Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der PR-Gag der Autokonzerne
Verbraucherschützer kritisieren die Umtauschprämien für alte Dieselfahrzeuge
RAVENSBURG - Unter der Überschrift „Umwelt- und Zukunftsprogramm“stellte der Autobauer Volkswagen seine sogenannte „Umweltprämie“von bis zu 10 000 Euro in dieser Woche vor. Auch BMW will mit einer Prämie die „Weichen für die Zukunft der Mobilität“stellen. Alte Dieselautos sollen weg, neue her. Doch lohnen sich die Prämien für die Kunden überhaupt?
Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nennt die Prämienoffensive der Automobilhersteller einen „PR-Gag“, um den Umsatz anzukurbeln. „Die Industrie will den Verbraucher für dumm verkaufen“, sagt er. Die Automobilhersteller hätten anstatt dieser „Prämienwut“auch die rund 6,4 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland mit der entsprechenden Hardware für rund 1500 Euro pro Fahrzeug umrüsten können. Eine „sogenannte Umweltprämie“für einen VW Touareg, der in der Anschaffung 140 000 Euro koste, müsse schon hinterfragt werden, so Buttler.
Die Autohersteller wollen nach Ansicht der Verbraucherschützer damit aber wohl auch versuchen, ihren durch den Dieselskandal ramponierten Ruf wieder aufzubessern. Sie gehen dabei allerdings unterschiedlich vor (siehe Kasten): Volkswagen zahlt die Umtauschprämie nur, wenn ein altes Dieselfahrzeug mit der Abgasnorm Euro 4 oder älter verschrottet wird, Daimler und BMW nehmen Euro-4-Autos aber auch noch in Zahlung. „Eine Umweltprämie sollte schon dazu dienen, die Umwelt zu schonen“, sagt Buttler: „Da bringt es nichts, die alten Autos dann ins Ausland zu verkaufen.“
Ähnlich sieht das auch der ADAC, der nicht rät, einen Euro-6-Diesel zu kaufen. Für Verbraucher seien die Vergünstigungen der Autohersteller zwar interessant, der Neuwagenkäufer sollte aber genau darauf achten, ob das Gesamtangebot stimmt und der Restwert seines Altfahrzeuges angemessen berücksichtigt wurde. Beurteilungen der einzelnen Prämienangebote nimmt der ADAC zudem nicht vor. Ob sich eine Neuanschaffung für den Verbraucher, aber auch für die Umwelt am Ende lohnt, hänge vom Einzelfall ab, so ein Sprecher des ADAC auf Nachfrage.
„Solange die im Schnitt 50-mal mehr Stickoxide ausstoßen als ein Benziner, kann man den Kauf eines Euro-6-Diesel nicht empfehlen“, warnt auch Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die DUH treibt seit Beginn des Dieselskandals über eigene Abgasmessungen und Klagen die Autoindustrie vor sich her und hat erst vor wenigen Wochen ein Urteil vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erstritten, nach dem Fahrverbote für Dieselfahrzeuge möglich sind, um die Luft rein zu halten.
Schadstoffarme neue Fahrzeuge würden jedoch grundsätzlich helfen, die Bilanz aufzubessern. Allerdings muss gegengerechnet werden, dass nach Berechnungen des Umweltbundesamtes bei der Herstellung neuer Fahrzeuge und Entsorgung alter Fahrzeuge auch KohlendioxidEmissionen anfallen – und zwar zwischen 15 und 20 Prozent aller Emissionen eines Autolebens. Der Rest des Kohlendioxids aber werde während des Betriebs ausgestoßen.
Zur Förderung der umweltfreundlichen Antriebsarten hat die Bundesregierung einen Umweltbonus von 3000 Euro für Hybrid- und 4000 Euro für E-Autos in Aussicht gestellt. Dieser staatliche Bonus gilt zusätzlich zu den Prämien der Hersteller, die den Umstieg auf alternative Antriebsarten auch mit einer Zukunftsprämie fördern wollen.
Ein Fallbeispiel: Will ein Kunde seinen Euro-3-Diesel loswerden und sich einen neuen Euro-6-Diesel kaufen, erhält er eine Umweltprämie von 5000 Euro. Entscheidet er sich für einen e-Golf im Wert von rund 37 000 Euro, kann noch eine Zukunftsprämie des Herstellers von 2380 Euro dazukommen. Durch den staatlichen Umweltbonus für ein E-Auto erhöht sich die Förderung auf insgesamt 11 380 Euro. Der normale Diesel-Pkw würde rund 30 000 Euro kosten.