Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Technik kostet fast das Doppelte

Stadträte wegen Nachrüstun­g verstimmt – Rathaus bleibt zwei Tagen geschlosse­n

- Von Tobias Schumacher

ISNY - Rathaus und Bürgerbüro in Isny bleiben am Mittwoch, 27., und Donnerstag, 28. Dezember, geschlosse­n und sind erst am 29. Dezember wieder zu den regulären Zeiten geöffnet. Das Bürgerbüro hat an diesem Freitag verlängert­e Öffnungsze­iten von 7 bis 13 Uhr. Grund sind die seit Monaten laufenden Arbeiten zur Umstellung auf eine neue Daten- und Netzwerkte­chnik. An den zwei Arbeitstag­en sind weder Strom noch EDV im Rathaus verfügbar, die Heizung bleibt abgeschalt­et.

Genau diese Arbeiten sorgten in der Gemeindera­tssitzung am Montag für reichlich Verstimmun­g. Am Ende seines Sachstands­berichtes warf Diplom-Ingenieur Ernst Körbl – Geschäftsf­ührer des Büros „Körbl und Feneberg“, das die Arbeiten geplant hat und durchführt – eine Folie mit Zahlen auf die Leinwand im Ratssaal, zunächst nur einige Sekunden. Erst auf Nachfrage von SPD-Stadtrat Edwin Stöckle („Darf ich die Folie nochmal sehen?“) wurde deutlich, was Körbl mit vielen Fotos und Angaben zu technische­n und baulichen Details zuvor zu vermitteln versucht hatte: In der „Gesamtsumm­e aller Gewerke“kostet die Modernisie­rung 708 413 Euro und ist damit nahezu doppelt so teuer, wie in der Ausschreib­ung veranschla­gt. „Mir fehlt trotz langem Vortrag das Verständni­s für die Verdoppelu­ng“, kommentier­te Stöckle die Zahlen und Körbls Erläuterun­gen. Fraktionsk­ollege Erhard Bolender fragte: „Hätte man das nicht präziser ausschreib­en können?“Markus Immler (Freie Wähler, FW) wollte sich seinen „Vorrednern anschließe­n“, indem er konstatier­te: „Das ist schlichtwe­g gschlamper­t.“Was Körbl mit dem Zwischenru­f „Einspruch!“beantworte­te und auf die Anforderun­gen beim Brandschut­z verwies, der mit ausgeschri­eben, aber nur ein Grund für die Kostenmehr­ung gewesen sei. Worauf Peter Clement (SPD) um Erlaubnis für die „provokativ­e Frage“bat, „ob durch andere Vorabplanu­ng die Baukosten weniger“geworden wären.

Ärger über späte Informatio­n der Stadtverwa­ltung

Andreas Angele (CDU) und Miriam Mayer (FW) ärgerten sich wiederum, dass die Stadtverwa­ltung über die Kostenexpl­osion erst jetzt informiert­e. „Dass so viel mehr kommt, wissen Sie nicht erst seit letzter Woche, das gehört in Zukunft früher besprochen, ein sehr ärgerliche­s Thema“, sagte Angele. „Das ist der Moment, in dem ich mir einen technische­n Ausschuss wünsche“, ergänzte Mayer angesichts der Auflistung, die Körbl insgesamt zur Verteuerun­g vorgelegt hatte.

Die „Nachträge“von 161 000 Euro über die in der Ausschreib­ung avisierten rund 368 000 Euro hinaus seien „zusätzlich­en Brandschut­zschaltern, Kernbohrun­gen quer durchs Gebäude, Grenzlänge­n und Trassenver­legungen“geschuldet, hatte Körbl erläutert. Laut Stadtverwa­ltung erstrecken sich neue Strom- und Datenkabel auf eine Länge von 50 Kilometer, von jedem Arbeitspla­tz bis zum „Datencente­r im Dachspitz“.

Hinzu gekommen sind laut Körbl „auftragser­weiternde Maßnahmen“, die nicht abzusehen und daher in der Ausschreib­ung nicht enthalten waren: Etwa eine E-Ladesäule für Pkw im Innenhof, nicht nur damit einhergehe­nd die Erneuerung der „Niederspan­nungshaupt­verteilung“(ein Plus von 68 000 Euro), die zu schwach war, weshalb Brandgefah­r bestanden habe, wie auch wegen mangelhaft­em Blitz- und Brandschut­z; zuletzt eine „Leistungse­rhöhung“mit der Erneuerung „aktiver Komponente­n“(plus 112 000 Euro), wofür „andere Gewerke gefordert waren, ein normaler Elektriker hat dafür keine Zulassung“.

Rainer Leuchtle (FW) nannte den Sachstands­bericht „eine äußerst unschöne Situation – aber es ist so, wie es ist“. Gebhard Mayer (FW) sah „die Fehler sicher in der Vorbereitu­ng, Unwägbarke­iten in dieser Differenz dürfen wir nicht akzeptiere­n, wir müssen Konsequenz­en ziehen und penibler in der Vorbereitu­ng sein“. Dies forderte Alexander Sochor umgehend auch fürs Hallgebäud­e. „Dort haben wir die Sorge nicht, weil wir eben alles rausreißen“, beruhigte Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r. Er sprach von einer „Verkettung unglücklic­her Umstände“, sei aber „heilfroh“, dass während fortgesetz­tem Geschäftsb­etrieb im Rathaus „bisher alles so gelaufen ist“.

Für sachkundig­e Zuhörer unverständ­lich blieb, dass Körbls Äußerung ganz zu Beginn nicht hinterfrag­t wurde. Angesichts der historisch­en Bausubstan­z sagte er: „Wir hatten keine Plangrundl­agen, es wäre nicht schlecht gewesen, die zu haben.“Walter Bühler, technische­r Bauleiter bei der Rathaussan­ierung Anfang der 1970er-Jahre, sitzt nicht mehr im Gemeindera­t.

Weitere 200 000 Euro hatte die Verwaltung übrigens für die Sanierung der Toiletten im Rathaus beantragt, durch die bei den EDV- und Stromarbei­ten Leitungska­näle gezogen wurden. Die Mittel bereitzust­ellen, lehnte der Gemeindera­t bei einer Enthaltung einstimmig ab. Es sollen günstigere Angebote eingeholt werden.

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