Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bedingt vorbildlich
Als Vorbild für gute Zusammenarbeit dient das grün-schwarze Regierungsbündnis im Südwesten einem möglichen JamaikaBündnis auf Bundesebene derzeit nicht. Die CDU-Fraktion murrt – zu viele Schläge musste sie in jüngster Zeit einstecken. Schon mit dem Wunsch nach einer Berufung gegen das Diesel-Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts konnte sich die Fraktion nicht durchsetzen. Nun folgten weitere Schlappen: Die Landtagswahlreform ist auf dem Weg, der neue Normenkontrollrat wird auch ökologische und soziale Folgekosten von Gesetzen berechnen – auch wenn niemand weiß, wie das überhaupt gehen soll.
Dass der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein schwarzer Vize Thomas Strobl nun die Tempolimits auf der A 81 vorerst gestoppt haben, die der grüne Verkehrsminister Hermann in Gang gesetzt hat, ist nur ein schwacher Trost. Nur ein Steinchen auf dem gemeinsamen Weg ist damit weggekickt. Viele Felsbrocken liegen noch in Sichtweite. Unerwartete Störfeuer, wie der Wechsel des ehemaligen Grünen-Fraktionssprechers Thomas Hornung zur CDU, fachen die aufgeheizte Stimmung zusätzlich an.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es in der Koalition knallt – entweder zwischen CDU und Grünen oder zwischen CDU-Fraktion und der CDU-Führungsriege. Und auch bei den Grünen wächst Unmut. Partei und Fraktion fühlen sich zunehmend als Erfüllungsgehilfen des Machtzentrums rund um Kretschmann.
Er und Strobl können hilfreiche Beiträge zum Schmieden eines Jamaika-Bündnisses auf Bundesebene leisten. Was sie aber kritisch hinterfragen sollten, sind ihre gegenseitigen Zugeständnisse. Reicht es, wenn jeder seine Ministerien beackern darf, seine politischen Spielwiesen zum Austoben bekommt? Die CDUFraktion im Land würde dies klar mit Nein beantworten. Zu funktionierenden Koalitionen gehören Kompromisse, auch wenn sie wehtun. Sich möglichst in Ruhe zu lassen, ist auf Dauer kein Erfolgsrezept – erst recht, wenn sich wie in Berlin vier Parteien zusammenraufen müssen.