Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Erdogan nennt deutsche Wahl „Lehre“für Europa
Türkei besorgt über Sicherheit von Muslimen
ISTANBUL - Die Türkei befürchtet nach der Bundestagswahl eine Zunahme anti-türkischer und anti-muslimischer Gewalttaten in Deutschland. Man müsse sich Sorgen um die rund 5,5 Millionen Muslime in der Bundesrepublik machen, sagte der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament, Mustafa Yeneroglu, in Ankara. Zudem könnten von den 14 türkischstämmigen Abgeordneten im Bundestag künftig „Provokationen gegen die Türkei“ausgehen, sagte Yeneroglu. Einige der Abgeordneten stünden der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahe.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der vor der Wahl scharfe Kritik an deutschen Parteien geübt hatte, äußerte sich vergleichsweise zurückhaltend. Die Wahl in Deutschland sei „eine Lehre“, sagte er. Die Türkei hatte vor islamophoben Tendenzen in Europa gewarnt. Die Bundesregierung habe jedoch alle Warnungen in den Wind geschlagen, sagte Erdogan.
In regierungsnahen Medien wurde Häme über die Verluste für Union und SPD deutlich. Die Türkei-Feindlichkeit sei Merkel teuer zu stehen gekommen, kommentierte die Zeitung „Sabah“. Auch in der Zeitung „Star“hieß es, Union und SPD hätten mit ihrem türkeifeindlichen Wahlkampf der AfD genützt und selbst Schiffbruch erlitten.
Für Aufregung sorgt am Bosporus die Möglichkeit, dass der türkischstämmige Grünen-Chef Cem Özdemir, einer der schärfsten Kritiker Erdogans, in einer neuen Koalition zum deutschen Außenminister berufen werden könnte. Yeneroglu sagte, ein Außenminister der Grünen werde sich wahrscheinlich mehr in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen als ein Minister aus einer anderen Partei.