Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Rosige Zeiten für Serienfans
TV-Sender und Streamingdienste produzieren deutsche Fortsetzungsformate
BERLIN - Das deutsche Fernsehen ist im Serienfieber: Jahrelang kamen faszinierende Fortsetzungsdramen von „Breaking Bad“über „Gomorrha“bis „Borgen“aus Amerika, Italien oder Skandinavien, nur nicht aus Deutschland – doch jetzt ist der Knoten geplatzt: In den kommenden Wochen und Monaten drängt eine immense Fülle heimischer Produktionen auf den Markt, bei denen Geld teilweise keine Rolle zu spielen scheint.
„Wir sind in Deutschland aufgewacht und können jetzt zeigen, dass wir hier auch was draufhaben“, sagt Regisseur Sönke Wortmann, dessen Krankenhausserie „Charité“(ARD) fortgesetzt werden soll. Zuvor steht die teuerste deutsche TV-Serie aller Zeiten auf dem Programm: Die Bestsellerverfilmung „Babylon Berlin“ist ab 13. Oktober bei Sky und 2018 im Ersten zu sehen. 16 Folgen lang geht es um Verbrecherjagd in der Weimarer Republik, Kostenpunkt: rund 40 Millionen Euro.
Im vierten Quartal 2017 läuft die ARD-Miniserie „Das Verschwinden“mit Julia Jentsch und Nina Kunzendorf, die vom plötzlichen Verschwinden einer jungen Frau erzählt und als deutsches „Twin Peaks“vermarktet wird. Erst 2018 wird dagegen die von Fans schon für dieses Jahr erhoffte vierte Staffel der DDR-Familiensaga „Weissensee“mit Uwe Kockisch und Anna Loos laufen.
Auch der Spartensender ZDFneo ist im Serienfieber: Die dänischdeutsche Produktion „Countdown Copenhagen“(ab 6.10.) um eine Geiselnahme in der Kopenhagener UBahn und der belgisch-deutsche Zehnteiler „Sylvia’s Cats“über die Ehefrau eines Gynäkologen (ab 10.10.) sind nur der Anfang. Ab November spielt Rosalie Thomass im Sechsteiler „Die Lobbyistin“eine Politikerin, die ihr Bundestagsmandat verliert, Lobbyistin wird und einer Intrige auf die Spur kommt. Vielleicht die deutsche Antwort auf „House of Cards“? Seit Juli wird für ZDFneo zudem eine Krimiserie gedreht, die von Patrick Süskinds Kultroman „Das Parfum“inspiriert ist.
Geld spielt keine Rolle
Viele ambitionierte Projekte sind gerade in der Vorbereitungsphase: Das legendäre „KaDeWe“, der schillernde Einkaufstempel im Herzen Berlins, steht im Mittelpunkt einer geplanten Serie. Produzent Oliver Berben will aus dem Bestseller „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“einen Mehrteiler machen. Seine Mutter Iris Berben ist die Hauptdarstellerin der komplexen Krimiserie „Die Protokollantin“, die 2018 im ZDF läuft, und auch „Unterleuten“, der Erfolgsroman von Juli Zeh, wird als mehrteiliges Event fürs ZDF verfilmt. „Credo“mit Tobias Moretti soll die Zuschauer im Zweiten in mehreren Folgen in die Welt der Hochfinanz führen.
Nicht nur die klassischen TVSender, auch die Streamingdienste basteln eifrig an Fortsetzungsformaten made in Germany. Beispiel Netflix: Die Abrufplattform startet noch dieses Jahr ihre erste eigene deutsche Serie. „Dark“dreht sich um das Verschwinden zweier Kinder in einer Kleinstadt. Mit „Dogs of Berlin“über die Abgründe der Berliner Unterwelt hat Netflix für 2018 eine zweite deutsche Serie im Köcher. Der Bezahlsender Sky arbeitet neben „Babylon Berlin“an einem weiteren Mammutprojekt: Der Achtteiler „Das Boot“, die Fortsetzung des Kino-Meilensteins von 1981, soll 25 Millionen Euro kosten. Außerdem steht Christiane Paul für den Sky-Achtteiler „Acht Tage“vor der Kamera, in dem ein Meteor auf die Erde zurast und der Weltuntergang droht.
Sogar Serien, die bei der ersten Staffel unter den Erwartungen geblieben sind, werden fortgesetzt. So hat der Sechsteiler „You are wanted“von Matthias Schweighöfer zwar manche Kritiker enttäuscht, dennoch sind neue Folgen in Planung. Kein Wunder: Mit der Geschichte um einen Manager, der Opfer von Hackern wird, hat der Anbieter Amazon Prime für jede Menge Schlagzeilen gesorgt und wurde einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt erst bekannt. Außerdem gilt Video on Demand als wichtiges Geschäftsfeld.
Folgerichtig wird auch die weltweit beachtete Spionageserie „Deutschland 83“, die bei RTL trotz großen Kritikerlobs floppte, als „Deutschland 86“fortgesetzt, nicht bei RTL, sondern bei Amazon. Und sogar die 2005 bei Sat.1 gestartete Sitcom „Pastewka“wird 2018 bei Amazon Prime zur Freude der Fans nun doch weitergeführt. Zur Abwechslung mal ein heiterer Stoff.