Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Brutale Gewalt bei rechtem Aufmarsch in Virginia
Eine Tote und 19 Verletzte bei Zusammenstößen – US-Präsident Trump nennt die Schuldigen nicht beim Namen
CHARLOTTESVILLE - Bei einem Aufmarsch rechtsextremer Gruppen in den USA ist es zu tödlicher Gewalt gekommen: Ein Autofahrer raste am Samstag in Charlottesville im Bundesstaat Virginia in eine Gruppe von Demonstranten – eine Frau wurde getötet und 19 Menschen verletzt. Heftige Kritik gab es an US-Präsident Donald Trump, der die Gewalt verurteilte, eine klare Schuldzuweisung an die Rechtsextremen aber vermied.
Als es vorbei ist, steht Jackie Webber um Fassung ringend in der Fußgängerzone von Charlottesville. Die Universitätsstadt versteht sich als eine liberale Insel in der eher konservativen Mitte Virginias. Am Samstag aber blickt die Psychotherapeutin Jackie Webber ratlos auf eine Doppelreihe Nationalgardisten, Plastikschilde vor den Gesichtern, die den Schauplatz eines Verbrechens abriegeln.
Nach einer abgebrochenen Kundgebung rechter Fanatiker sind zwei Stunden vergangen, als ein grauer Dodge Challenger in eine Menschenmenge rast. Menschenrechtler und Kirchenleute ziehen jubelnd durch Charlottesville, um zu feiern, was sich wie ein Sieg gegen die Neonazis anfühlt. „Whose Streets? Our Streets!“(„Wessen Straßen? Unsere Straßen!“), schallt es durch die Stadt. Auf Videos, aufgenommen mit Handykameras, ist teils nur schemenhaft zu erkennen, was sich in diesen Minuten in einer schmalen Straße abspielt.
„Ich sah nur diese Schuhe“
Man sieht die Umrisse eines Autos. Körper, die durch die Luft geschleudert werden. Als Nächstes sieht man, wie der Dodge im Rückwärtsgang in die andere Richtung fährt. Eine 32Jährige stirbt. George Halliday, ein 20-Jähriger, der in der Nähe war, erinnert sich an die Schuhe, die auf dem Pflaster lagen. „Nach zwei Sekunden war alles vorbei. Und ich sah nur diese Schuhe.“
Am Abend gibt die Polizei bekannt, wer am Lenkrad des Sportwagens saß: James Alex Fields, 20 Jahre alt, aus einer Kleinstadt in Ohio. Die Tatsache, dass die Rassisten das Weite suchen mussten, bevor sie ihre Reden halten konnten, könnte ihn dazu bewogen haben, auf Rache zu sinnen.
Begonnen hatte es am Vormittag mit Szenen, die an Bürgerkriegsfilme denken ließen. In einem Park versammelten sich mehrere Hundert Rechtsradikale zu einer Rally. Richard Spencer war da, der Anführer der AltRight-Bewegung, die für Schlagzeilen sorgte, als sie den Wahlsieg Trumps mit Heil-Trump-Rufen feierte. Und David Duke, einstiges Ku-Klux-KlanMitglied und Abgeordneter im Repräsentantenhaus Louisianas. Beide waren gekommen, um gegen den Abriss eines Denkmals zu protestieren, der Reiterfigur Robert E. Lees, eines von manchen Südstaatlern verehrten Bürgerkriegsgenerals. Dass die Statue weichen muss, hat der Stadtrat entschieden. Spencer und Duke ging es weniger um die Pflege des Südstaatenerbes, es ging um die Provokation.
Auf den Treppen, die zu dem Park führen, waren Uniformierte mit Sturmgewehren aufgezogen. Keine Soldaten, sondern Angehörige einer Miliz. Neben ihnen muskulöse Männer mit Eisenstangen, Zaunlatten, Flammenwerfern. Die Bürgerrechtler zogen an ihnen vorbei. „Ihr werdet uns nicht verdrängen! Die Juden werden uns nicht verdrängen!“, schallten oben die Sprechchöre der Nazis, die am Abend zuvor mit brennenden Fackeln durch Charlottesville gezogen waren. Irgendwann flogen Brandsätze. Die Neonazis lieferten sich Prügeleien mit ihren Gegnern, die Polizei zog sich zurück. Erst nach 20 Minuten übernahm sie das Heft des Handelns, indem sie die Versammlung für beendet erklärte. In den Straßen ringsum wurde weiter geprügelt, bis die Nationalgarde Virginias, eine militärische Einheit, aufmarschiert war.
Bald darauf stand Spencer auf einer Bank in einem Park am Stadtrand und gab das Opfer. „Die Polizei hat uns den Kommunisten zum Fraß vorgeworfen. Die Polizei hat uns Spießruten laufen lassen“, wetterte er. Nach ihm stellte sich Duke auf die Bank und