Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Auf Skiern aufgewachsen
Der zweifache Olympiateilnehmer Hans Rudhart erzählt
- Wenn der 71-jährige Hans Rudhart aus seinem Leben erzählt, dann ist es am Besten, man sitzt warm eingewickelt in eine Decke und hat eine Tasse heißen Tee in der Hand. Denn es spielt sich fast alles im Winter ab. „Früher, als ich in die Schule gegangen bin, lief ich mehrere Monate auf Skiern dorthin“, erzählt Rudhart, der auf einem Hof zwischen Isny und Maierhöfen geboren und aufgewachsen ist. „Einen richtigen Weg oder eine Straße gab es von Biesen nach Birkach hinüber nicht.“Alle Kinder von Klasse eins bis acht saßen in einem Klassenzimmer und wurden gemeinsam unterrichtet. 42 Kinder befanden sich in einem Raum und halfen sich gegenseitig, „gar kein schlechtes Konzept“, findet er.
Rudhart beginnt zu erzählen. „In den Pausen haben wir draußen Schanzen gebaut und sind mit unseren normalen Holzskiern hinunter gesprungen.“Oder: „Wenn in Isny Jugendskitag war, haben die Birkacher mitgemacht und waren immer vorne mit dabei.“. Stattgefunden hat das an der Felderhalde, wo er zusammen mit seinem Sohn heutzutage den Felderhaldelift betreibt. Damals gab es noch keinen Lift, aber eine kleine Sprungschanze – und hingekommen ist er natürlich auf Skiern.
Das war sein erster Kontakt mit der „nordischen Kombination“. In dieser Disziplin hat Rudhart sich später zwei Mal für die olympischen Winterspiele qualifiziert.
„Die Siegerehrung des Jugendskitags war im Strauß in Isny, da gab es Würstchen und Tee. Das war für uns Kinder etwas ganz Besonderes“, erinnert sich der passionierte Wintersportler. Ein richtiges Training hat damals niemand organisiert, umso wichtiger war der eigene Drang, sich mit anderen zu messen. Gespurte Loipen gab es auch nicht, und richtige Schanzen zum Üben waren zu weit weg. Aber die ehemalige „Dinkelacker-Schanze“an der Felderhalde, die vor allem vor dem zweiten Weltkrieg besprungen worden ist, reparierte er zusammen mit einem seiner Weggefährten: Sepp Mechler, langjähriger Vorsitzender des WSV Isny und Schulleiter der Isnyer Hauptschule. Dort schufen sie sich wenigstens eine Übungsmöglichkeit. „Wir hatten ja keine Ahnung, wie es genau geht. Manchmal war es mehr Glück als Verstand, dass nichts Schlimmeres passiert ist“, sagt Rudhart. „Und Langlauf haben wir damals sowieso gemacht“, das sei der Grund gewesen, dass er bei Bezirksmeisterschaften gestartet sei. Anfang der 60er-Jahre wurden sie als Jugendmannschaft Staffelmeister bei den Schwäbischen Meisterschaften. Hermann Fritzenschaft war damals Jugendleiter beim WSV Isny und organisierte daraufhin ein Training. „Getroffen hat man sich immer beim Franz Hummel, dem damaligen Eigentümer des Hofs und Gasthaus Krone in Isny. Bis ich dort war, hatte ich schon vier Kilometer auf den Skiern hinter mir“, erzählt Rudhart.
Nach der Schule machte Rudhart eine Lehre zum Elektriker. Er hatte aber immer im Hinterkopf, dass er sportlich weiter kommen wollte. Beim Zoll in Oberstdorf nahm er im Februar 1965 eine Stelle an. Wohnen konnte er bei einem Kollegen, der ebenfalls ambitionierter Langläufer war. Dennoch blieb Rudhart die Bundeswehr nicht erspart, bei den Gebirgsjägern in Mittenwald absolvierte er seinen Grundwehrdienst. Dort lernte er 1966 Franz Keller kennen, der als Soldat in der Sportförderkompanie bessere Voraussetzungen zum Training hatte. „Das waren Welten“, berichtet Rudhart, der daraufhin am Wochenende immer eine Trainingseinheit mehr einlegte, um besser zu werden. In Garmisch konnte er die dortigen Schanzen zum Skispringen nutzen. „Wir hatten damals die Arme schon hinten und die Ski parallel“, erklärt er die Technik.
1967 nahm Rudhart erstmals an einer Hans Rudhart internationalen Veranstaltung teil, die er als fünftbester Deutscher beendete. Eine Woche später bekam er eine Mitteilung des damaligen Trainers, dass er ab jetzt Mitglied in der deutschen Nationalmannschaft sei. Dann, 1968, war es so weit: die Qualifikation für die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Grenoble/Frankreich war geschafft. „Ich hatte die Startnummer 9“, erinnert sich Rudhart. „Beim Springen erreichte ich auf Anhieb 73 Meter, der Schanzenrekord stand bei 74 Metern. Die Veranstalter haben daraufhin die Qualifikation abgebrochen. Im folgenden Langlauf für die nordische Kombination war ich dagegen nicht der Beste, insgesamt siegte Franz Keller.“
Wieder zurück, trainierte Rudhart neben seiner Arbeit beim Zoll weiter und konnte so alle wichtigen Wettkämpfe in Deutschland 1971 gewinnen. Zum Beispiel das letzte Pokalspringen, das am Iberg stattfand. Der DSV bescheinigte ihm, einer der besten Skispringer seiner Zeit zu sein.
Die Olympischen Spiele in Sapporo/Japan 1972 standen jedoch nicht unter einem glücklichen Stern für Rudhart. Nachdem er sämtliche Ausscheidungswettbewerbe gewonnen hatte, erwischte ihn eine Virusinfektion, die seiner Siegesserie ein Ende setzte. Dennoch bereitete er sich erfolgreich auf die Weltmeisterschaften in Falun/Schweden vor. Durch einen Eklat mit dem damaligen Trainer Ralph Pöhland verlor Rudhart jedoch seinen Platz in der Nationalmannschaft der nordischen Kombinierer – damit endete seine Aktivenzeit. Danach übernahm er auf Anfrage des Deutschen Skiverbands für vier Jahre als Trainer den Olympia-Stützpunkt Bayern-Südwest.
1973 heiratete Rudhart, und 1976 zog es ihn wieder in die Heimat zurück. Er wohnt seitdem wieder in Biesen, wo er aufgewachsen ist und viele Winter verbracht hat. Er gründete die Schnee-Sport-Schule Rudhart, die er inzwischen, wie den Felderhaldelift, gemeinsam mit seinem Sohn Marc betreibt.
Ein weiterer Meilenstein: 1983 bot er dem damaligen Tourismusbüro an, einen kostenlosen Langlaufkurs zu machen. Die „Isnyer Langlaufwoche“war geboren, die es bis heute gibt und sich ungebrochener Beliebtheit erfreut. Trainer ist er dabei immer noch selbst und gibt dabei Tipps und seinen reichen Erfahrungsschatz gerne weiter.
„Manchmal war es mehr Glück als Verstand, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“