Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Harter Brexit mit Übergangsfristen
Die britische Regierung bleibt bei ihrem Kurs auf einen harten Brexit. Um Schaden von der Wirtschaft abzuwenden, wolle man aber mit Brüssel Übergangsfristen von unbestimmter Länge aushandeln. Mit dieser Botschaft wandten sich am Sonntag zwei wichtige Kabinettsmitglieder an die Öffentlichkeit: Finanzminister Philip Hammond galt bisher als Vertreter einer weicheren Brexit-Linie, Außenhandelsminister Liam Fox ist eingefleischter EU-Feind.
Die gemeinsame Verlautbarung soll offenbar einen Strich unter die brutalen Positionskämpfe ziehen, die in den vergangenen Wochen im Kabinett tobten. Noch zu Monatsbeginn hatte Fox öffentlich einer Äußerung Hammonds widersprochen, wonach das Land eine dreijährige Übergangsfrist bis 2022 brauche. Aus Sicht der EU-Feinde soll der Bruch mit dem Brüsseler Club möglichst rasch und vollständig erfolgen, Hammond sowie Wirtschaftsminister Greg Clark plädieren hingegen für größtmögliche Nähe zum größten Binnenmarkt der Welt.
Für die nächste Verhandlungsrunde in Brüssel muss die Regierung in den nächsten Tagen detaillierte Positionspapiere vorlegen. Dabei wird es auch um die Landgrenze zwischen Nordirland und der Republik im Süden der grünen Insel gehen. Sie ist derzeit kaum noch sichtbar, müsste aber aufgerüstet werden, wenn die Briten neue Zollschranken errichten.
Das künftige Verhältnis zu Irland, die Stellung von mehr als drei Millionen EU-Bürgern auf der Insel sowie britische Zahlungen an Brüssel bilden die wichtigsten Probleme, die gelöst werden müssen. Dass dies gelingt, halten viele Vertreter unterschiedlicher Parteien für unmöglich.
Der frühere Labour-Außenminister David Miliband nannte den Brexit einen „beispiellosen Akt ökonomischer Selbstverstümmelung“. Ein enger Ex-Mitarbeiter des konservativen Brexit-Ministers David Davis spricht von einer Katastrophe, deren wirtschaftliche Konsequenzen völlig unabsehbar seien. James Chapman, bis Juni Stabschef im eigens für den EU-Austritt gegründeten Ministeriums DexEU, deshalb träumt sogar von einer neuen Anti-Brexit-Gruppierung: „Manchmal ist die Nation wichtiger als die Partei.“
Die Idee einer neuen politischen Kraft geht in Großbritannien schon seit Monaten um. Überzeugte Anhänger des EU-Verbleibs stellen sowohl bei den Konservativen als auch in der Oppositionspartei Labour unter ihrem EU-skeptischen Parteichef Jeremy Corbyn nur eine Minderheit dar. Weder die schottische Nationalpartei SNP mit 35 Mandaten noch die landesweiten Liberaldemokraten (12) sind stark genug, um die Sache jener 48,1 Prozent zu vertreten, die vor Jahresfrist für den EU-Verbleib gestimmt hatten. In Umfragen hält zwar inzwischen eine Mehrheit den Austritt für falsch, plädiert aber gleichzeitig dafür, die getroffene Entscheidung umzusetzen.