Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Neuer Ärger über Athen
Schäuble „fassungslos“wegen Varoufakis – Mehrheit für Hilfsprogramm steht dennoch
- Die Spitzen der Großen Koalition können aufatmen: Die eigene Mehrheit für die Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland scheint gesichert.
Einstimmig fiel das Votum der SPD-Bundestagsfraktion am Donnerstag in der Sondersitzung aus. In den Reihen der Union gab es 22 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Die Probeabstimmungen sind also gelungen, und das bedeutet grünes Licht in Richtung Brüssel und Athen vor der Entscheidung des Bundestages heute in Berlin. Die Griechen wollen vier Monate mehr Zeit bekommen, doch die Verlängerung der Hilfen ist noch nicht unter Dach und Fach. Die jüngsten Nachrichten aus Athen ließen die Parlamentarier in Berlin wieder aufhorchen, der Zweifel wächst.
Gerade erst hatte die Regierung Tsipras in einem Brief versichert, auf Reformkurs bleiben zu wollen, da stellte Finanzminister Gianis Varoufakis die Garantien auch schon wieder infrage, forderte erneut einen Schuldenschnitt für sein Land und drohte den europäischen Kollegen: „Wenn ihr denkt, ihr tut gut daran, progressive Regierungen wie unsere zur Strecke zu bringen, dann macht euch auf das Schlimmste gefasst“, erklärte er in einem Interview.
„Halbstarke Sätzen“
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte seinem Unmut mächtig Luft: „Fassungslos“sei er über die jüngsten Äußerungen seines griechischen Kollegen, erklärte er nach Teilnehmerangaben in der Sondersitzung der Unionsfraktion. Er könne nicht erkennen, dass die griechische Regierung etwas tue, „um uns das Leben leichter zu machen“. Die griechische Regierung strapaziere die „Solidarität der europäischen Partner“. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach von „halbstarken Sätzen“aus Athen.
In der Union mehren sich die Kritiker, die den Kurs nicht mehr mittragen wollten – und es sind keineswegs nur unbekannte Namen, sondern auch ehemalige Bundesminister. So kündigte Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) an, heute mit Nein zu stimmen. Auch der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (ebenfalls CSU) bleibt bei seiner kritischen Haltung und warnt vor Zugeständnissen. „Wenn wir in den nächsten vier Monaten gegenüber Griechenland einknicken, dann fliegt uns die gesamte Haushaltsdisziplin in Europa um die Ohren. Andere Länder könnten den Umgang mit Griechenland geradezu als Einladung verstehen, „um ihre Haushaltsdisziplin schleifen zu lassen“.
Wie CSU-Vize Peter Gauweiler will auch CDU-Mann Wolfgang Bosbach, der dem ersten Griechenland- Paket noch zugestimmt hatte, dem zweiten aber nicht mehr, heute mit Nein votieren. Weil er sich nun zum wiederholten Male gegen die Mehrheit in seiner Fraktion stellt, denkt Bosbach nun über einen Abschied aus der Politik nach.
Schäuble hatte zuletzt energisch um Zustimmung geworben. Einer, der ihn lange kennt, beobachtet inzwischen allerdings Veränderungen und erkennt Zwischentöne in Schäubles Argumentationen: „Er spricht es nicht offen aus. Aber er weiß sehr genau, dass bald der Moment auf ihn zukommen könnte, in der er mit seiner Autorität eine Mehrheit gegen Griechenlands Verbleib in der Eurozone organisieren muss.“
Die Entscheidung heute ist nur eine erste Weichenstellung in der Griechenland-Politik. Tsipras habe in den vergangenen Tagen alles unterschrieben, was man ihm vorgelegt habe. Die Frage sei nur, ob dem in den nächsten Wochen auch Taten folgen, heißt es in Berlin.