Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie der Becherhalter nach Deutschland kam
Fahrzeuge werden längst für den globalen Markt entwickelt, auch wenn die Geschmäcker noch verschieden sind
(dpa) - Mit einem kühlen Getränk in der Mittelkonsole geht es über die Autobahn. Die Klimaanlage regelt die Temperatur, und der Tempomat hält automatisch den Abstand zum Vordermann. Moderne Autos bieten viel Komfort. Doch auch wenn europäische Autos auf dem alten Kontinent gebaut werden – viele Ideen dafür stammen aus anderen Regionen.
„In manchen Ländern ist die Fahrzeugentwicklung weiter. In den USA legen Autofahrer im Schnitt deutlich mehr Kilometer zurück als in Deutschland, für sie ist das Auto ein zweites Zuhause“, sagt Paolo Tumminelli, Designprofessor an der Technischen Hochschule Köln. „Meist sind es deshalb Komfortdetails, die zuerst in amerikanischen und später in europäischen Autos kommen.“Dazu zählen unter anderem Becherhalter, Automatikgetriebe, Zentralverriegelung, Servolenkung, Klimaanlage, Tempomat und elektrisch öffnende Heckklappen. Der Geschmack der Amerikaner deckt sich dabei immer mehr mit dem europäischen.
Zulassungshürden in den USA
„Es gibt kaum Fahrzeuge, die nur für lokale Märkte entwickelt werden. Jedoch einige, die nicht in den USA angeboten werden. Die Hersteller sparen sich damit die oft aufwendigen Zulassungshürden“, sagt Tumminelli. Welches Auto mit welchen Modifikationen auf welchem Markt verkauft wird, habe aber nichts mit der Unternehmensgröße zu tun. So offerieren kleinere Hersteller wie Lamborghini, Ferrari oder Aston Martin ihre Autos weltweit.
Länder wie China oder die USA pflegen allerdings eine etwas andere Ästhetik als Europa. In China beispielsweise habe der Drache eine besondere Bedeutung, so Tumminelli. „Deshalb erinnern auch Autos entfernt an ihn: große Frontpartie, großer Kühlergrill und nach hinten abfallende Linien, so dass das Auto schmaler wirkt.“Nach deutschem Geschmack müssten die Autos am Heck eher breiter sein. Europäer kultivierten eher den Mythos des sportlichen Autos. Während US-Kunden auf Geländewagen und SUVs setzen, bevorzugen chinesische Käufer Limousinen. Eine Gattung, die in Europa nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.
Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochschule Wirtschaft (FHDW) in Bergisch-Gladbach, sieht trotzdem den Vorteil von global entwickelten Autos und Fahrzeugplattformen darin, dass hohe Stückzahlen möglich sind. Das reduziere die Entwicklungskosten pro Stück – und so die Preise für den Kunden. „Erst wenn der Markt groß genug ist, wie in China, kann es sich für Hersteller lohnen, ein spezielles Fahrzeug dafür zu entwickeln.“
Um den Geschmack und die Wünsche der Käufer in den einzelnen Ländern zu erfassen, besitzen die meisten Hersteller sogenannte Car-Kliniken. Dort werden Kunden anhand von Fahrzeugbeispielen gezielt nach ihren Vorlieben befragt. Amerikanische Kunden, so ein Ergebnis, bevorzugen große Ablagen für Flaschen und Kaffeebecher. Kein Wunder also, dass BMW im neuen, in South Carolina gebauten X3 Platz für 1,5-Liter-Flaschen vorgesehen hat.
Und noch etwas ist anders: „Europäische Kunden stellen ihre Fahrzeuge gerne individuell zusammen, Amerikaner wählen komplette Ausstattungspakete“, sagt Bill Buckley, Projektleiter X3 bei BMW in Spartanburg. Während deutsche Autofahrer meist eine schwarze Innenausstattung wählten, griffen Amerikaner lieber zu Braun und Chinesen zu helleren Tönen. Wichtig bei den Kunden aus allen Ländern: „Die Haptik, die Optik und auch das Geräusch beim Zuschlagen der Türen müssen hochwertig sein“, sagt Buckley.
Qualität weltweit gefragt
„Im Grunde bauen wir Weltautos. Es gibt mittlerweile viele Übereinstimmungen in den Ländern“, sagt Mercedes-Chef Dieter Zetsche. Die meisten Kunden verlangten im Premiumsegment Eigenschaften, die dem Begriff „Made in Germany“zugeschrieben würden: Qualität, Sicherheit, Wertbeständigkeit.