Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Grüne Realos im Aufwind, Linksruck hilft SPD nicht
Wie sich das Ergebnis der Bundestagswahl auf die Landesverbände der Parteien auswirkt
STUTTGART (tja) - Was bedeutet das Wahlergebnis für die übrigen Parteien im Land? Ein Überblick.
Grüne
Winfried Kretschmann hat seiner Erfolgsgeschichte ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Der Mann ist bei den Grünen bekanntlich fürs Historische zuständig, unter anderem als erster und bislang einziger grüner Ministerpräsident. Unter seiner Führung haben die Grünen in Baden-Württemberg nun mit 13,5 Prozent ihr bestes Bundestagsergebnis erzielt. Kretschmann dürfte einer der Architekten eines mögliches Bündnisses mit Union und FDP werden. Gilt er doch als einer der wenigen Spitzengrünen, die mit CSUChef Horst Seehofer können. Er dürfte als Vermittler zwischen HofreiterGrünen und Law-and-Order-Union gefragt sein. Sollte Schwarz-GelbGrün kommen, wird Kretschmann das mit Genugtuung verbuchen. Empfindet er es doch als eine der empfindlichsten Niederlagen, dass ein von ihm favorisiertes schwarzgrünes Bündnis 2013 an den Linken in seiner Partei scheiterte. Die Südwest-Grünen können sich in ihrem realpolitischen Kurs bestätigt fühlen. Die Grünen erstarkten auf den letzten Metern. Viele bürgerliche Wähler mussten Rot-Rot-Grün nicht mehr fürchten und konnten unbesorgt grüne Tupfer in die Unions-Regierung wählen. Im Land bleibt die Frage offen, ob es allein mit dem Kretschmann-Bonus gut geht für die grünen Realos. Tritt Kretschmann ab, droht ein Vakuum.
AfD
Seit Mai 2016 sitzt die AfD im Landtag. Sie hat sich gespalten, Fraktionschef Jörg Meuthen wurde öffentlich beim Lügen ertappt, Abgeordnete rangelten im Landtag miteinander. Obwohl sich die Fraktion also vor allem mit sich selbst beschäftigte, stimmten 12,2 Prozent der Baden-Württemberger für die AfD im Bund. Der Rechtsschwenk Meuthens, das Erstarken der Rechtsaußen in der Fraktion, die zunehmend radikaleren Äußerungen der Überlinger Spitzenkandidatin Alice Weidel: Trotzdem oder deswegen gewann die AfD Stimmen.
SPD
Leni Breymaier galt als linke, nahbare Antwort auf ihren Vorgänger an der Spitze der Landes-SPD, den wirtschaftsnahen, spröden Nils Schmid. Mit deutlicher Kritik an der Hartz-IV-Agenda der SPD und klaren linken Positionen versuchte sie, im Wahlkampf zu punkten. Das ist angesichts von mageren 16,4 Prozent nicht gelungen. Hinzu kommt: Breymaier sitzt künftig in Berlin. Trotz aller modernen Medien wird sie es nicht leicht haben, sich in Stuttgart Gehör zu verschaffen. Dort hat Andreas Stoch, Chef der Landtags-Abgeordneten, den Landtag als ständige Bühne. Er reklamiert für sich und seinen Kurs der Mitte eine starke Rolle. Und: Die Partei fährt eine klare Kante gegen die AfD im Land. Doch das reicht offenbar nicht. In ehemaligen SPD-Hochburgen im Land hat die AfD den Sozialdemokraten erneut den Rang abgelaufen.
FDP
Baden-Württembergs Liberale bekommen Nahrung für das ohnehin gut ausgeprägte Selbstbewusstsein. Sie liefern mit 12,7 Prozent das zweitstärkste Ergebnis aller Bundesländer. Landeschef Michael Theurer wird in Berlin eine wichtige Rolle spielen, zählt er doch zu den erfahrenen FDPlern. Eine strategische Herausforderung bringt eine mögliche Jamaika-Koalition allerdings. Der Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke zeichnet sich durch heftige verbale Attacken auf die Regierung aus. Künftig könnte er vorsichtiger agieren müssen – hätte es es dann mit zwei Parteien zu tun, die im Bund an der Seite der FDP stehen.
Linke
Der Erfolg in Baden-Württemberg speist sich auch aus der Schwäche der SPD. Wenn schon links, dann richtig, dachten wohl viele. Linken Wählern scheint die SPD als Teil des Problems und die Grünen als zu bürgerlich. Ergebnis: 6,4 Prozent der Stimmen, wie gehabt, punktet die Linke vor allem in Städten.