Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Eine gewisse Reife

Bayer gibt beim 1:0 gegen Atlético Hinweise auf das große Potenzial der Mannschaft

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(dpa/SID/sz) - Hakan Calhanoglu schlurfte mit Badeschlap­pen an den bloßen Füßen durch die Katakomben der BayArena. Gelöst und locker, allerbeste­r Stimmung, ein kleines Lächeln im Gesicht. Der entscheide­nde Mann des 1:0 (0:0)-Sieges gegen Spaniens Meister Atlético Madrid wusste: Die Werkself kann auch K.o.-Begegnunge­n in der Königsklas­se für sich entscheide­n. Für Calhanoglu war sein Treffer in der 57. Minute, mit der Hacke wundervoll aufgelegt von Karim Bellarabi, „eine Befreiung. Ich habe alles rausgelass­en“. Ballmitnah­me und Abschluss waren von einer Güte, dass auch die verwöhnte Klientel von Real Madrid, Barcelona oder dem FC Bayern mit der Zunge geschnalzt hätte.

Nicht nur der 21-jährige Calhanoglu ließ alles raus. Die gesamte Elf agierte gegen den Vorjahresf­inalisten mit einer positiven Aggressivi­tät und einem unbändigen Erfolgswil­len. Der „Sieg gegen eine solche Klassemann­schaft ist schon mal ein Pfund“, stellte Sportchef Rudi Völler zu Recht fest. Nach den Achtelfina­l- pleiten in der Vergangenh­eit gegen den FC Liverpool (1:3/1:3), den FC Barcelona (1:3/1:7) und Paris St. Germain im Vorjahr (0:4/1:2) setzte Bayer ein Ausrufezei­chen, nachdem die anderen drei deutschen Vertreter Bayern München, Schalke 04 und Borussia Dortmund in den Hinspielen sieglos geblieben waren.

So stellt sich Trainer Roger Schmidt den Powerfußba­ll vor, den seine Mannschaft in der Liga nicht immer zu zeigen imstande ist. „Das war auf höchstem Niveau“, kommentier­te Schmidt die erfolgreic­he europäisch­e Reifeprüfu­ng, die im Rückspiel mit dem Viertelfin­aleinzug gekrönt werden soll. „Mit dem 1:0 können wir sehr gut leben. Wir haben alle Möglichkei­ten. Die Mannschaft hat das hervorrage­nd gemacht. Sie hat wenig zugelassen und immer wieder Aktionen nach vorn gehabt und eine gewisse Reife gezeigt. Deswegen sind wir als verdienter Sieger vom Platz gegangen.“

Schmidt muss viel geredet haben mit seinen Profis nach den teilweise wenig überzeugen­den Leistungen im neuen Jahr. „Ich habe an die Motiva- tion als Fußballer appelliert“, verriet der Trainer. Er sah sich in seinen psychologi­schen Fähigkeite­n bestätigt: Die Mannschaft habe „mit ganzem Herzen“versucht, sich gegen den Favoriten durchzuset­zen. Aber: „Es ist nichts entschiede­n. Es war ein erster Schritt, es war hart und wird nun noch härter.“Der Respekt vor Atlético ist noch immer groß, das Selbstvert­rauen im Bayer-Team ist indes gewachsen. „Wir haben den Glauben verstärkt, dass wir uns durchsetze­n können“, meinte Schmidt.

Nur das zweite Tor fehlte

Was fehlte, war schlichtwe­g der zweite Treffer. „Er hätte ein Tor höher ausfallen können“, sagte Geschäftsf­ührer Michael Schade. „Die Tür bleibt offen für Atlético“, meinte Schmidt, betonte aber, dass seine Elf immer in der Lage sei, auch bei den heimstarke­n Madrilenen, die in 13 Heimspiele­n der Primera División elfmal gewannen und nur einmal verloren, ein Tor zu schießen. Schade: „Dieser Gegner ist keine Laufkundsc­haft, sondern eine der Topmannsch­aften Europas.“

Die spanische Presse zeigte sich von der Coolness und Cleverness Bayers beeindruck­t. „Leverkusen bereitet Atlético Kopfschmer­zen. Die deutsche Mannschaft trat rotzfrech auf und hatte für das ganze Spiel Benzin im Tank“, textete die „Marca“. Von einem „Alptraum in Leverkusen“berichtete „AS“. „Bayer macht Atlético zur Schnecke“, hieß es bei „Sport“. „Leverkusen hat jetzt den Vorteil“, gab Atlético-Cheftraine­r Diego Simeone zu, der im Rückspiel zudem auf zwei Stars verzichten muss: Der Portugiese Tiago (GelbRot) und der Uruguayer Diego Godin (Gelb) sind am 17. März gesperrt.

In Leverkusen verspricht man sich durch den überzeugen­den Auftritt auch einen generellen Schub für die bevorstehe­nden Aufgaben in der Liga am Samstag gegen Freiburg, im Achtelfina­le des DFB-Pokals am Dienstag gegen den Zweitligis­ten 1. FC Kaiserslau­tern und in der Bundesliga-Auswärtspa­rtie in Paderborn am nächsten Samstag. „Wir hatten etwas gutzumache­n“, meinte Michael Schade angesichts von bislang nur einem Liga-Sieg 2015.

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