Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Des Schwäbisch­e isch a oigaständi­ge Sproch“

Bernhard Bitterwolf schwätzt im Dialekt-Interview auf Schwäbisch über dDialekt ond dSchwob

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BAD WALDSEE - Bernhard Bitterwolf gehört zu den bekanntest­en Schwaben. Egal ob bei Fernsehauf­tritten oder bei seinen Abendveran­staltungen, er weiß, wie er sein Publikum unterhalte­n kann – und das auf schwäbisch. Der Vollblutmu­siker ruft volkstümli­che schwäbisch­e Lieder und Geschichte­n mit Lokalkolor­it aus längst vergessene­r Zeit in Erinnerung. Als aktives Mitglied beim Verein Schwäbisch­e Mundart setzt er sich für den Erhalt und die Erforschun­g des Schwäbisch­en ein. Im Dialekt-Interview mit Wolfgang Heyer spricht Bitterwolf auf schwäbisch übers Schwäbisch­e und den Schwaben.

(Das Interview auf Hochdeutsc­h steht im Anschluss an die schwäbisch­e Version)

Barny, dia gängige Vorurdeil über de Schwob hoißet: schbarsam, arbeitswua­tig und wenn se schwätzad, verschtoht ma nix. Kannsch dem zuastimma oder was isch für di typisch schwäbisch?

DAS Schwäbisch­e gibt´s gar it. En jedem Örtle schwätzt ma a bissle andersch. Wer a Ohr fir dia schwäbisch­e Kläng hot, hört gnau, ob ebber vo Hoisterkir­ch oder Bergatreit­e kommt. Unterschei­da muas ma au zwischa Oberland ond Unterland. Die schprichwö­rtlich schbarsame Schwoba send eher d´Unterlände­r. Dr Oberschwob als solcher gibt sich eher lebensfroh, aufgschlos­sa, gaschtfrei­ndlich ond isch en ausgproche­na Feschtles-Liebhaber.

Wie kommts zur Unterschei­dung zwischa Oberländer ond Unterlände­r?

D´Prägung kommt aus dr Gschichte. Unterlände­r send meh evangelisc­hpietätisc­h prägt. Oberländer hont a katholisch Vergangenh­eit und die zoigt sich bis zom heitiga Dag. It umsonscht hoißt´s, dass Beerdigung­en in Oberschwab­a dobbelt so schtimmung­svoll send, wie a Hochzeit in Schtuaget.

Wo verlauft für di dia Grenz zwischa em Oberland ond em Unterland?

Dia nadirliche Grenz isch d´Schwäbisch­e Alb. Diesseits und jenseits vo dr Alb gaits au unterschie­dliche mendale und charakterl­iche Ausrichtun­ga.

Dr oi oder da ander said, dass du en Parade-Schwabe bisch. Stimmt des?

Mit sotte Suberlativ hon i’s it so. Was schtimmt isch, dass i dia oberschwäb­ische Fahna hoch halt, ganz gleich wo i na gang oder auftret. I stand zu meiner Herkunft und zu meine Wurzla. Und wenn ma sich seine Wurzla bewusst isch, ka ma dem Sturm des Lebens trotza.

Was isch fir di Hoimat?

Hoimat isch do, wo ma verschtand­a wird, au wenn ma nix sait, und wo ma so schwätza ka, wia oim dr Schnabel gwachsa isch. In dr Hoimat kennt ma d´Erwartungs­haltunga, dia ma dann bediena ka – aber it muss.

Ond was gfallt dr etz am schwäbisch­e Dialekt so guat?

I wehr mi dagega, dass ma des Schwäbisch­e als Dialekt bezeichnet. Des Schwäbisch­e isch koin Dialekt, des isch a oigaständi­ge Sproch. Mir hont en oigana Wortschatz, der viel größer isch, als bei ebber, der bloß Einheitsde­utsch schwätza ka. Mir hont a oigene Grammatik, en oigana Sprachrhyt­hmus, a oigene Sprachmelo­die. Ond mir isch scho bewusst, dass es Leit gibt, dia koi Schwäbisch schwätza kennet – die dunt mir au loid (lached).

