Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Voll im Angriffsmodus
Mit der ihm derzeit eigenen Souveränität springt Severin Freund zu Gold von der Großschanze
(SID/dpa) - Als Severin Freund der ganz große Wurf gelungen war, stürmten die Teamkollegen auf den neuen Skisprung-Weltmeister zu und ließen ihn johlend hochleben. Mit dem überlegen gewonnenen WMGold auf der Großschanze von Falun hat der 26-Jährige seine bisherige Karriere gekrönt und gehört nun zu den ganz großen deutschen Springern der Kategorie Sven Hannawald, Martin Schmitt und Jens Weißflog.
„Das braucht ein bisschen Zeit, bis ich das begriffen habe. Es war ein absolut geiler Wettkampf, in dem alles für mich gespielt hat und alles aufgegangen ist. Ich hatte zweimal brutal viel Spaß, einfach unglaublich!“, sagte Freund, dem im zweiten Durchgang mit 135,5 Metern ein Schanzenrekord gelungen ist. „Ich bin voll im Angriffsmodus geblieben. Wenn man auf Sicherheit geht, verliert man meistens“, sagte Freund, der die gesamte Weltelite deklassierte.
Der Mann vom WSV DJK Rastbüchl verwies auf dem großen Lugnet-Bakken mit 268,7 Punkten den Österreicher Gregor Schlierenzauer (246,4) und Normalschanzen-Weltmeister Rune Velta aus Norwegen (242,9) auf die Plätze und holte als erster Deutscher seit Martin Schmitt 2001 in Lahti den WM-Titel. Mit Sprüngen auf 134,0 und 135,5 Meter gewann der seit Wochen wie entfesselt springende Niederbayer im dritten Wettbewerb von Falun seine dritte Medaille, zuvor hatte er bereits Silber von der Normalschanze und Gold im Mixed gewonnen.
„Ich bin schon sehr gerührt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal einen Weltmeister abwinken darf“, sagte Bundestrainer Werner Schuster und suchte nach den richtigen Worten: „Das ist der vorläufige Höhepunkt für Severin. Das ist ein ganz bewegender Moment. Ich kann ihm nur von Herzen gratulieren, das war ein fantastischer Wettkampf.“
Freund ist mit seinem Sieg nicht nur der bislang erfolgreichste Teilnehmer der Titelkämpfe in Falun, er verhalf der deutschen Mannschaft auch zu einer historischen Bestmarke: Insgesamt hat das DSV-Team in Schweden nun schon fünf Goldmedaillen gesammelt und damit den Rekord der DDR-Nordischen aus dem Jahr 1974 eingestellt.
Der aktuelle Weltcup-Dritte Freund zeigte exakt ein Jahr nach seinem Weltcup-Sieg an gleicher Stelle eine eindrucksvolle Leistung. Schon nach dem ersten Durchgang hatte er beruhigende 4,8 Punkte Vorsprung auf Bardal. „Ich habe das richtige Luftpolster gefunden. Jetzt heißt es hoffen. Ich vertraue darauf, dass ich das nötige Glück haben werde“, sagte Freund. Das Hoffen half: Freund sprang im zweiten Durchgang Schanzenrekord und baute vor den Augen von Schwedens König Carl Gustaf seinen Vorsprung auf unglaubliche 22,3 Zähler aus. „Er ist offensiv geblieben, und das ist mit der Goldmedaille belohnt worden“sagte Werner Schuster.
Markus Eisenbichler (Siegsdorf) und Richard Freitag (Aue) belegten die Plätze zehn und 15. Im Falle des Weltcup-Neulings aus Bayern ein starkes Resultat nach feiner Leistung. Aber Nebensache an diesem 26. Februar 2015. Markus Eisenbichler: „Das interessiert mich heute gar nicht. Ich freue mich einfach nur für Severin.“
Andreas Wellinger tat das notgedrungen im Mannschaftshotel vor dem Fernseher. Kurzfristig hatte der 19-Jährige passen müssen. „Er hat Anzeichen eines Magen-Darm-Virus. Unter diesen Umständen hat ein Start keinen Sinn“, sagte Mannschaftsarzt Florian Porzig. Bitter war Wellingers Ausfall auch für Michael Neumayer, der das interne Trainingsduell mit Wellinger verloren hatte, allerdings nicht mehr nachrücken durfte.
Ob mit Wellinger oder ohne: Für Severin Freund & Co. bietet sich am Samstag die vierte Medaillenchance von Falun. Im Teamspringen geht das DSV-Quartett als Olympiasieger und damit als Mitfavorit an den Start, ärgste Rivalen dürften Norwegen und Polen sein. „Am Samstag geben wir noch einmal alles“, sagte Severin Freund, der Großschanzen-Weltmeister: „Wir haben noch lange nicht genug.“