Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Toskana-Fraktion der Antike
Badisches Landesmuseum inszeniert die Etrusker
KARLSRUHE - Das Badische Landesmuseum in Karlsruhe und das Allerheiligen-Museum in Schaffhausen zeigen Ausstellungen über die antike Kultur der Etrusker. Das Landesmuseum bietet eine prachtvolle Inszenierung und viele Exponate aus italienischen Museen. Sie machen die Etrusker-Ausstellung zu einem begehbaren Handbuch.
„Auf Toskana!“Es war ein sichtlich erregter Gre- gor Gysi, dem 1999 im Bun- destag diese Formulierung gelang, die Joschka Fischer und seinen Urlaubsort denunzieren sollte. Die Parole ruft Bilderwelten von seligem Nichtstun auf: links sprießt die Zypresse, von rechts eilen Chianti und Salami heran, dazwischen lagert der Außenminister, dozierend, eingehüllt in die Aromen des Wohllebens.
Denunziert von den Römern
Ganz ähnliche Vorstellungen hatten die Römer von ihrer Toskana-Fraktion. Die Etrusker waren in der heutigen Toskana zu Hause, politisch föderativ in einem Städtebund organisiert. Die Römer neideten ihren nördlichen Nachbarn den Wohlstand und die Freude am Genuss. Reich, dekadent und fett, so klingt die Moralkeule aus Rom. Und in der Tat: die Ausstellung in Karlsruhe bietet viele Beispiele von jenen TerrakottaUrnen, auf denen sich Etrusker in entspannter Lage, am liebsten mit der Kanne in der Hand, beim Gelage verewigen ließen. Aber die Römer müssen gut mit den Etruskern ausgekommen sein, während sie andere Völker mit ihren notorisch „gerechten“Kriegen überzogen haben. Rom selbst hatte eine etruskische Phase, es gab etruskische Könige in seinen Gründerjahren, und die etruskische Oberschicht nahm auch später noch repräsentative Jobs in Rom an. Die Verwaltung entsprach ihrem Vorbild. Aber im Laufe der Zeit haben sich die Etrusker dünn gemacht. Im 1. Jahrhundert vor Christus ist ihre Sprache verschwunden. In der frühen Kaiserzeit verfasste Kaiser Claudius, der 54 nach Christus starb, den Nachruf über sie. Literatur aus eigener Hand gibt es von den Etruskern nicht. Ihre fast tausendjährige Geschichte wird daher stets straff umrissen, die Ausstellung ist nach einem übersichtlichen 5-Phasen-Modell gegliedert. Das knappe Wissen über die Etrusker lässt Ausstellungen, die deren Kulturen präsentieren, meist ähnliche Pfade einschlagen. In München wurden sie 2015 puristisch präsentiert, rein wissenschaftlich, ohne die Zuckerglasur einer Inszenierung. Das holt Karlsruhe nun nach. Das Entree ist als Panorama gestaltet. Man holt, so das Konzept, die Besucher mit der „Landschaftsmagie der Toskana“ab: zartgrüne Hügel, Zypresse links, helles Licht. Auf Wunsch kann man sich hier an Freitagen zu Salami und Chianti ablegen, eines der Zusatzangebote des Hauses.
Ikonen etruskischer Kunst
Die Ausstellung hat effektive Helfer. Zum einen die Ausstellungsarchitekten, das Atelier Hähnel-Bökens. Auf 1000 Quadratmetern inszeniert es eine abwechslungsreiche Strecke. Die Ausstellung wird zum begehbaren Handbuch. Raumverdichtungen zur Konzentration auf die Exponate und große luftige Räume, die Impressionen bieten, wechseln ab. So steht man vor einem großen Grabhügel, in dessen Innerem man eine schmale Grabkammer vorfindet, in originalem Format und originaler Ausmalung. Reproduktionen solcher Gemälde haben Archäologen im späten 19. Jahrhundert anfertigen lassen – die Etrusker-Ausstellung in Schaffhausen zeigt davon ein renommiertes Beispiel.
Es gibt einige Ikonen der etruskischen Kunst. Die berühmteste darunter ist jene als „Redner“titulierte lebensgroße Bronze-Statue. Man erblickt sie in der Zielgeraden der Ausstellung. Ja, es ist tatsächlich das Original, das vom Museumsdirektor begleitet von Florenz angereist ist.
Die italienischen Museen sind die Leihgeber dieser Schau, die großen staatlichen Häusern wie all die Museen aus jenen Städten von Arezzo bis Volterra, die etruskische Gründungen waren und bis heute am selben Ort bestehen.
Gelungene Präsentation
Nicht nur mit der gelungenen Inszenierung geht die Ausstellung auf die Besucher zu, auch mit dem, was sie über die Etrusker erzählt. Das Klischee von der „geheimnisvollen“Kultur wird nicht mehr aufgetragen. Die unklare Herkunft des Volkes ist geklärt, es ist die autochthone Bevölkerung der Region. Die Sprache ist eigenständig, die Gesellschaft zeigt sich emanzipierter als die der Nachbarn rundherum. Frauen wurden nicht nach römischem Ideal als Heimchen am Herd gehalten. Sie hatten ihren eigenen Vor- und Zunamen. Und konnten, was einen antiken Autor erstaunte, auswärts essen gehen und zuprosten, wem sie wollten. Dafür waren sie gut gerüstet, „schön und trinkfest“wie sie waren.
Dass die Etrusker mit den Griechen in Süditalien und den Phöniziern in Afrika einen florierenden Seehandel betrieben und sich deren Kulturen anverwandelten, deutet Kuratorin Susanne Erbelding als Anzeichen, dass diese Kultur eine besondere Integrationsfähigkeit zeigte. Diese Sicht führt zu der Pointe, dass ihr Verschwinden von der Landkarte die größte Integrationsleistung der Etrusker war.
Ausstellung „Die Etrusker“bis 17. Juni 2018, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. Katalog bei Theiss, 416 Seiten. 29,90 Euro.