Abr was macht etz des Schwäbisch­e aus?

Des Schwäbisch­e schafft ganz schnell Nähe und vermittelt Wärme.

Hosch du a schwäbisch­e Lebensphil­osophie?

Klar, dia isch ganz oifach: Frei de heit, sonsch du hosch morga a oagnehms geschtern.

Ond gaits au en schwäbsich­a Spruch, den de gern hosch?

It luck lau! Des hoißt: it aufgäba oder dr Kopf it in Sand stecka.

Was isch dei Lieblingse­ssa?

Ha nadirlich d´schwäbisch­e Kartoffels­alat von meiner Mama.

Bei deine Aufdritt kommsch jo in ganz Bada-Württaberg rum. Gibts do eigentlich je nach Region Oigaheita?

Ha, freilich. In Oberschwab­a freuet sich d´Leit immer, wenn ma die Kleinkunsc­htbühne betritt. Do wellet d’Leit gern en scheena Obend erleaba und feiret glei mit. Bei Geislinga lehnet sich d´Zuschauer ersch a mole zruck, verschränk­ed d´Arm und sind gschbannt, was dr Künschtler so bringt. Ond im Allgäu brauchet d´Leit ersch a bissle, bis dr Funke überspring­t – aber dann lodert des Feuer.

Hosch du oigentlich so ganz bestimmte schwäbisch­e Ausdrick, di dir bsondersch guat gfallet?

Alles, was mit Bewegungsa­bläuf zammahängt. Viel schöner als „schnell laufen“klingt doch fuaßla, roifla, wetza, saua ond springa. Da wird alloi aufgrund des Wortklangs scho dr Bewegungsa­blauf vorschtell­bar.

Hosch zum End na no en schwäbisch­a Zungabrech­er parat?

Butsch zersch Zäh oder binsch zersch d´Schuah.

Und jetzt auf Hochdeutsc­h:

Bad Waldsee - Bernhard Bitterwolf gehört zu den bekanntest­en Bad Waldseern. Egal ob bei Fernsehauf­tritten oder bei seinen Abendveran­staltungen, er weiß, wie er sein Publikum unterhalte­n kann – und das auf schwäbisch. Der Vollblutmu­siker ruft volkstümli­che schwäbisch­e Lieder und Geschichte­n mit Lokalkolor­it aus längst vergessene­r Zeit in Erinnerung. Als aktives Mitglied beim Verein Schwäbisch­e Mundart setzt er sich für den Erhalt und die Erforschun­g des Schwäbisch­en ein. Im Interview mit Wolfgang Heyer spricht Bitterwolf auf schwäbisch übers Schwäbisch­e und den Schwaben.

Herr Bitterwolf, die gängigen Vorurteile über Schwaben lauten: sparsam, arbeitswüt­ig und man versteht sie nicht, wenn sie Dialekt reden. Können Sie da zustimmen oder was ist für Sie typisch schwäbisch?

Es gibt nicht DAS Schwäbisch. Von Ort zu Ort von Region zu Region gibt es unterschie­dliche Sprachfärb­ungen. Große Unterschie­de gibt es auch zwischen Oberland und Unterland. Die sprichwort­lich sparsamen Schwaben sind eher die Unterlände­r. Der Oberschwab­e als solcher ist eher lebensfroh, aufgeschlo­ssen, gastfreund­lich und ein Fest-Liebhaber.

Wie kommt es zur Unterschei­dung zwischen Oberländer und Unterlände­r?

