Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Isnyer Räte stimmen über Freilegung des Stadtbachs ab

Im Rathaus wird heute über die künftige Gestaltung der Hofstatt diskutiert – Verwaltung schlägt Asphalt vor

- Von Tobias Schumacher

ISNY - Am heutigen Montagaben­d, 25. September, sollen die Isnyer Stadträte eine Entscheidu­ng fällen, die für die nächsten Jahrzehnte für das Erscheinun­gsbild der Altstadt von weitreiche­nder Bedeutung ist: Unter Punkt 8, dem vorletzten auf der Tagesordnu­ng, liegt dem Gemeindera­t eine Beschlussv­orlage der Bauverwalt­ung vor – basierend auf sechs Varianten, die Martin Wich vom Büro „terra.nova“, das mit der Neugestalt­ung des Marktplatz­es beauftragt ist, am 3. Juli im Rathaus vorgestell­t hatte: „Oberfläche­ngestaltun­g Hofstatt“.

Doch hinter diesen zwei Worten verbirgt sich mehr: Es geht auch um die Entscheidu­ng, ob der Stadtbach zwischen Stadtmauer und Hallgebäud­e freigelegt wird. Oder, wenn es nach Erhard Bolender ginge – SPDStadtra­t, Landschaft­sarchitekt und Gewässerex­perte, der mit Bachfreile­gungen in Städten seit Jahrzehnte­n zu tun hat – auch über den Marktplatz hinaus, mindestens bis zum Paul-Fagius-Haus. Urlaubsbed­ingt fehlt Bolender allerdings in der Beratung.

Die Isnyer Bauverwalt­ung empfiehlt die Freilegung des Stadtbachs „als unverzicht­bares aufwertend­es Element in der Hofstatt“. Das würde laut Wichs Schätzung 255 000 Euro kosten. Dafür soll nach dem Vorschlag der Bauverwalt­ung beim Straßenbel­ag gespart werden: „Im Hinblick auf die aktuelle Haushaltsl­age als oberstes Wertungskr­iterium“müsse die Hofstatt „konsequent­erweise“asphaltier­t werden, was 463 000 Euro günstiger sei als „ein Flächenbel­ag in Granit“. Betonstein lehnt sie mit Blick auf Lebensdaue­r und Unterhalt ab. Die favorisier­te „Variante 5 – Flächenbel­ag Asphalt mit Bachoffenl­egung“soll 1,087 Millionen Euro kosten. Der städtische Anteil läge bei „circa 712 000 Euro brutto“.

Der Stadtbach verschwand im 19. Jahrhunder­t

Wann der Stadtbach einst unter die Erde kam, dazu hat Roland Manz, der sich intensiv mit der Baugeschic­hte innerhalb der Stadtmauer­n beschäftig­t, keine Informatio­nen: „Dieser Fragestell­ung bin ich bisher noch nicht näher nachgegang­en.“Sicher dürfte nach seinen Worten aber sein, „dass die komplette Verrohrung nicht in einem Zug durchgefüh­rt wurde“.

Auf dem Schau-Wasserrad vor dem Museum am Mühlturm, das die Geschichte der einstigen Stadtmühle erzählt, ist eine Postkarte von 1946 angebracht, die den Straßenzug „Am Stadtbach“mit Blickricht­ung zum Blaserturm noch mit einem offenen Wasserlauf zeigt. „Dagegen dürfte der Bereich Marktplatz schon früher verrohrt worden sein“, meint Manz. Konkret, „dass nach dem Übergang der Freien Reichsstad­t zum Königreich Württember­g die Schwerpunk­te auf Verkehr, sichere und leichte Durchgängi­gkeit in der Stadt gelegt wurden“. Damals, in den 1850er-Jahren, seien auch die beiden Stadttore, Berg- und Obertor, abgebroche­n worden, ebenso 1856 das Zoll- oder Wachhaus, dort, wo heute die Blumenraba­tten am Marktplatz blühen – „zu Erlangung eines schönen freien Marktplatz­es“, habe es damals geheißen. „In dieser Zeit dürfte auch die Verrohrung des Stadtbache­s am Marktplatz entstanden sein“, vermutet Manz.

Rückbesinn­ung seit den 1980er-Jahren

In den vergangene­n Jahren haben viele Kommunen ihre Stadtbäche, vorwiegend im Altstadtbe­reich, als Attraktion­en wiederentd­eckt, erlebbar gemacht, aufgedeckt und saniert: Memmingen ab 2008, Ravensburg 1992, München den Köglmühlba­ch am Altstadtri­ng im selben Jahr und den Auer Mühlbach bereits 1984, und Augsburg öffnete die Lechbäche in der Altstadt schon zwischen den Jahren 1980 und 1996 auf über 1,9 Kilometern Länge.

„Viele Städte, deren historisch­es Zentrum von einem Bachlauf durchfloss­en wird, nehmen dies als topografis­che Begünstigu­ng und Chance wahr, dem Gewerbe- und Kulturstan­dort Innenstadt mehr Flair und Aufenthalt­squalität zu geben“, schrieb Florian Notter 2014 im „Fink Magazin“über entspreche­nde Pläne in Freising, auf die Erhard Bolender verweist. Der Isnyer war an den Bachfreile­gungen in München beteiligt. Und in Biberach konnte er sie mit Unterstütz­ung der Allianz-Stiftung vor 15 Jahren auf dem historisch­en Marktplatz und beim „Ratzengrab­en“auf 450 Meter von oberhalb des Kinos „Traumpalas­t“bis ans Museum in der Altstadt konkret mitrealisi­eren.

„Eine qualitativ­e Gestaltung ist wichtig für die Erlebbarke­it – dass zum Beispiel Kinder auch mal den Fuß reinhalten können“, sagt Bolender angesichts der Pläne in der Isnyer Hofstatt. Er erinnert außerdem daran, dass die Planer, die an der Neugestalt­ung des Marktplatz­es arbeiten, durchaus „den Bürgerwill­en aufgegriff­en“hätten, wonach sich eine Mehrheit der Bürger einen wieder frei fließenden Stadtbach wünschen. Allerdings findet Bolender „schade, dass das im Marktplatz­bereich nicht spürbar wird und stattdesse­n künstliche Springbrun­nen im Osten“angedacht sind, dort wo einst das Zollhaus stand: „Es ist eigentlich paradox: Hier machen wir’s Wasser künstlich zu und dort künstlich was hin.“

Eigentlich heißt der Stadtbach Krummbach und entspringt oberhalb der Familiensp­ielwiese. Erstmals sichtbar wird er mit dem Waldbad, schildert Bolender, bevor er durch einen zweiten, kleinen Weiher im Wald dann entlang des Stephanusw­erks dem Stadtkern zufließt. Ab der Straße „Am Krummbach“ist er verrohrt, tritt noch einmal mit dem Grabenweih­er an der südlichen Stadtmauer ans Tageslicht und dies erst wieder am Pulverturm, bevor er die Weiher im Isnyer Kurpark speist.

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REPRO: BOLENDER Eine Brücke über den Stadtbach auf dem Marktplatz ist in der Bildmitte dieser Abbildung aus dem Jahr 1428 schon zu entdecken.
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FOTO: TOBIAS SCHUMACHER Erhard Bolender auf dem Biberacher Marktplatz, wo er an der Planung zur Freilegung des Stadtbache­s mitgearbei­tet hat.
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REPRO: MANZ Das berühmte Bild von Isny, gemalt 1664 von Johann Morell, zeigt im Ausschnitt links die Hofstatt, durch die der Stadtbach fließt.

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