Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Moralisches Armutszeugnis
Zum Artikel „ 60 Prozent bezweifeln Demokratie in Deutschland“( 24.2.): Das Ergebnis des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap sollte alle Bürger und die gesamte Presselandschaft in Deutschland aufrütteln. Wenn 60 Prozent der Bürger mittlerweile glauben, dass hier keine echte Demokratie herrscht, dann läuft schon seit Jahren etwas komplett schief. Wer hat denn zur marktkonformen Demokratie aufgerufen? Das war nicht die inzwischen (zurecht) fast verschwundene FDP, sondern unsere Bundeskanzlerin, die doch angeblich so viel Zustimmung im Lande genießt. Wenn mittlerweile laut Umfrage jeder Dritte meint, dass der Kapitalismus zu Armut und Hunger führt, dann ist das ein moralisches Armutszeugnis für alle Politikprofis, die an den Visionen für zukünftige Gesellschaftsformen arbeiten und sich nur einseitig dem Kapitalismus verschrieben haben. Oder wäre der Sozialismus, einmal richtig realisiert, vielleicht doch eine gute Idee? Ausgehend von der mittlerweile unbestrittenen Politikverdrossenheit vieler Bürger in unserem Land, sind die demokratischen Parteien gefordert, sich wieder mehr dem Wohlergehen des gemeinen Bürgers zu widmen und den Lobbyismus der Wirtschaft deutlich in die Schranken zu weisen.
Ravensburg
Rechtsstaatlichkeit ausgehebelt?
Zum Artikel „Gabriel kämpft für Freihandel“( 23.2.): Die „Schwäbische Zeitung“berichtet, dass Ceta (Freihandelsabkommen mit Kanada) ausgearbeitet ist und auf die gemeinsame Verabschiedung wartet. Ceta dient allgemein als Indikator hinsichtlich des weit bedeutenderen Freihandelsabkommens TTIP mit den USA. SPD-intern wird über ein online-Forum eine Diskussion zur Schaffung von Transparenz bezüglich der Bedenken zu TTIP ermöglicht. Es gibt sicherlich vielschichtigste Aspekte bei einem solchen Abkommen zu bedenken und zu diskutieren. Aus diesem Grund ist es bestimmt gut, Foren zu schaffen, wo Bürger ihre Bedenken äußern können. Aber Transparenz ist noch kein Versprechen der Durchsetzung strenger Auflagen. Eine Frage, die meines Erachtens das größte Risiko birgt, und die sich mir bislang einfach nicht erschließen mag ist: Weshalb benötigen rechtsstaatlich organisierte Nationen außergerichtliche Schiedsgerichte zur Klärung von Schadensersatzansprüchen von Unternehmen? Meine Befürchtung liegt darin, dass nicht die Gerichtsbarkeit entlastet, sondern die Rechtsstaatlichkeit ausgehebelt werden soll.
Laupheim
Um Inhalte kümmern
Zum Artikel „ Auf Werbetour für TTIP“( 24.2.): Alles ist gut, solange es der Wirtschaft gut geht? Wie will TTIP Wohlstand und Arbeitsplätze sichern? Selbst die gewagtesten Hochrechnungen erwarten je nach Vertragsintensität einen Wirtschaftszuwachs von nur wenigen Prozent. Wenn alle TTIP-Wünsche umgesetzt werden erwarten uns rund 5 Prozent Zuwachs. Wenn wir aber unsere Umwelt-, Verbraucherschutz- und Arbeitnehmerstandards behalten wollen, erwarten uns nur noch rund 0,5 Prozent Zuwachs. Das entspräche dann noch etwa sechs Euro pro Kopf und Monat. Es wäre den Befürwortern von TTIP anzuraten, sich neben der Transparenz auch um Inhalte zu kümmern. Es nützt nichts, wenn ich das Gefäß zeige, dieses aber randvoll mit Spekulationen und Übervorteilung ist. Womit wir ja wieder beim trojanischen Pferd wären.
Attenweiler
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