Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Endspurt in Bregenz
Neues und Altes: Uraufführung von Zesses Seglias’ Oper „To The Lighthouse“und Mozarts „Figaro“
BREGENZ - Ein fulminantes Festspielfinale versprach die Bregenzer Intendantin Elisabeth Sobotka beim zweiten Pressetag des Festivals. Auf der Werkstattbühne wird am 16. August als erste Produktion des neuen Opernateliers das Musiktheaterstück „To The Lighthouse“des griechischen Komponisten Zesses Seglias präsentiert (weitere Aufführung am 18. August). Im Kornmarkttheater vollendet eine Aufführungsserie (14., 15., 17., 19. August) von Mozarts „Hochzeit des Figaro“als dritter Teil einen Da-Ponte-Zyklus des 2015 ebenfalls neu gegründeten Opernstudios mit jungen Sängern und dem Symphonieorchester Vorarlberg.
Opernstudio und Opernatelier
Seglias’ erste abendfüllende Oper kreist um den Stoff von Virginia Woolfs gleichnamigem Roman „To The Lighthouse“(„Zum Leuchtturm“). Das von Sobotka initiierte Opernatelier der Festspiele möchte gemeinsam mit dem Kunsthaus Bregenz Künstler verschiedener Sparten für die Entwicklung innovativer Musiktheaterprojekte zusammenbringen. Das Bühnenbild zu Seglias’ Oper hat der in Berlin lebende Däne Jakob Kolding in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten, dem im Januar verstorbenen Librettisten Ernst Binder und dem Regisseur Olivier Tambosi entworfen.
Beim Besuch einer Klavierprobe mit der französischen Dirigentin Claire Levacher entpuppten sich Teile von Koldings Bühnenbild als zweidimensionale Attrappen, die zeichenhaft auf Personen oder Objekte hinweisen. Kolding sagte, er sei bei seiner Arbeit „normalerweise nicht einsam, aber allein“und habe hier zum ersten Mal Bilder für eine Theaterbühne entworfen und dabei eine Menge über die Bedingungen einer solchen Produktion gelernt. Wichtig sei gewesen, nur notwendige Details zu schaffen und auf bloße Dekoration zu verzichten.
Die „Lighthouse“-Vorstellungen sind Ernst Binder gewidmet, der zusammen mit Seglias noch am Konzept der Oper gearbeitet hat und auch die Regie bei der Uraufführung übernehmen sollte. Nach seinem Tod sprang dafür nun Tambosi ein, nachdem er im vergangenen Jahr bereits Franco Faccios „Hamlet“-Oper im Festspielhaus inszeniert hatte. Die Künstler des Opernateliers gin- gen freilich, wie Sobotka betonte, im Unterschied zu „klassischen“Produktionen ganz anders an solche Projekte heran. Bei Virginia Woolfs Roman habe man versucht, Stimmungen des Buches in Musiktheater zu übersetzen und dadurch zu überhöhen.
Tambosi bekannte, er habe zunächst daran gezweifelt, dass dieser Stoff als Bühnenstück funktioniere. Seglias’ Musik habe ihn aber überzeugt, dass die Kunstform Oper das könne. Allerdings geschehe dies hier auf ungewohnte Weise. Seglias will „Dinge im Raum stehen lassen“, nicht wie im traditionellen Musikdrama die Zuhörer mit Emotionen und „action“überfallen, sondern eine Atmosphäre schaffen, die „in ihre Seelen eindringt“. In vielen Stufen habe er sich seit 2015 erst mit Binder, später auch mit dem Bregenzer Dramaturgen Olaf A. Schmidt der Vorlage von Woolf genähert.
Sprungbrett für junge Künstler
Teil dieser Vorbereitung war auch eine gemeinsame Reise der beteiligten Künstler zum Schauplatz des autobiografisch eingefärbten Romans. An der Küste der schottischen Isle of Skye verbringt die Familie Ramsay vor dem Ersten Weltkrieg ihren Urlaub. Das Erlebnis dieser Landschaft hat der Produktion zusätzliche Impulse gegeben. Seglias’ Vertonung folgt dem Geschehen nicht narrativ, sondern assoziativ. Gesprächsfetzen verbinden sich zu einem Bewusstseinsstrom, wie ihn ähnlich um dieselbe Zeit auch James Joyce in seinem Roman „Ulysses“kultiviert hat.
Die Musik macht das sprunghafte Denken der Protagonisten hörbar. Die Vokalpartien wechseln zwischen Singen, Sprechgesang und gesprochenen Dialogen. Die instrumentale Grundierung übernehmen 18 Musiker des Symphonieorchesters Vorarlberg. Dabei kommen auch E-Gitarre, Akkordeon und Saxofon zum Einsatz.
Der Regisseur der „Figaro“-Produktion kommt vom Schauspiel, hat sich aber stets auch für Oper interessiert. Jörg Lichtenstein hat den oft beschworenen „frischen Blick“auf das altbekannte Stück zunächst gar nicht gesucht. Eher sei er nach dem Lesen von Lorenzo da Ponzes Libretto enttäuscht gewesen vom „kleinlichen“Verhalten des Personals und vom angeblich seinerzeit revolutionären Inhalt. Er habe deshalb keine Notwendigkeit gesehen, den Plot in unsere Zeit zu transferieren. All die Tricks und Verkleidungen seien Ergebnis von Verhältnissen, die sich die Protagonisten damals nicht aussuchen konnten.
Die Proben waren nicht nur für Lichtenstein anstrengend. Auch die jungen Darsteller, die von der erfahrenen Sängerin Brigitte Fassbaender gecoacht wurden, und der Dirigent Hartmut Keil haben sich hineingekniet in die anspruchsvollen Aufgaben, die das temporeiche Stück bereithält. Dabei ist es von Vorteil, mit dem Symphonieorchester Vorarlberg ganz intensiv arbeiten zu können. Für die Gesangssolisten ist die Teilnahme an dieser Produktion nicht nur eine Herausforderung, sondern auch ein Sprungbrett für ihre spätere Karriere.