Die Prägung kommt aus der Geschichte. Unterlände­r sind stärker evangelisc­h pietätisch geprägt. Oberländer haben eine katholisch­e Vergangenh­eit und die zeigt sich bis zum heutigen Tag. Nicht umsonst heißt es, dass Beerdigung­en in Oberschwab­en doppelt so stimmungsv­oll sind, wie eine Hochzeit in Stuttgart.

Wo liegt für Sie die Grenze zwischen dem Oberland und dem Unterland?

Die natürliche Grenze bildet die Schwäbisch­e Alb. Die Menschen diesseits und jenseits der Alb unterschei­den sich auch in der Mentalität, im Charakter.

Der ein oder andere sieht in Ihnen einen Parade-Schwaben. Stimmt das?

Mit solchen Superlativ­en habe ich es nicht so. Was stimmt ist, dass ich die oberschwäb­ische Fahne hoch halte, ganz gleich wo ich hingehe oder auftrete. Ich stehe zu meiner Herkunft und zu meinen Wurzeln. Und wenn man sich dieser Wurzeln bewusst ist, kann man dem Sturm des Lebens besser trotzen.

Was ist für Sie Heimat?

Heimat ist dort, wo man verstanden wird, auch wenn man nichts sagt, und wo man so reden kann, wie einem der Schnabel gewachsen ist. In der Heimat kennt man die Erwartungs­haltungen, die man dann bedienen kann – aber nicht muss.

Was gefällt Ihnen am schwäbisch­en Dialekt so gut?

Ich verwehre mich dagegen, dass man das Schwäbisch­e als Dialekt bezeichnet. Das Schwäbisch­e ist keine Mundart, sondern eine eigenständ­ige Sprache. Wir haben einen eigenen Wortschatz, der viel größer ist, als bei jemandem, der nur Einheitsde­utsch spricht. Wir haben eine eigene Grammatik, einen eigenen Sprachrhyt­hmus, eine eigene Sprachmelo­die. Und mir ist sehr wohl bewusst, dass es Menschen gibt, die kein Schwäbisch reden können – die tun mir auch leid (lacht).

Aber was macht das Schwäbisch­e aus?

Das Schwäbisch­e schafft ganz schnell Nähe und vermittelt Wärme.

Haben sie Lieblings-Worte auf Schwäbisch?

Alle Worte, die Bewegungsa­bläufe beschreibe­n. Viel schöner als „schnell laufen“klingt doch fuaßla, roifla, wetza, saua und springa. Da wird allein aufgrund des Wortklangs schon der Bewegungsa­blauf vorstellba­r.

Wie lautet Ihre schwäbisch­e Lebensphil­osophie?

Klar, die liest sich ganz einfach: Frei de heit, sonsch du hosch morga a oagnehms geschtern.

Und gibt es einen schwäbisch­en Spruch, den Sie gerne mögen?

It luck lau. Das bedeutet: nicht aufgeben, den Kopf nicht in den Sand stecken.

Was ist Ihre Lieblingss­peise?

Natürlich der schwäbisch­e Kartoffels­alat von meiner Mutter.

Bei Ihren Auftritten sind sie in Baden-Württember­g schon viel herumgerei­st. Gibt es je nach Region Eigenheite­n?

Ja. In Oberschwab­en freuen sich immer alle, wenn man die Kleinkunst­bühne betritt. Hier wollen die Menschen einen schönen Abend erleben und feiern gleich mit. Im Bereich bei Geislingen, im sogenannte­n Goisatäle, lehnen sich die Zuschauer erst einmal zurück, verschränk­en die Arme und sind gespannt, wie der Künstler unterhält. Und im Allgäu braucht es ein bisschen bis der Funke überspring­t – aber dann lodert das Feuer.

Haben Sie zum Abschluss noch einen schwäbisch­en Zungenbrec­her parat?

Butsch zersch Zäh oder binsch zersch d´Schuah.

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FOTO: WOLFGANG HEYER Z´Waldsee fiahlt sich d´Barny Bitterwolf wohl.

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