Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Mein großer Traum ist der Jakobsweg“
Hans Hellmann ist seit Kurzem stolzer Besitzer eines Cargo-E-Bikes mit drei Rädern
LEUTKIRCH - „Ich habe lange gesucht, fast zwei Jahre“, erzählt Hans Hellmann, „und es erst mit Liegerädern und normalen Dreirädern für Erwachsene probiert, aber das richtige habe ich erst jetzt gefunden“.
Der frühere, an Parkinson erkrankte Schulrektor steht stolz neben seinem E-Bike-Dreirad „CD1 Cargo“und ist sofort bereit, in die funktionalen Details einzusteigen. „Drei Scheibenbremsen, keine herkömmliche Kette, sondern Zahnriemenantrieb, automatische Schaltung, eine super Beleuchtung fast wie beim Auto, super Bremsen und ein Motor, der für 100 Kilometer locker reicht.“Das Beste, sagt der pensionierte Schulrektor aus Leutkirch, sei aber die Neigetechnik und natürlich die Tatsache, „dass ich 100 Kilo draufpacken kann“. Vier Sprudelkisten zu transportieren, sei überhaupt kein Problem. „Ich merke das Zusatzgewicht beim Fahren gar nicht.“Seinen sechsjährigen Enkel Jakob will er bald auch mitnehmen, er tüftelt noch, wie der perfekte Transportsitz dafür aussehen soll. Für den passionierten Bastler dürfte das aber kein unlösbares Problem sein. Auf der Eurobike in Friedrichshafen will er sich Anregungen holen.
Vor vier Jahren wurde bei Hans Hellmann Parkinson diagnostiziert. „Zum Glück habe ich einen langsamen Verlauf, aber mit meinem starken Zittereffekt und den anderen Einschränkungen werde ich zunehmend unsicherer“, sagt der 67-Jährige. Beim normalen Radfahren, sogar mit dem E-Bike, sei er öfters in Situationen geraten, in denen er Angst hatte, umzufallen. Jetzt könne das nicht mehr passieren.
Die Neigetechnik fordert heraus
Allerdings musste Hellmann das Radfahren „komplett neu lernen“, weil Dreiradfahren grundsätzlich etwas anderes sei als Zweiradfahren, und hier immer die Neigetechnik eingeschaltet werden muss – „und zwar im richtigen Augenblick, direkt nach dem Losfahren“. Das erfordert ein wenig Übung. Fürs Losfahren muss das Dreirad fixiert, das heißt, auf Stufe eins, gestellt sein. Direkt danach kommt die Neigetechnik dran, der Hebel muss auf Stufe zwei gestellt werden. Wer da nicht schnell genug ist, kommt nicht in die Spur beziehungsweise ganz schnell auf den Randstein oder an ein parkendes Auto. „Das lerne ich schon noch“, sagt Hellmann, „viele Freunde und Bekannte, die auch mal fahren wollen, haben zum Glück ähnliche Startschwierigkeiten.“Ursprünglich wollte er das Fahrrad selbst in Berlin abholen und nach Hause radeln. „Zum Glück habe ich das nicht gemacht.“
Jetzt probiert er täglich, übt stundenlang, macht alle Einkäufe, fährt auch mal Umwege, „denn viele Kreuzungen in Leutkirch sind zum Anfahren nicht ideal für mich“. Handzeichen geben und abbiegen ist noch schwer, dabei einhändig Fahren fast unmöglich. Er bemerkt, dass andere Verkehrsteilnehmer oft irritiert auf ihn reagieren. „Viele schauen nur und trauen sich nicht, mich zu überholen – obwohl ich lediglich 80 Zentimeter breit bin.“Die gefühlte Breite sei aber deutlich höher. Auch für ihn selbst.
Das Gefährt ist ein Hingucker, ein edler noch dazu. Kein Wunder, dass das Gespann immer wieder auf großes Interesse stößt. „Wenn ich irgendwo einkaufe und aus dem Laden komme, stehen mindestens drei Leute da – meistens Männer.“Das freut den Pensionär, der dann bereitwillig Auskunft gibt. Die Neigetechnik sei das Faszinierendste, für Fremde und auch für ihn. Hellmann schwärmt regelrecht vom „unglaublich agilen Fahrverhalten“. Kurvenfahren sei damit ein Kinderspiel, Geradeausfahren fast schwieriger.
E-Bikes boomen. Lasten-E-Bikes auch. Auch die Dreiräder der Berliner Firma HNF Heisenberg, welches Hellmann erworben hat. Die große Ladefläche ist der Renner. So hat der ADAC unlängst E-Cargos in großer Stückzahl bestellt. Auch für Kurierdienste und Familien seien die ECargos ideal. „Ganze Aufbauten für Kindertransporte passen problemlos drauf“, sagt Hellmann.
Die gute Qualität haben auch Hans Hellmann überzeugt. Das hat natürlich seinen Preis. Rund 6000 Euro hat er für sein „Cargo“bezahlt, das nicht im Handel erworben werden kann, sondern nur im Direktvertrieb. Vor technischen Problemen graust es ihm nicht. „Im Bedarfsfall kommt der Techniker vorbei. Ich habe zwei Jahre Garantie – und außerdem das halbe Fahrrad erst mal auseinandergeschraubt, um zu wissen, wie es funktioniert. Falls was ist, traue ich mich durchaus auch selber ran.“
Von Tag zu Tag geht es besser
Die Freude, trotz Behinderung ein Stück Lebensqualität und Lebensfreude zurückgewinnen zu können, sei riesengroß. Und deshalb sei die Angst, das Rad nicht unter Kontrolle zu haben, immer vorhanden. Aber mit Angst Fahrradfahren klappe überhaupt nicht, was jeder Fahranfänger bestätigen könne. „Da muss ich lernen, drüber weg zu kommen.“Von Tag zu Tag gehe es besser. Und von Tag zu Tag nähert sich Hellmann seinem großen Traum, eines Tages den Jakobsweg mit seinem „E-Cargo“zu fahren.
Informationen erteilt Hans Hellmann unter der der Telefonnummer 0 75 61 / 54 53.