Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wilhelmskircher Sendemasten fallen
Oberschwaben hat zwei Landmarken weniger – Grundstück wird verkauft
HORGENZELL - Viele werden sie vermissen, die beiden Sendemasten neben der Landesstraße 288 bei Wilhelmskirch. Die Betreibergesellschaft Media Broadcast hat die 120 Meter hohen Masten am Dienstag umlegen lassen. Für die rund 80 Zuschauer war das Geschehen ein vergnügliches Spektakel – auch wenn manch wehmütiger Kommentar dazu kam. Immerhin haben die Masten als weithin sichtbare Landmarken jahrzehntelang dabei geholfen, sich in der Landschaft zu orientieren und Fremden den Weg zu erklären.
„Die waren immer da, die Sendemasten, mein ganzes Leben lang“, sagt eine Zuschauerin, während sie an der Absperrung wartet. Am Fuß des einen Masts steht neben einem Bagger eine Gruppe Männer mit Helmen. Bauunternehmer Alfons Leuthe aus Schlier-Wetzisreute geht mit ihnen noch einmal den Ablauf durch. Als alle Posten Zeichen geben, dass sich niemand mehr auf dem Gelände befindet, kann es losgehen.
Aus der Ferne sehen die Zuschauer, wie ein Arbeiter mit Schneidbrenner an einer der drei Verankerungen die Stahlseile kappt. Die Halteseile in die anderen beiden Richtungen werden schlaff, hängen durch, der Mast neigt sich zur Seite, kippt immer schneller und donnert auf den Boden. Erdbrocken fliegen hoch in die Luft und versperren kurzzeitig die Sicht. „Das war ein ganz schöner Schlag“, sagt einer der Zuschauer anerkennend und prostet seinem Nachbarn zu. Die meisten Männer halten Bierflaschen in der Hand. Eine Frau verteilt Kekse.
Inzwischen sind die Arbeiter zum nächsten Mast weitergezogen. Auch er wird zu Fall gebracht und landet quer über seinem Kameraden. Als die Absperrung geöffnet wird, strömen die Schaulustigen auf die Wiese. Bestaunen, wie das Metall sich verformt hat beim Aufprall. Wie tief sich die Stahlseile in den Boden gewühlt haben. Wo die gefällten Masten aufeinander liegen, ragt eine grüne Dachlatte aus dem Metallgewirr. „Da haben wir vorher die Stelle markiert, an der die Masten sich kreuzen sollen“, sagt Bauunternehmer Leuthe voller Stolz auf die Maßarbeit seines Teams.
Masten von 1951 und 1968
Jetzt klettern Kinder zwischen die Metallstreben, Erwachsene stapfen im Matsch rund um die gefällten Masten, tätscheln mal hier eine gewaltige Schraube und mal da eine rote Leuchte, die sie all die Jahre immer nur aus großer Entfernung gesehen haben. Der ältere Sendemast stammt aus dem Jahr 1951, er diente ursprünglich dem Südwestfunk. Seit 1962 hat die Anlage auch das Programm des Deutschlandfunks ausgestrahlt. 1964 hat der Südwestfunk den Sender an die Deutsche Bundespost abgegeben, und zwar an die Oberpostdirektion Tübingen, berichtet Peter Wischer. Der Rentner aus Ravensburg hat bei der Deutschen Bundespost gearbeitet und seither das Schicksal der Sendeanlage verfolgt.
Im Jahr 1968 kam in Wilhelmskirch ein 80 Meter hoher Reflektormast dazu, berichtet Wischer. Er wurde 1978 wieder abgebaut, als der zweite 120 Meter hohe Antennenmast aufgestellt wurde. Inzwischen gehören die Sendemasten der Media Broadcast GmbH. Bis Ende 2015 haben sie noch den Deutschlandfunk über Mittelwelle ausgestrahlt. Seither sind sie nicht mehr in Betrieb. Dass ihnen jetzt im Alter von 67 und 40 Jahren „der Todesstoß versetzt wird“, wie Wischer sagt, betrübt den Rentner. Denn in Not- und Katastrophenfällen hätte die Sendeanlage seiner Ansicht nach wichtige Dienste leisten können, wenn es darum geht, die Bevölkerung zu informieren.
Und was wird jetzt aus dem rund fünf Hektar großen Areal mit bester Bergsicht, auf dem die Sendemasten standen? Das Grundstück wird verkauft, sagt Roman Birle von der Media Broadcast GmbH. Die Gemeinde Horgenzell hat jedoch kein Interesse mehr, erklärt Bürgermeister Volker Restle. Ursprünglich war angedacht, auf dem Gelände ein Gewerbegebiet einzurichten. Diesem Plan hat das Regierungspräsidium jedoch eine Absage erteilt.