Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Ich glaube, es geht über fünf Sätze“
Berlins Trainer Luke Reynolds über den bevorstehenden Volleyball-Schlager gegen den VfB Friedrichshafen
Verfolger gegen Spitzenreiter, Meister gegen Pokalsieger, über 6000 Fans in der Halle, Live-Übertragung im Free-TV auf Sport1: Wenn am heutigen Mittwochabend um 19 Uhr die Berlin Volleys auf den VfB Friedrichshafen treffen, blickt ganz VolleyballDeutschland auf das Spiel der Giganten in der Max-Schmeling-Halle. Nachdem die Berliner der Mannschaft vom Bodensee in der letzten Saison auf den letzten Metern doch noch den Meistertitel entreissen konnten, reist der VfB Friedrichshafen nun als ungeschlagener Spitzenreiter der Bundesliga in die Hauptstadt. Ein weiterer Sieg für die Häfler, und Berlins Rückstand würde bereits acht Punkte betragen. Christian Schyma hat sich mit Berlins neuem Coach Luke Reynolds unterhalten. Der 32 Jahre alte Aus-tralier war zuvor Assistent des früheren Berliner Trainers Mark Lebedew beim polnischen Topklub Wegiel.
Coach Reynolds, Sie sind jetzt etwas mehr als ein halbes Jahr in Berlin. Haben Sie neben der Halle schon etwas von der Stadt sehen können?
Nein, leider noch nicht viel – bis jetzt eigentlich nur den Fitnessraum, das Büro der Volleys und die Halle. Rund um Weihnachten hatten wir mal fünf Tage frei, da haben wir ein bisschen Sightseeing gemacht. Aber meine Frau Hillary, die auf den Philippinen Volleyball spielt, ist seit sechs Wochen hier. Vielleicht schaffen wir in nächster Zeit mal den einen oder anderen Ausflug.
Ihre Mannschaft hat zuletzt ihre Form gefunden, ist ins Rollen gekommen. Das sah zu Saisonbeginn anders aus. Was sind die Ursachen für den durchwachsenen Start?
Nun ja, ein neues Team braucht seine Zeit, um sich kennenzulernen, sich auf dem Feld zu finden. Jeder Spieler muss lernen, wie der andere agiert. Das gilt natürlich auch für ei- nen neuen Trainer. Insgesamt fehlte uns in dieser frühen Phase die Abstimmung, aber das ist normal. Und inzwischen läuft es.
In den Berliner Medien wurde schon Kritik laut. Hat Sie das in Ihrer Arbeit beeinflusst?
Dass hohe Erwartungen in einen gesetzt werden, das gibt es in vielen Jobs. Gerade hier in Berlin und im Volleyball sind die Erwartungen nach den vielen Erfolgen der vergangenen Jahre sehr hoch. Das gehört dazu, sollte einen aber nicht bei der Arbeit beeinflussen. Wenn man nicht damit klarkommt, darf man den Schritt nicht wagen.
Wie würden Sie Ihre Idee vom Vol- leyball beschreiben?
Das ist eine schwierige Frage, die nicht mit einem Satz zu beantworten ist. Ich denke, man muss sich an seinen jeweiligen Spielern orientieren und das Spiel danach ausrichten. Vital Heynen wird es als Trainer in Friedrichshafen deshalb sicher anders machen als ich in Berlin. In bestimmten Situationen setze ich auch mal auf Risiko. Hilfreich war sicherlich auch der Austausch mit Mark Lebedew, der mir einige hilfreiche Tipps geben konnte.
Sie scheinen nach einigen Wechseln zu Saisonbeginn zuletzt Ihre Start-Sechs gefunden zu haben. Ist das auch ein Grund dafür, dass Ihr Team so gut ins Jahr gestartet ist?
Es ist sicherlich von Vorteil, einen festen Spielerkreis zu haben. Letztendlich entscheidet aber die Leistung im Training, wer beginnt. Zudem ist die Saison noch lang, da bekommen alle zwölf Akteure ausreichend Einsatzzeiten.
Der VfB hat wettbewerbsübergreifend die letzten 20 Partien gewonnen. Worin sehen Sie die besonderen Stärken des VfB Friedrichshafen?
Ich habe einige Videos gesehen, allerdings noch nicht von den letzten Partien. Es ist eine hohe Qualität in allen Elementen zu erkennen. Aber den Fokus richte ich trotzdem erst einmal auf mein eigenes Team, dann auf den Gegner.
Welches Element wird denn entscheidend sein am Mittwoch?
Bestimmt nicht nur eins – sondern ein Mix aus Block, Verteidigung und Annahme. Die Spieler müssen all ihre Fähigkeiten aufs Parkett bringen. Ich glaube, dass es am Ende über fünf Sätze geht. Jedenfalls ist diese Partie eine tolle Gelegenheit, sich als Spieler zu beweisen. Es ist ein großes Spiel vor einer großen Kulisse und vielen Zuschauern am Bildschirm.
Wie lauten Ihre Ziele für Bundesliga und Champions League?
Wir wollen natürlich in beiden Wettbewerben so viele Spiele wie möglich gewinnen. In der Bundesliga heißt das Ziel ganz klar Finale, in der Champions League wollen wir uns eine gute Position erarbeiten.
Wie schätzen Sie das Niveau der Bundesliga ein?
Die Liga ist deutlich stärker geworden, viele Spiele sind sehr eng – und die Teams nehmen sich die Punkte gegenseitig ab. Es gibt natürlich immer noch Unterschiede zu Ligen wie in der Türkei oder Polen, aber die Qualität ist sehr gut.