Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Grenzenlos­er Wahnwitz zum Finale

Das „Theatre du Pain“setzt unter das Theaterfes­tival einen grandiosen Schlusspun­kt

- Von Babette Caesar

ISNY - Wahnwitzig, abstrus und dabei gnadenlos ehrlich hat das „Theatre du Pain“am Samstagabe­nd einen grandiosen Schlusspun­kt unter ein ebenso grandioses Isnyer Theaterfes­tival 2017 gesetzt. Die drei Herren Mateng Pollkläsen­er, Hans König und Wolfgang Suchner sind bekannt für ihre obskuren Machenscha­ften. Mit dem aktuellen Ausflug in „Das Tamtam der Leidenscha­ften“haben sie sich selbst übertroffe­n. Musikalisc­h und szenisch bleiben sie dem Irrsinn zivilisier­ter Menschen dicht auf den Fersen.

Überglückl­ich schätze sich das Festival-Team rückblicke­nd auf die vergangene Woche – trotz leichter Ermüdungse­rscheinung­en, sagte Thomas Huber im Vorfeld des großen Finales. Alles sei unter dem Zeltdach möglich gewesen – von der intimen Turnperfor­mance bis zur ausgelasse­nen Party mit „Too many Zooz“aus New York.

Ein Start mit viel Krawall

Das Theatre du Pain, 1984 in Bremen gegründet, reihte sich nahtlos in diese Jubelstimm­ung ein. 2008 war das Ensemble erstmals in Isny. Mit sehr nachhaltig­er Wirkung, die vom Lachkoma bis zum Verlassen des Zeltes reichte. Sich dem puren DadaWahn der drei Schauspiel­er und Musiker zu entziehen, fällt schwer. Diesmal starteten sie mit viel Krawall, der funkensprü­hend aus allen Rohren rund um das Schlagzeug aufstieg. „Hermann!“, dröhnte es aus dem Off, und da stand er dann auch schon – Hans König im GermanenLo­ok mit blutversch­miertem Gesicht. Schnell ein Zewa-wisch-undweg, rein in den Business-Anzug mit Betonung der Krawatte und auf zu Mateng Pollkläsen­er als Steinzeitm­ensch Ugoruk. Zottelig und kauend vor der Bühne, wo kurz zuvor noch Hans Suchner in der Aufmachung von Martin Luther vorbei- ANZEIGE schritt, um oben in einem Bottich herausgeri­ssene Buchseiten zu rühren.

Diese Anarcho-Truppe macht vor keinem Paradoxon halt. Aus Luther wird Luder und in der Folge eine lu- derische Kirche und ein Luder-Jahr. Das birgt Zündstoff, dem Suchner, mittlerwei­le auch im Anzugdress, die Spitze des Eisbergs aufsetzt. Wenn er sich ein überdimens­ionales Holzkreuz auf die Schulter lädt und beginnt, sich lange Nägel durch die Schuhe zu hämmern. Da herrscht für den Moment beklemmend­e Stille im Zelt. Einen Handlungss­trang sucht man vergeblich.

Das ist der Punkt, an dem das Stück richtig in Fahrt kommt – scheinbar ohne Sinn und Verstand und dabei doch so abgrundtie­f ehrlich, ironisch und messerscha­rf. Was das Tamtam der drei Erben eines ehrwürdige­n Frankfurte­r Bankhauses angeht, die aus Lust an der Freud die Filialen ihres eigenen Unternehme­ns überfallen.

Mit Strümpfen über den Köpfen, hüpfend oder saunierend, um in sich küssender Weise über das Nichtrauch­en als neues Suchtverha­lten zu lamentiere­n.

„Spielen wir Schoko-Kirsch!“Fantastisc­he Szenen sind „Spielen wir Schoko-Kirsch!“mit Hans König im virulenten Kaufrausch, der aber nichts kriegt außer ’nen Schokokeks. Dass dieses Trio nicht nur darsteller­isch eine Sensation ist, sondern auch musikalisc­h, bewiesen die gesungenen Lieder und eine Performanc­e mit Gitarre, Trompete, Tuba und Schlagzeug. Das tönt in „Da, wo ich gern wäre“nüchtern und sehnsuchts­voll, zugleich mit Aussicht auf ein Bett aus Moos und eine Bestattung in einem Mantel aus Blättern. Wenn die Drei zu guter Letzt eine verdammt schwere Holztruhe auf die Bühne wuchten, aus der es fürchterli­ch schnarcht, und sie sich die Trockenhau­ben über die Köpfe stülpen, dann ist es endgültig Zeit fürs Lachkoma.

Was aus Luther oder Penelope geworden ist, scheint längst Schnee von gestern zu sein. Das Theatre du Pain verschafft sich einen geräuschvo­llen spektakulä­ren Abgang, den die Zuschauer bis zum nächsten Mal nicht vergessen dürften.

Diese Anarcho-Truppe macht vor keinem Paradoxon halt. Aus Luther wird Luder und in der Folge eine luderische Kirche und ein Luder-Jahr. Das birgt Zündstoff.

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FOTO: MATTHIAS HAGMANN Mateng Pollkläsen­er, Hans König und Wolfgang Suchner alias „ Theatre du Pain“bei ihrem Auftritt im Theaterfes­tival- Zelt.

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