Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Fühlt sich die Wildkatze wohl, sichert sie den Bestand anderer Arten“
Die Wildtierökologin Susanne Schneider begrüßt die Rückkehr der Spezies in die deutschen Wälder
BERLIN - Die Wildkatze kommt in die Wälder Deutschlands zurück. Ein gutes Zeichen, sagt Wildtierökologin Susanne Schneider vom BUND im Gespräch mit Tanja Tricarico. Denn das anspruchsvolle Tier braucht beste Umweltbedingungen. Was gut für die Wildkatze ist, nützt auch anderen Tierarten.
Frau Schneider, die Wildkatze ist vom Aussterben bedroht. Jetzt steigt ihr Bestand in Deutschland wieder. Warum?
Das sind natürliche Vorgänge – und ein echter Glücksfall. Bis vor rund einhundert Jahren wurde die Wildkatze noch gejagt, genauso wie Luchs, Wolf oder Bär. Das ist heute verboten. Somit können die Populationen wieder anwachsen und die Art kann sich langsam wieder ausbreiten. Dennoch ist die Wildkatze immer noch in ihrem Bestand bedroht. Da sie in der Regel nur einmal im Jahr Nachwuchs bekommt und nur ein Viertel der Jungtiere überlebt, wachsen ihre Bestände nur langsam.
Wo taucht die Wildkatze Deutschland auf? in
Vor allem in den Regionen der waldreichen Mittelgebirge. Ein klassischer Wildkatzenlebensraum ist der Harz oder das Leine-Weser-Bergland. Sie lebt im Taunus, im Hunsrück, im Spessart über RheinlandPfalz hinunter bis in Teilen BadenWürttembergs. Wildkatzen lieben den Wald und den Schutz von Gehölzen, um sich zu bewegen. Auf dem freien Feld oder auf Äckern fühlen sie sich nicht wohl.
Die Vorlieben der Wildkatze werden zum Problem bei der Ansiedlung?
Ja. In etlichen Regionen gibt es Barrieren für die Tiere. Straßen, Autobahnen, die Landwirtschaft und Häuser stören den natürlichen Lebensraum der Wildkatze. Deshalb ist die Vernetzung der Wildkatzenwälder Deutschlands mit grünen Korridoren aus Büschen und Bäumen so wichtig. Schätzungen zufolge gibt es derzeit zwischen 5000 und 7000 Tiere in Deutschland. Es werden mehr Tiere werden, aber es wird viele Jahre dauern.
Wie wichtig ist die Wildkatze für das Gleichgewicht im Ökosystem?
Sie hat keine tragende Rolle. Aber mit ihren hohen Lebensraumansprüchen ist sie eine Leitart. Fühlt sich die Wildkatze wohl, sichert sie auch den Bestand anderer Tierarten. Zum Beispiel für den Rothirsch, den Luchs, die kleine Haselmaus, den Dachs oder den Fuchs. Auch diese Tierarten brauchen vernetzte Waldlebensräume. Dass die Zahl der Wildkatzen steigt, ist ein gutes Zeichen.
Wie unterscheidet sich die Wildkatze von der Hauskatze?
Bei uns gibt es die europäische Wildkatze. Rein vom Äußeren ist sie der klassischen getigerten Hauskatze oft zum Verwechseln ähnlich. Nur der Schwanz ist buschiger, das Fell wirkt eher verwaschen, sie hat einen weißen Kehlfleck. Besonders Jungtiere werden häufig verwechselt – was fatale Folgen hat. Immer wieder finden Spaziergänger Kätzchen im Wald und halten sie für den Nachwuchs einer Hauskatze. Viele bringen sie ins Tierheim, zum Tierarzt oder nehmen sie mit nach Hause. Erst wenn die Tiere älter werden, stellt sich heraus, dass es sich um eine Wildkatze handelt. Denn die Tiere lassen sich einfach nicht zähmen. Das wird die Wildkatze ihrem Besitzer auch zeigen. In einem sehr aufwändigen und kostenintensiven Prozess muss die Wildkatze dann wieder ausgewildert werden.
Immer wieder gibt es Berichte, dass Jäger auch Katzen schießen. Können sie tatsächlich die Hauskatzen von der Wildkatze unterscheiden oder sind Sie für ein generelles Verbot?
Hauskatzen dürfen nach dem Jagdgesetz geschossen werden, wenn sie sich – je nach Bundesland ist das unterschiedlich – in Entfernung von 200 bis 300 Metern zur nächsten Behausung befinden. Die rein äußerliche Unterscheidung einer wildfarbenen Hauskatze zu einer Wildkatze ist in den meisten Fällen nicht oder nur sehr schwer möglich. Der BUND ruft daher in bekannten Wildkatzengebieten dazu auf, generell keine wildfarbenen Katzen zu schießen. Unsere Erfahrung ist, dass die Jäger sehr verständig sind. Wie viele Wildkat- zen irrtümlich geschossen werden, kann keiner sagen, dazu gibt es keine Zahlen.
Auch der Wolf ist zurück in Deutschlands Wäldern – und schon wird eine kontroverse Debatte über die Gefahr für den Menschen geführt. Wie gefährlich ist die Wildkatze?
Wildkatzen sind mit ihrem Gewicht von vier bis sechs Kilo rein körperlich überhaupt nicht in der Lage, dem Menschen gefährlich zu werden. Zudem sind sie sehr scheu, sie werden sich dem Menschen nicht nähern. Vor ihr braucht man sich also nicht zu fürchten. Sie sind auch keine Gefahr für den Bestand von bestimmen Mäusen oder Vögeln. Diese Arten kommen schon viele Tausend Jahre in einem gemeinsamen Lebensraum vor und haben sich aufeinander eingestellt.