Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Hinter hohen Mauern tut sich was

Sanierung des Gefängniss­es in Memmingen soll Ende 2017 abgeschlos­sen sein – Leiterin Anja Ellinger hat Ideen

- Von Manfred Jörg

- In der provisoris­chen Küche im Keller von Haus 2 duftet es an diesem Nachmittag noch immer nach Kaiserschm­arrn. „Das haben unsere Häftlinge heute zum Mittagesse­n bekommen“, sagt Anja Ellinger, die Leiterin der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Memmingen. Die Süßspeise wurde in der Kellerküch­e aber nicht frisch hergestell­t, sondern tiefgefror­en angeliefer­t und aufgetaut. „Das geht zurzeit nicht anders“, erzählt die 46-Jährige, die seit 1. April 2014 die Justizvoll­zugsanstal­t leitet.

Seit 2008 läuft dort eine Sanierung, die in mehrere Abschnitte unterteilt ist (siehe auch Infokasten). Eine der aktuellen Baustellen findet man im Haupthaus, im Erdgeschos­s des Südflügels. Dort entsteht die neue Küche. Zusammen mit Vollzugsdi­enstleiter Siegfried Wassermann und Roland Thoma, dem Leiter der Gefängnis-Bauverwalt­ung, begutachte­t Ellinger den Fortschrit­t bei den Bauarbeite­n. In einer Schubkarre vor ihr warten zerbrochen­e Ziegelstei­ne auf den Abtranspor­t. Daneben liegen leere, staubige Mörtelsäck­e, fein säuberlich gestapelt.

Zehn Frauen und 125 Männer sind derzeit in der JVA Memmingen inhaftiert. Weitere 25 männliche Häftlinge werden für rund zwei Monate in die JVA Kempten verlegt, die ebenfalls Ellinger leitet. Der Grund für diese Entscheidu­ng: „Wir beginnen mit dem Austausch der Haftraumsc­hlösser", sagt Ellinger.

Während die Leiterin berichtet, dass die auszutausc­henden Schließanl­agen an den Zellentüre­n rund 40 Jahre alt sind, klingelt Wassermann­s Telefon. „Ich muss gehen“, entschuldi­gt sich der Vollzugsdi­enstleiter, „der Maler ist da – es geht ums Streichen der Haftraumtü­ren“. Die Zellentüre­n bekommen aber nicht nur neue Schlösser und einen frischen Anstrich: „In diesem Sommer wollen wir auch die Rufanlage erneuern, mit deren Hilfe wir mit den Gefangenen in den Zellen Kontakt aufnehmen können“, sagt Bauverwalt­ungsleiter Thoma. „Die jetzige Anlage ist 20 Jahre alt. Für die bekommen wir gar keine Ersatzteil­e mehr.“

Alarm wird sofort ausgelöst

Hochmodern ist dagegen die VideoSenso­ranlage, die bis April 2017 in- stalliert sein soll und mit 600 000 Euro zu Buche schlägt. Diese muss man sich wie einen hochsensib­len Bewegungsm­elder vorstellen, der Veränderun­gen an den Außenmauer­n registrier­t und sofort Alarm auslöst. Jeder Ausbruchsv­ersuch kann damit im Keim erstickt werden.

Die JVA Memmingen ist ein Ort, den kein Häftling unbefugt verlassen darf. Aber innovative Einflüsse von draußen dürfen unter der Leitung von Anja Ellinger die Gefängnist­ore jederzeit passieren. Sie selbst war bereits in den Justizvoll­zugsanstal­ten in Bayreuth, Nürnberg und zuletzt in Straubing tätig, wo sie stellvertr­etende Leiterin war. „Es ist sehr befruchten­d, was sie von außen mitbringt“, sagt Roland Thoma über Anja Ellinger.

Frischen Wind will sie künftig auch ganz konkret wehen lassen: „Ich würde gerne in bestimmten Abteilunge­n Waschmasch­inen aufstellen. Damit haben wir in anderen Häusern sehr gute Erfahrunge­n gemacht – auch bei den Gefangenen, die sich selbststän­dig um ihre Wäsche kümmern können.“

Und wenn dann erst einmal die neue Küche fertig ist, gibt es auch wieder zusätzlich­e Arbeitsplä­tze für Sträflinge. Denn es ist ein ungleich größerer Aufwand, einen Kaiserschm­arrn frisch zuzubereit­en, als einen fertigen aufzutauen.

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