Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
IS tötet humanitäre Helfer
In Afghanistan sterben mindestens neun Menschen
KABUL (dpa) - Bei einem Angriff der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) auf ein Büro der Kinderhilfsorganisation Save the Children in Ostafghanistan sind mindestens neun Menschen ums Leben gekommen. Unter ihnen seien unter anderem zwei Mitarbeiter der Organisation, ein Wächter und ein Mitglied der Sicherheitskräfte, sagte der Regierungssprecher der Provinz Nangarhar, Attaullah Chogiani, am Mittwoch. Während eines neun Stunden langen Schusswechsels seien alle fünf Attentäter getötet worden.
Spezialkräfte schafften es erst nach Stunden, 46 Menschen aus dem Schutzraum des Bürogebäudes zu retten. Der Überfall in der Stadt Dschalalabad war schon der dritte schwere Angriff von Extremisten in Afghanistan allein im Januar.
Der Angriff auf die Kinderhilfsorganisation hatte gegen 9 Uhr Ortszeit (5.30 MEZ) begonnen. Wie Chogiani berichtete, sprengte sich zuerst vor dem Gebäude ein Selbstmordattentäter in die Luft. Dabei gingen auch einige Autos in Flammen auf. Dann seien Bewaffnete in das Haus eingedrungen und hätten auch mit schweren Waffen um sich geschossen und Handgranaten geworfen.
Viele Angestellte hätten sich in einen Schutzraum retten können, ein Zimmer mit schusssicheren Stahltüren ohne Fenster, sagte ein Mitarbeiter. Für die meisten Organisationen in Afghanistan sind solche Schutzräume zur Pflicht geworden. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es allen meinen lieben Kollegen in Dschalalabad gerade geht. Ich zittere am ganzen Körper“, sagte der Mitarbeiter. Spezialkräfte schaffen es erst nach Stunden, 46 Menschen aus dem Schutzraum zu retten.
Insgesamt 25 Menschen seien verletzt worden, hieß es später – auch in Nachbarhäusern, wo Fensterscheiben barsten und Kugeln einschlugen. Der IS hatte sich über sein Sprachrohr Amak zu dem Anschlag bekannt. Die Terrormiliz hat in der Provinz ihre einzige, wenn auch kleine territoriale Basis und verübt in Nangarhar, aber auch in Kabul, zunehmend besonders grausame Anschläge – 2017 zum Beispiel auf eine vollbesetzte schiitische Moschee (71 Tote) oder auf ein Militärkrankenhaus (knapp 50 Tote). Im BekennerSchreiben des IS hieß es, die NGO gehöre zu den „Kreuzfahrer-UN“– hinter der Anspielung steckt der Vorwurf, die Organisation wolle Muslime zum Christentum konvertieren.
Organisation stellt Arbeit ein
Der afghanische IS-Experte des Rechercheinstituts International Crisis Group, Borhan Osman, sagt, das sei eine weit verbreite Auffassung. „Für diese Extremisten machen ausländische Organisationen keine humanitäre Arbeit. Sie bringen Spione ins Land. Oder sie missionieren und korrumpieren die Werte und islamische Moral der Afghanen.“
Save the Children veröffentlichte am Abend (Ortszeit) über soziale Medien die Botschaft, dass sie nach dem Angriff die Arbeit landesweit eingestellt habe. Alle Büros seien geschlossen worden. „Wir sind bereit, unsere Operationen und lebensrettende Arbeit so schnell wie möglich wieder aufzunehmen“, hieß es in der Botschaft – sobald es sicher sei.