Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kulturwerkstatt schließt ihre Türen
Betrieb war für das Team um Barbara von Rom nebenberuflich nicht mehr zu stemmen
MEMMINGEN - Zum Abschied gab es nochmals Flimmer, Glitter und volles Haus. Mit seiner Travestieshow lieferte das Ensemble „Joy of Voice“die Schlussvorstellung der Kulturwerkstatt am Schweizerberg. Damit endete am 10. November ein Projekt, das auf den Tag genau sechs Jahre zuvor mit einem Kindertheaterstück sein Debüt als neuer Mitspieler in der städtischen Kulturszene gegeben hatte. Jetzt ist die Auflösung des Vereins beschlossen, das Gebäude leergeräumt.
Ehe sie den Schlüssel abgab, hatte Initiatorin und Leiterin Barbara von Rom noch Überbleibsel aus der kleinen Küche weggepackt. Dabei meldete sich bei der 49-Jährigen vor allem ein Gefühl: Dankbarkeit – „für die bunte und schöne Arbeit dieser Jahre“und jenen gegenüber, die an die Idee geglaubt und für ihre Verwirklichung gearbeitet hätten. Von Rom selbst hatte sich mit der Vision im Kopf dem Kulturmanagement als zweitem Studium gewidmet.
Künstler buchen, Anfragen sichten, Öffentlichkeitsarbeit leisten, das Programm planen: All das wuchs sich zum „Ehrenamt in Vollzeit“aus – und wurde zur Zerreißprobe für von Rom, die seit September 2014 bei der Kolping-Akademie angestellt ist. Weil sie ein festes Einkommen brauchten, gab es auch bei anderen – anfangs selbstständig oder freiberuflich tätigen – Mitstreitern berufliche Veränderungen. Sich der Kulturwerkstatt mit derselben Intensität zu widmen wie zuvor, war nicht mehr möglich. Zwischen Job und Nachtschichten am Schreibtisch verbrauchten sich auch bei von Rom „Freude und Leichtigkeit“, zunehmend fiel es ihr schwer, den Betrieb aufrecht zu halten und dabei die eigenen Ansprüche zu erfüllen.
„Es muss Wert dahinter stecken“
Dazu gehörte, trotz der schwierigen Finanzlage nicht vornehmlich auf Einnahmen zu schielen – „hinter einem Programm sollte immer ein Wert stecken“, sagt von Rom. Auf der anderen Seite stand eine ordentliche Summe, die trotz Spenden und Unterstützung jeden Monat allein für Stromkosten zu berappen war.
Auf dem schmalen Grat zwischen Anspruch und Kommerz die Balance zu halten, war umso problematischer, da ein wachsendes Angebot in Memmingen und Umgebung die Kulturschaffenden stärker fordert: „Wir sind hier extrem breit aufgestellt. Das bedeutet, dass sich die Gäste mehr verteilen. Für Veranstalter wird es immer schwieriger, ihre Häuser zu füllen.“Während in Anfangsjahren jeden Freitag, Samstag und Sonntag Leben in der Kulturwerkstatt herrschte, häuften sich zuletzt Wochenenden, an denen sie verwaist blieb. Am Ende stand bei von Rom die Erkenntnis: „Ich schaff ’ das nicht mehr. Das habe ich auch körperlich gemerkt.“Ebenso schwer wog ihr Wunsch, mehr für die Familie da zu sein. Ein Nachfolger für den Vorsitz fand sich nicht – „das kann ich auch verstehen“.
Bedauern empfindet sie nur darüber, dass sich damit die Türen eines Hauses schließen, „das für alle offenstand“. Denn die Kulturwerkstatt war mit der Idee angetreten, dass Besucher hier Dinge erlernen und die Bühne für sich entdecken: „Wir wollten eine Nische ausfüllen und nicht in Konkurrenz zu anderen Einrichtungen treten.“Diese Nische bot Platz für Schüler, lokale Nachwuchsbands, für Angehörige anderer Kulturen, Künstler verschiedener Sparten und für Menschen mit Behinderung. Oder für junge Leute, für die es bei der Ausbildungssuche nicht laufen wollte: Die Zeitungsartikel zur „Kulturlehrwerkstatt“mit der Agentur für Arbeit hat von Rom aufgehoben, sie kennt die Namen der abgebildeten Jugendlichen – und deren Geschichten. Wie die eines Mädchens, das „unglaublich gut Geige spielen konnte“und davon träumte, Friseurin zu werden. Die Inhaberin eines Salons erlebte sie bei einem Auftritt. Praktikum und Ausbildungsvertrag folgten. Solche Erlebnisse, aber auch Eindrücke wie bei der „Musical Summer School“– offene Fenster, Musik und tanzende Kinder: Das sind Erinnerungen, die sich von Rom bewahren will.
Andere fangen derweil neu an: Gerade richtet sich das Marionettentheater ein – nebenan, in den ehemaligen Mau-Stuben. Denn zum Zeitpunkt des Umzugs stand laut von Rom das Aus der Kulturwerkstatt noch nicht fest. Die „wahnsinnige Energie“, mit der nebenan gearbeitet wird, erinnert sie an die Euphorie beim Start der Kulturwerkstatt. Über die Nachfolge ist sie froh: „Erst war das Landestheater hier, dann wir, jetzt das Marionettentheater. Es bleibt der Kulturberg.“