Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mehr Wohnzimmer als SUV
Die zweite Generation des Renault Koleos überzeugt vor allem auf der Langstrecke – Turbodiesel mit großem Durst
Es kommt selten vor, dass man nach einer Autofahrt noch ein bisschen im Wagen sitzen bleibt – einfach nur, weil’s gerade so schön ist. Sei es, weil das Interieur so bemerkenswert edel daherkommt, wie man das nicht alle Tage erlebt. Sei es, weil das Cockpit so futuristisch anmutet, dass man nochmal einen längeren Blick darauf werfen muss.
In diesem Fall aber ist es das Bose Surround-Sound-System mit zwölf Lautsprechern, das aufhorchen lässt und den Aufenthalt zur Wucht macht. Weil die zweite Generation des Renault Koleos, untertrieben formuliert, nicht gerade zu den Kleinwagen gehört, gibt es genügend Raum, in dem sich der Klang ungestört entfalten kann. Die Bässe des Lieblingsliedes stark, aber nicht aufdringlich, die Gitarren virtuos, der Gesang glasklar – und das alles unkompliziert via Bluetooth vom Smartphone auf die Anlage geschickt. Das ist, man muss es leider so sagen, besser als im heimischen Wohnzimmer.
Aber man kann ja schlecht die halbe Nacht im Auto sitzen bleiben, nur um Musik zu hören. Deshalb sollte man sich vielleicht besser aufs Kerngeschäft des Automobils konzentrieren, nämlich aufs Fahren. Da ist zunächst einmal die Größe dieses SUVs, die ins Auge sticht. Weil beim Koleos, gebaut auf der X-Trail-Plattform des Konzernpartners Nissan, die Ähnlichkeit mit dem Wort Koloss wohl nicht rein zufällig ist, kann man ihn mit Fug und Recht als mächtig beschreiben.
Großzügiges Platzangebot, edles Interieur, bequeme Sitze, gute Ausstattung
4,67 Meter Länge und 1,84 Meter Breite haben zur Folge, dass der Stattliche dank seiner 360-Grad-Sensoren immer und überall piepst: piep-piep beim Einfahren in die Tiefgarage, piep-piep auf der schmalen linken Spur in Autobahn-Baustellen, piep-piep beim Einparken vor dem Supermarkt, piep-piep zu Hause im engen Carport – handlich geht anders. Ein flinkes Stadtauto ist dieser Renault, der übrigens von Samsung in Korea gefertigt wird, definitiv nicht.
Seine Fähigkeiten entfalten sich vielmehr auf der Langstrecke. Der senkrecht ins Armaturenbrett eingebaute Touchscreen des Online-Infotainmentsystems ist so groß wie ein iPad; die Bedienung von Navigation, Smartphone-Koppelung und Digitalradio funktioniert intuitiv und tadellos. Die beheiz- und belüft(!)baren Sitze, die zudem sechsfach verstellbar sind und eine Wirbelsäulenstütze haben, passen wie angegossen. Tempomat mit Geschwindigkeitsbegrenzer, Front-Kollisions- und ToterWinkel-Warner, Notbremsassistent, Allradantrieb, Verkehrszeichenerkennung, stufenlose Automatik sowie Panorama-Glasschiebedach – alles verfügbar, alles da, was aus einem Auto eine überaus angenehme Reiselimousine macht. Über diese Ausstattung kann man wahrlich nicht meckern. Allein die Sitzheizung könnte etwas mehr Schmackes haben.
Kommod auch das Fahrwerk, das so manche Unebenheit schluckt, ohne zu murren. Dank all dieser Gimmicks und des großzügigen Platzangebots wird eine Überlandfahrt auch zu fünft zum Vergnügen. Natürlich machen selbst 177 PS aus dem 1,8 Tonnen schweren Zwei-LiterTurbodiesel keinen Rennwagen, aber darauf kommt es bei einem Familien-SUV ja auch gar nicht an. Als Einstiegsversion wird zudem ein 1,6-Liter-Aggregat mit 130 PS sowie Frontantrieb und Sechsganggetriebe angeboten.
Der Kofferraum ist nicht ganz so groß wie erwartet, überrascht dafür aber mit zwei pfiffigen Ideen. Zum einen lässt sich die Heckklappe per Fußsensor öffnen, was frau sehr zu schätzen weiß. Denn nicht selten hat man beim Beladen gleich beide Hände voll. Und zum anderen befindet sich eine Art zweite Ebene über dem Boden, die einzeln umlegbar ist. Durch diese Begrenzung mäandern Sprudelkisten und Einkaufskörbe beim Fahren nicht quer durch den gesamten Kofferraum, sondern sitzen bombenfest. Und noch etwas freut die Testerin: Die Farbe dieses Koleos ist so dunkellila, dass man
Spritverbrauch weit entfernt von den Herstellerangaben, unhandlich in der Stadt
erst beim zweiten Blick bemerkt, dass es eben nicht schwarz ist. Sehr cool. Wie überhaupt die gesamte Optik mit den kraftvollen horizontalen Linien, der robusten Frontpartie und den C-förmigen LED-Leuchten durchaus zu gefallen weiß.
Nicht ganz so prickelnd sieht es hingegen beim Spritverbrauch aus. Durchschnittlich 5,9 Liter, verspricht der Hersteller, soll der Turbodiesel auf 100 Kilometern schlucken. Im Test erweist er sich allerdings als erheblich durstiger: Da schlägt ein Wert um acht Liter zu Buche. Dafür geht der Koleos dann aber auch locker als fahrbare Alternative zum Wohnzimmer durch.