strucksche Gesetz.“Gemeint ist der alte Spruch des verstorben­en SPD-Fraktionsv­orsitzende­n Peter Struck, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineinkomm­t.

Die Maut aber hat nicht nur eventuelle Änderungen durch das Parlament in Berlin zu überstehen, son- dern sie muss, sobald sie Gesetz ist, auch noch die europäisch­e Ebene passieren, wo es schwerwieg­ende Bedenken gibt. Maut kassieren viele Länder, aber sie nehmen die Abgabe auch von ihren eigenen Bürgern ein. Dobrindt will die aber über die Steu- er entlasten. „Wenn die Kfz-Steuer im Kontext der Einführung von Straßenben­utzungsgeb­ühren verändert wird, sollte dies nicht direkt darauf abzielen, ausländisc­he Fahrzeugha­lter zu benachteil­igen“hatte EUKommissa­r Kallas gewarnt. Wäh- rend Alexander Dobrindt davon ausgeht, dass das Gesetz in vier Wochen vom Bundestag verabschie­det werden kann, mahnt Sören Bartol von der SPD, dass man sich die Zeit nehmen werde, die es braucht.

Oliver Krischer, der grüne Verkehrsex­perte, ging ganz besonders scharf mit Dobrindt ins Gericht. Wenn dieser jetzt Warnanlage­n für Geisterfah­rer plane, dann solle er die erste Anlage vor dem Ministerbü­ro anbringen. Doch es gehe Dobrindt ja auch gar nicht um Verkehrspo­litik, sondern darum, dass eine „rechtspopu­listische Regionalpa­rtei irgendwo im Bermudadre­ieck zwischen AfD, NPD und Pegida auf politische­r Beutefahrt“sei. Krischer hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es noch zu einem Aufstand der Vernunft in der Koalition kommen könnte. Sein Appell richtet sich an Dobrindts Koalitions­partner SPD. „Kompromiss­e schließen heißt nicht, dass Sie Schwachsin­n beschließe­n müssen.“

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FOTO: DPA Nichts zu lachen hatte Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt gestern bei der Vorstellun­g der Mautpläne.

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