Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Anreiz und Wirkung
Trotz Förderung fahren in Deutschland nur wenige E-Autos – Andere Länder machen das besser
- Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist groß. Kanzlerin Angela Merkel hat ihr Ziel, in Deutschland bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, aufgegeben. Anfang dieses Jahres fuhren gerade einmal 34 022 solcher Autos auf deutschen Straßen. 2016 haben Behörden 25 254 Elektrohybride – also Autos, die sowohl einen Elektro- als auch einen Verbrennungsmotor haben – und Plug-in-Hybride – also Fahrzeuge, deren Batterie nicht nur durch den Verbrennungsmotor, sondern auch stationär am Stromnetz aufgeladen werden kann – zugelassen. Der Absatz von reinen Elektrautos ging sogar um 7,7 Prozent auf 11 410 Autos zurück. Damit liegt die Bundesrepublik trotz Förderung des Kaufs eines Elektroautos mit 5000 Euro und eines Hybrids mit 4000 Euro sowie temporärer Steuerbefreiung im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld.
Das ist das Ergebnis einer Studie des auf den Mittelstand spezialisierten Beratungsunternehmens Ecovis, das mithilfe von Partnerkanzleien in weltweit 34 Ländern erkundet hat, mit welchen staatlichen Hilfen der EMobilität zum Druchbruch verholfen werden soll. Denn in vielen Ländern fördern Regierungen mit finanziellen Anreizen den Kauf von Elektround Plug-in-Hybridfahrzeugen.
Und viele andere Länder sind da wesentlich großzügiger als Deutschland. In Südkorea fördert der Staat den Kauf eines Elektroautos mit bis zu 11 450 Euro. Dazu kommen auf lokaler Ebene bis zu 9800 Euro. Mehr gibt es laut Ecovis sonst nirgends. China fördert die Anschaffung solcher Fahrzeuge mit bis zu 9800 Dollar pro Fahrzeug. Zudem entfallen Kfzund Kaufsteuer. „In der Volksrepublik fließt die Kaufförderung direkt an die Hersteller, was den Verkaufspreis attraktiver macht“, erläutert Richard Hoffmann, Ecovis-Partner in Peking.
Der Ecovis-Studie zufolge locken 56 Prozent der untersuchten Länder mit Anschaffungsprämien. „Bis auf wenige Ausnahmen gibt es den Zuschuss sowohl für reine Elektro- als auch für Hybridautos, ganz gleich ob es sich um Privat- oder Firmenwagen handelt“, sagt Ecovis-Vorstand Alexander Weigert. Für Plug-in-Hybride sind die Subventionen meist geringer. Viele Länder setzen auf einen Maßnahmenmix aus Kaufanreizen und den Verzicht auf Kfz-Steuern, Importzölle und Kaufsteuern. Gar keine Förderung gibt es in Australien, Polen, Tschechien und Serbien.
Trotz der teils umfangreichen Hilfen kommen Elektro- und Hybridfahrzeuge in den meisten Ländern aber meist nur auf sehr geringe Marktanteile. Ein Zusammenhang zwischen Höhe der Förderung und Absatz ist nach Ansicht von Stefan Bratzel, Chef des Bergisch-Gladbacher Center of Automotive Management (Cam), nicht zwingend. In den meisten Industrieländern liegen die Markteinteile etwas über einem Prozent, in Deutschland mit 0,75 Prozent deutlich darunter. „Wir haben kein Nachfrageproblem sondern ein Angebotsund Technologieproblem“, glaubt Bratzel. Die Nachfrage nach solchen Fahrzeugen werde sich erst dann beleben, wenn es genug Ladestationen gebe die Aufladezeiten sinken und die Reichweite der Fahrzeuge steige.
Elektroautos gegen Smog
Es gibt aber Länder, die weiter sind. In China wurden im vergangenen Jahr 507 000 Elektroautos verkauft. 20 Prozent waren Plug-in-Hybride, der Rest reine Elektrofahrzeuge. Um die katastrophale Umweltbelastung in chinesischen Metropolen zu verbessern, müssen die Hersteller den Anteil emissionsfreier Autos bis 2020 auf zwölf Prozent erhöhen.
Europas Vorzeigemarkt für Elektround Hybridfahrzeuge ist Norwegen, Dort wurden im Jahr 2016 laut Cam 45 000 Elektroautos neu zugelassen. Den Marktanteil bei den Neuzulassungen gibt das Institut mit 29 Prozent an. In dem skandinavischen Land sind Autos um 50 bis 100 Prozent teurer als hierzulande. Die Subventionen für Elektroautos sind dabei enorm hoch: Für sie entfällt nicht nur die hohe Mehrwertsteuer von 25 Prozent, sondern auch die Importsteuer und die Abgasabgabe. Ein Elektro-Golf kostet damit 8800 Euro weniger als ein konventioneller Golf. Auch der Unterhalt ist deutlich günstiger. Wer ein Elektroauto hat, muss keine Autobahngebühren zahlen, darf fast überall Busfahrspuren benutzen, kann auf kommunalen Parkplätzen kostenlos parken und an den 1727 Ladestationen im Land häufig gratis aufladen. Norwegen will so die Kohledioxidemissionen bis 2020 auf 85 Gramm pro Kilometer senken.
Generell werde der Durchbruch der Elektromobilität noch einige Jahre dauern, vermutet Bratzel. „Aufgrund technologischer Innovationen und veränderter politischer Rahmenbedingungen ist von 2020 an mit einem rasanten Wachstum der EMobilität zu rechnen.“