Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mit dem Bus zum Boner Log
Die wachsende Zahl der Mountain- und E-Biker verlangt nach neuen Konzepten
Es unterhalten sich zwei Mountainbiker: Step-up, Stepdown, Bunny Hop, Flip vom Boner Log, Kicker nicht vergessen, schneller Wallride und zum Schluss noch durch den Pumptrack. Vom bloßen Aufzählen der Begriffe wird einem schwindlig. Zuschauen ist noch heftiger, schließlich verbirgt sich hinter jedem Ausdruck ein artistischer Trick auf dem Rad. Besser versteht man die Sache beim Besuch des neuen Bikeparks in Mutters bei Innsbruck. Im Idealfall schaut man dabei einem Profi wie Tom Öhler über die Schulter, der auch für die anfangs erwähnte Unterhaltung verantwortlich ist. Öhler war eine große Nummer in der Mountainbike-Szene und kann’s auch heute noch. Wer sieht, wie er mit dem Fahrrad jedes noch so krasse Hindernis nimmt, kommt sich vor wie ein Dreijähriger auf Stützrädern.
Mit Öhler als Testfahrer erschließt sich das Wesen des Bikeparks: Im Grunde handelt es sich um einen Abenteuer-Spielplatz für jugendliche und jung gebliebene Mountainbiker, der ähnlich angelegt ist wie ein Snowpark im Winter mit Hindernissen, Sprüngen und Buckelpisten. Durchschnittliche Fahrradfahrer, die ein bisschen Mut haben, können hier relativ schnell Steilkurven fahren, kleine Hüpfer mit dem Rad einstreuen und sich ordentlich durchrütteln lassen. Was definitiv schwerer zu lernen ist, ist der Mountainbiker-Slang. So mancher versteht die Welt nämlich nicht mehr, wenn er auf Innsbruck und die Gipfel ringsum blickt.
Mit den vielen Radfahrern, die auch dank der E-Mountainbikes problemlos den Berg hinaufkommen und ihren Spaß bei der Abfahrt haben wollen, müssen neue Konzepte und Ideen her. Auch damit Natur und Tiere geschützt bleiben.
Und Innsbruck ist ein Paradebeispiel dafür, was man tun kann. Den Beginn des Bike-Booms haben sie in Tirols Hauptstadt zwar verschlafen. Singletrail-Ausbau und Mountainbikeparks haben andere Tourismusorte bereits vor Jahren initiiert und forciert. Aber in Innsbruck mit seinen knapp 30 000 Studenten und vielen einheimischen Radsportlern ist der Druck in den vergangenen zwei, drei Jahren sehr groß geworden. Moderne Mountainbiker suchen anspruchsvolle Strecken durch Wald und Fels und schufen sich deswegen illegale Strecken an den Hängen Innsbrucks. Das sehen nicht nur Naturschützer kritisch. Aber statt die Radfahrer am Berg zu verteufeln, gibt es nun außergewöhnliche Allianzen mit den Bikern. Behörden, Landwirte und Grüne ziehen immer öfter an einem Strang, um Trails auszuschildern. Motto: Lieber ein offizielles Terrain abstecken, in dem sich die Radfahrer austoben können, als illegale Spots sperren zu müssen.
Der Berg wird aufgeteilt
Ein weiteres Phänomen: Weil die Ansprüche der Sommertouristen immer unterschiedlicher werden, wird der Berg in viele Sektionen aufgeteilt. Jeder erhält seine eigene Spielwiese, wiederum sehr schön zu beobachten auf der Muttereralm: In einem Wäldchen versteckt sich ein Kletterpark, dann gibt es eine Übungsstation für bikende Kinder mit Wippe und kleinen Sprüngen. Die Wege von Mountainbikern und Wanderern kreuzen sich nur noch selten. Was früher undenkbar war, ist immer häufiger zu beobachten: Strecken am Berg, die ausschließlich Radfahrern vorbehalten sind.
Innsbruck hat sich jetzt das Label „Bikecity“verpasst. Das ist kein leeres Versprechen, und die Bemühungen werden als vorbildhaft im Alpenraum beurteilt. Die Verkehrsinfrastruktur wird weiter verbessert, Radfahrer gelangen per Tram und Bus zum Bikepark. Zwischen der Nordkettenbahn und dem Patscherkofel verkehrt ein Bus für Wanderer und Radfahrer. Es gibt Kooperationen mit umliegenden Bikeparks im Stubaital und in Steinach am Brenner und eine gemeinsame Bikecard, mit der man alle Lifte benutzen kann.
Zurück zu Tom Öhler: Er ist jederzeit bereit, zu erklären, zu interpretieren und zu übersetzen. Damit jeder weiß, dass mit Boner Log nicht der wörtlichen Übersetzung nach eine Erektion gemeint ist, sondern in der Bikeszene eine steile Absprungrampe bezeichnet.