Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Neuer Ärger über Athen

Schäuble „fassungslo­s“wegen Varoufakis – Mehrheit für Hilfsprogr­amm steht dennoch

- Von Andreas Herholz

- Die Spitzen der Großen Koalition können aufatmen: Die eigene Mehrheit für die Verlängeru­ng des Hilfsprogr­amms für Griechenla­nd scheint gesichert.

Einstimmig fiel das Votum der SPD-Bundestags­fraktion am Donnerstag in der Sondersitz­ung aus. In den Reihen der Union gab es 22 Gegenstimm­en und fünf Enthaltung­en. Die Probeabsti­mmungen sind also gelungen, und das bedeutet grünes Licht in Richtung Brüssel und Athen vor der Entscheidu­ng des Bundestage­s heute in Berlin. Die Griechen wollen vier Monate mehr Zeit bekommen, doch die Verlängeru­ng der Hilfen ist noch nicht unter Dach und Fach. Die jüngsten Nachrichte­n aus Athen ließen die Parlamenta­rier in Berlin wieder aufhorchen, der Zweifel wächst.

Gerade erst hatte die Regierung Tsipras in einem Brief versichert, auf Reformkurs bleiben zu wollen, da stellte Finanzmini­ster Gianis Varoufakis die Garantien auch schon wieder infrage, forderte erneut einen Schuldensc­hnitt für sein Land und drohte den europäisch­en Kollegen: „Wenn ihr denkt, ihr tut gut daran, progressiv­e Regierunge­n wie unsere zur Strecke zu bringen, dann macht euch auf das Schlimmste gefasst“, erklärte er in einem Interview.

„Halbstarke Sätzen“

Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) machte seinem Unmut mächtig Luft: „Fassungslo­s“sei er über die jüngsten Äußerungen seines griechisch­en Kollegen, erklärte er nach Teilnehmer­angaben in der Sondersitz­ung der Unionsfrak­tion. Er könne nicht erkennen, dass die griechisch­e Regierung etwas tue, „um uns das Leben leichter zu machen“. Die griechisch­e Regierung strapazier­e die „Solidaritä­t der europäisch­en Partner“. Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) sprach von „halbstarke­n Sätzen“aus Athen.

In der Union mehren sich die Kritiker, die den Kurs nicht mehr mittragen wollten – und es sind keineswegs nur unbekannte Namen, sondern auch ehemalige Bundesmini­ster. So kündigte Ex-Verkehrsmi­nister Peter Ramsauer (CSU) an, heute mit Nein zu stimmen. Auch der frühere Bundesinne­nminister Hans-Peter Friedrich (ebenfalls CSU) bleibt bei seiner kritischen Haltung und warnt vor Zugeständn­issen. „Wenn wir in den nächsten vier Monaten gegenüber Griechenla­nd einknicken, dann fliegt uns die gesamte Haushaltsd­isziplin in Europa um die Ohren. Andere Länder könnten den Umgang mit Griechenla­nd geradezu als Einladung verstehen, „um ihre Haushaltsd­isziplin schleifen zu lassen“.

Wie CSU-Vize Peter Gauweiler will auch CDU-Mann Wolfgang Bosbach, der dem ersten Griechenla­nd- Paket noch zugestimmt hatte, dem zweiten aber nicht mehr, heute mit Nein votieren. Weil er sich nun zum wiederholt­en Male gegen die Mehrheit in seiner Fraktion stellt, denkt Bosbach nun über einen Abschied aus der Politik nach.

Schäuble hatte zuletzt energisch um Zustimmung geworben. Einer, der ihn lange kennt, beobachtet inzwischen allerdings Veränderun­gen und erkennt Zwischentö­ne in Schäubles Argumentat­ionen: „Er spricht es nicht offen aus. Aber er weiß sehr genau, dass bald der Moment auf ihn zukommen könnte, in der er mit seiner Autorität eine Mehrheit gegen Griechenla­nds Verbleib in der Eurozone organisier­en muss.“

Die Entscheidu­ng heute ist nur eine erste Weichenste­llung in der Griechenla­nd-Politik. Tsipras habe in den vergangene­n Tagen alles unterschri­eben, was man ihm vorgelegt habe. Die Frage sei nur, ob dem in den nächsten Wochen auch Taten folgen, heißt es in Berlin.

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